eben ein Vorersatz der Ehe für den noch suchenden Junggesellen. Aber das ist nur die eine Wurzel. Die andere liegt darin, daß auch hier die Ehe starke Unterbrechungen erleidet durch Arbeitsteilungen. Die Frau sitzt daheim, sorgt für die kleinen Kinder, pflegt den Acker, macht Töpfe und kocht. Die Männer aber ziehen auf die Jagd, gemeinsam. Lange ziehen sie da herum, immer unter sich. Eine besondere, rein männliche Ge¬ selligkeit entwickelt sich. Jagdfeste werden arrangiert. Und da das ewig wiederkehrt, prägt es sich zur festen Institution. Das Männerhaus ist gewissermaßen die permanent stehen¬ bleibende, improvisierte Laubhütte der Jagdgesellschaft.
In dieses Haus gehört die Frau aus guten Gründen nicht. Gerade damit die Ehe echt bestehen bleibe! Im Männerhaus wimmelt's von Junggesellen, die auf der Weibersuche sind. Es taugt nicht, dieser Gesellschaft die Ehefrauen in besonders leichten Situationen, bei Trank und nächtlichem Tanz, nahe zu bringen. Im Männerhaus verkehren auch Gäste aus anderen Stämmen, die man auf der Jagd kennen gelernt hat, hier wird der fremde Reisende einquartiert, es ist das große Hotel des Stammes, dem man auch den Ruf der Ehefrau nicht gern anvertraut.
Etwas laxer sind ja allerdings in den meisten Fällen wohl die Beziehungen des Männerbundes zu den unverheirateten jungen Mädchen des Stammes. Hier dürfen Ausnahmen statt¬ finden, damit die erotische Wahl ihren Weg gehe. Das Männerhaus soll ja die Ehe auch in diesem Sinne, in ihrer beständigen Neuentstehung, wieder nicht anfechten, soll nicht etwa die Geschlechter in der Zeit, wo sie sich frei suchen müssen, ganz voneinander fernhalten. Wo freilich Mädchen dauernd in die Junggesellenhäuser eindringen, da entwickelt sich von dem freien Verkehr zur Ehewahl hinweg eine gewisse Anfangs¬ stufe der Prostitution, -- diese Mädchen heiraten überhaupt nicht mehr, sondern bilden eine Art (übrigens ganz harmlos beurteilter) Hetären des Klubhauses, deren Kinder der Stamm versorgt, weil ein sicher bestimmter Mann nicht existiert.
eben ein Vorerſatz der Ehe für den noch ſuchenden Junggeſellen. Aber das iſt nur die eine Wurzel. Die andere liegt darin, daß auch hier die Ehe ſtarke Unterbrechungen erleidet durch Arbeitsteilungen. Die Frau ſitzt daheim, ſorgt für die kleinen Kinder, pflegt den Acker, macht Töpfe und kocht. Die Männer aber ziehen auf die Jagd, gemeinſam. Lange ziehen ſie da herum, immer unter ſich. Eine beſondere, rein männliche Ge¬ ſelligkeit entwickelt ſich. Jagdfeſte werden arrangiert. Und da das ewig wiederkehrt, prägt es ſich zur feſten Inſtitution. Das Männerhaus iſt gewiſſermaßen die permanent ſtehen¬ bleibende, improviſierte Laubhütte der Jagdgeſellſchaft.
In dieſes Haus gehört die Frau aus guten Gründen nicht. Gerade damit die Ehe echt beſtehen bleibe! Im Männerhaus wimmelt's von Junggeſellen, die auf der Weiberſuche ſind. Es taugt nicht, dieſer Geſellſchaft die Ehefrauen in beſonders leichten Situationen, bei Trank und nächtlichem Tanz, nahe zu bringen. Im Männerhaus verkehren auch Gäſte aus anderen Stämmen, die man auf der Jagd kennen gelernt hat, hier wird der fremde Reiſende einquartiert, es iſt das große Hotel des Stammes, dem man auch den Ruf der Ehefrau nicht gern anvertraut.
Etwas laxer ſind ja allerdings in den meiſten Fällen wohl die Beziehungen des Männerbundes zu den unverheirateten jungen Mädchen des Stammes. Hier dürfen Ausnahmen ſtatt¬ finden, damit die erotiſche Wahl ihren Weg gehe. Das Männerhaus ſoll ja die Ehe auch in dieſem Sinne, in ihrer beſtändigen Neuentſtehung, wieder nicht anfechten, ſoll nicht etwa die Geſchlechter in der Zeit, wo ſie ſich frei ſuchen müſſen, ganz voneinander fernhalten. Wo freilich Mädchen dauernd in die Junggeſellenhäuſer eindringen, da entwickelt ſich von dem freien Verkehr zur Ehewahl hinweg eine gewiſſe Anfangs¬ ſtufe der Proſtitution, — dieſe Mädchen heiraten überhaupt nicht mehr, ſondern bilden eine Art (übrigens ganz harmlos beurteilter) Hetären des Klubhauſes, deren Kinder der Stamm verſorgt, weil ein ſicher beſtimmter Mann nicht exiſtiert.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0227"n="213"/>
eben ein Vorerſatz der Ehe für den noch ſuchenden Junggeſellen.<lb/>
Aber das iſt nur die eine Wurzel. Die andere liegt darin,<lb/>
daß auch hier die Ehe ſtarke Unterbrechungen erleidet durch<lb/>
Arbeitsteilungen. Die Frau ſitzt daheim, ſorgt für die kleinen<lb/>
Kinder, pflegt den Acker, macht Töpfe und kocht. Die Männer<lb/>
aber ziehen auf die Jagd, gemeinſam. Lange ziehen ſie da<lb/>
herum, immer unter ſich. Eine beſondere, rein männliche Ge¬<lb/>ſelligkeit entwickelt ſich. Jagdfeſte werden arrangiert. Und da<lb/>
das ewig wiederkehrt, prägt es ſich zur feſten Inſtitution.<lb/>
Das Männerhaus iſt gewiſſermaßen die permanent ſtehen¬<lb/>
bleibende, improviſierte Laubhütte der Jagdgeſellſchaft.</p><lb/><p>In dieſes Haus gehört die Frau aus guten Gründen nicht.<lb/>
Gerade damit die Ehe echt beſtehen bleibe! Im Männerhaus<lb/>
wimmelt's von Junggeſellen, die auf der Weiberſuche ſind. Es<lb/>
taugt nicht, dieſer Geſellſchaft die Ehefrauen in beſonders leichten<lb/>
Situationen, bei Trank und nächtlichem Tanz, nahe zu bringen.<lb/>
Im Männerhaus verkehren auch Gäſte aus anderen Stämmen, die<lb/>
man auf der Jagd kennen gelernt hat, hier wird der fremde<lb/>
Reiſende einquartiert, es iſt das große Hotel des Stammes,<lb/>
dem man auch den Ruf der Ehefrau nicht gern anvertraut.</p><lb/><p>Etwas laxer ſind ja allerdings in den meiſten Fällen<lb/>
wohl die Beziehungen des Männerbundes zu den unverheirateten<lb/>
jungen Mädchen des Stammes. Hier dürfen Ausnahmen ſtatt¬<lb/>
finden, damit die erotiſche Wahl ihren Weg gehe. Das<lb/>
Männerhaus ſoll ja die Ehe auch in dieſem Sinne, in ihrer<lb/>
beſtändigen Neuentſtehung, wieder nicht anfechten, ſoll nicht<lb/>
etwa die Geſchlechter in der Zeit, wo ſie ſich frei ſuchen müſſen,<lb/>
ganz voneinander fernhalten. Wo freilich Mädchen dauernd<lb/>
in die Junggeſellenhäuſer eindringen, da entwickelt ſich von<lb/>
dem freien Verkehr zur Ehewahl hinweg eine gewiſſe Anfangs¬<lb/>ſtufe der Proſtitution, — dieſe Mädchen heiraten überhaupt<lb/>
nicht mehr, ſondern bilden eine Art (übrigens ganz harmlos<lb/>
beurteilter) Hetären des Klubhauſes, deren Kinder der Stamm<lb/>
verſorgt, weil ein ſicher beſtimmter Mann nicht exiſtiert.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[213/0227]
eben ein Vorerſatz der Ehe für den noch ſuchenden Junggeſellen.
Aber das iſt nur die eine Wurzel. Die andere liegt darin,
daß auch hier die Ehe ſtarke Unterbrechungen erleidet durch
Arbeitsteilungen. Die Frau ſitzt daheim, ſorgt für die kleinen
Kinder, pflegt den Acker, macht Töpfe und kocht. Die Männer
aber ziehen auf die Jagd, gemeinſam. Lange ziehen ſie da
herum, immer unter ſich. Eine beſondere, rein männliche Ge¬
ſelligkeit entwickelt ſich. Jagdfeſte werden arrangiert. Und da
das ewig wiederkehrt, prägt es ſich zur feſten Inſtitution.
Das Männerhaus iſt gewiſſermaßen die permanent ſtehen¬
bleibende, improviſierte Laubhütte der Jagdgeſellſchaft.
In dieſes Haus gehört die Frau aus guten Gründen nicht.
Gerade damit die Ehe echt beſtehen bleibe! Im Männerhaus
wimmelt's von Junggeſellen, die auf der Weiberſuche ſind. Es
taugt nicht, dieſer Geſellſchaft die Ehefrauen in beſonders leichten
Situationen, bei Trank und nächtlichem Tanz, nahe zu bringen.
Im Männerhaus verkehren auch Gäſte aus anderen Stämmen, die
man auf der Jagd kennen gelernt hat, hier wird der fremde
Reiſende einquartiert, es iſt das große Hotel des Stammes,
dem man auch den Ruf der Ehefrau nicht gern anvertraut.
Etwas laxer ſind ja allerdings in den meiſten Fällen
wohl die Beziehungen des Männerbundes zu den unverheirateten
jungen Mädchen des Stammes. Hier dürfen Ausnahmen ſtatt¬
finden, damit die erotiſche Wahl ihren Weg gehe. Das
Männerhaus ſoll ja die Ehe auch in dieſem Sinne, in ihrer
beſtändigen Neuentſtehung, wieder nicht anfechten, ſoll nicht
etwa die Geſchlechter in der Zeit, wo ſie ſich frei ſuchen müſſen,
ganz voneinander fernhalten. Wo freilich Mädchen dauernd
in die Junggeſellenhäuſer eindringen, da entwickelt ſich von
dem freien Verkehr zur Ehewahl hinweg eine gewiſſe Anfangs¬
ſtufe der Proſtitution, — dieſe Mädchen heiraten überhaupt
nicht mehr, ſondern bilden eine Art (übrigens ganz harmlos
beurteilter) Hetären des Klubhauſes, deren Kinder der Stamm
verſorgt, weil ein ſicher beſtimmter Mann nicht exiſtiert.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/227>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.