denn der Leitaffe ist Manns genug für sämtliche Äffinnen seiner Herde. Wird diese zu groß, dann sondert sich unter der Führung eines inzwischen stark genug gewordenen Mitbruders ein Teil vom Haupttrupp ab und beginnt nun für sich den Kampf und den Streit um die Oberherrschaft in der Leitung der Herde und in der Liebe. Kampf findet immer statt, wo mehrere nach gleichem Ziele streben; bei den Affen vergeht aber sicher kein Tag ohne Streit und Zank. Man braucht eine Herde nur kurze Zeit zu beobachten und wird gewiß bald den Streit in ihrer Mitte und seine wahre Ursache kennen lernen. Im übrigen übt der Leitaffe sein Amt mit Würde aus. Schon die Achtung, welche er genießt, verleiht ihm Sicher¬ heit und Selbständigkeit, welche seinen Untergebenen fehlt; auch wird ihm von diesen in jeder Weise geschmeichelt. So sieht man, daß selbst die Äffinnen sich bemühen, ihm die höchste Gunst, welche ein Affe gewähren oder nehmen kann, zu teil werden zu lassen. Sie beeifern sich, sein Haarkleid stets von den lästigen Schmarotzern möglichst rein zu halten, und er läßt sich diese Huldigung mit dem Anstande eines Paschas gefallen, welchem eine Lieblingssklavin die Füße kraut. Dafür sorgt auch er treulich für die Sicherheit seiner Bande und ist deshalb in beständiger Unruhe. Nach allen Seiten hin sendet er seine Blicke, keinem Wesen traut er, und so entdeckt er auch fast immer rechtzeitig eine etwaige Gefahr."
[Abbildung]
Dieser Umschlag der Einweiberei in Vielweiberei ist aber wieder nur ein einzelnes strammes Exempel der gegenseitigen Durchkreuzung von Ehe und außerehelichem Sozialleben. Es giebt noch mehr. Und zwar giebt es weitere Züge, in denen, wie hier, die Ehe leise Wandlungen, Verschiebungen erfährt
denn der Leitaffe iſt Manns genug für ſämtliche Äffinnen ſeiner Herde. Wird dieſe zu groß, dann ſondert ſich unter der Führung eines inzwiſchen ſtark genug gewordenen Mitbruders ein Teil vom Haupttrupp ab und beginnt nun für ſich den Kampf und den Streit um die Oberherrſchaft in der Leitung der Herde und in der Liebe. Kampf findet immer ſtatt, wo mehrere nach gleichem Ziele ſtreben; bei den Affen vergeht aber ſicher kein Tag ohne Streit und Zank. Man braucht eine Herde nur kurze Zeit zu beobachten und wird gewiß bald den Streit in ihrer Mitte und ſeine wahre Urſache kennen lernen. Im übrigen übt der Leitaffe ſein Amt mit Würde aus. Schon die Achtung, welche er genießt, verleiht ihm Sicher¬ heit und Selbſtändigkeit, welche ſeinen Untergebenen fehlt; auch wird ihm von dieſen in jeder Weiſe geſchmeichelt. So ſieht man, daß ſelbſt die Äffinnen ſich bemühen, ihm die höchſte Gunſt, welche ein Affe gewähren oder nehmen kann, zu teil werden zu laſſen. Sie beeifern ſich, ſein Haarkleid ſtets von den läſtigen Schmarotzern möglichſt rein zu halten, und er läßt ſich dieſe Huldigung mit dem Anſtande eines Paſchas gefallen, welchem eine Lieblingsſklavin die Füße kraut. Dafür ſorgt auch er treulich für die Sicherheit ſeiner Bande und iſt deshalb in beſtändiger Unruhe. Nach allen Seiten hin ſendet er ſeine Blicke, keinem Weſen traut er, und ſo entdeckt er auch faſt immer rechtzeitig eine etwaige Gefahr.“
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Dieſer Umſchlag der Einweiberei in Vielweiberei iſt aber wieder nur ein einzelnes ſtrammes Exempel der gegenſeitigen Durchkreuzung von Ehe und außerehelichem Sozialleben. Es giebt noch mehr. Und zwar giebt es weitere Züge, in denen, wie hier, die Ehe leiſe Wandlungen, Verſchiebungen erfährt
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[197/0211]
denn der Leitaffe iſt Manns genug für ſämtliche Äffinnen ſeiner
Herde. Wird dieſe zu groß, dann ſondert ſich unter der
Führung eines inzwiſchen ſtark genug gewordenen Mitbruders
ein Teil vom Haupttrupp ab und beginnt nun für ſich den
Kampf und den Streit um die Oberherrſchaft in der Leitung
der Herde und in der Liebe. Kampf findet immer ſtatt, wo
mehrere nach gleichem Ziele ſtreben; bei den Affen vergeht
aber ſicher kein Tag ohne Streit und Zank. Man braucht
eine Herde nur kurze Zeit zu beobachten und wird gewiß bald
den Streit in ihrer Mitte und ſeine wahre Urſache kennen
lernen. Im übrigen übt der Leitaffe ſein Amt mit Würde
aus. Schon die Achtung, welche er genießt, verleiht ihm Sicher¬
heit und Selbſtändigkeit, welche ſeinen Untergebenen fehlt; auch
wird ihm von dieſen in jeder Weiſe geſchmeichelt. So ſieht
man, daß ſelbſt die Äffinnen ſich bemühen, ihm die höchſte
Gunſt, welche ein Affe gewähren oder nehmen kann, zu teil
werden zu laſſen. Sie beeifern ſich, ſein Haarkleid ſtets von
den läſtigen Schmarotzern möglichſt rein zu halten, und er
läßt ſich dieſe Huldigung mit dem Anſtande eines Paſchas
gefallen, welchem eine Lieblingsſklavin die Füße kraut. Dafür
ſorgt auch er treulich für die Sicherheit ſeiner Bande und iſt
deshalb in beſtändiger Unruhe. Nach allen Seiten hin ſendet
er ſeine Blicke, keinem Weſen traut er, und ſo entdeckt er auch
faſt immer rechtzeitig eine etwaige Gefahr.“
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Dieſer Umſchlag der Einweiberei in Vielweiberei iſt aber
wieder nur ein einzelnes ſtrammes Exempel der gegenſeitigen
Durchkreuzung von Ehe und außerehelichem Sozialleben. Es
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wie hier, die Ehe leiſe Wandlungen, Verſchiebungen erfährt
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/211>, abgerufen am 28.11.2024.
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