nächsten Jahr. Denn kaum sind ein paar Tage über der Niederkunft vergangen, so regt sich auch in den Weibern die Brunst, -- die Liebe beider Geschlechter begegnet sich und ihr Gipfel ist die Zeugung eines neuen Familiensprößlings.
Mit ihm im Leibe trennt sich nach Ablauf der vier Monate die Ehefrau vom Ehemann.
Beide treiben sich jetzt unabhängig voneinander, als hätte nie eine Ehe existiert, im freien Weltmeer herum, bis nach vielen Monaten im Manne die neue Brunst, im Weibe das Nahen der Geburt sich meldet -- und nun restituiert die Heim¬ kehr zum alten Fleck die Ehe alsbald, als wäre nichts passiert!
Die Jungenpflege selbst ist rührend und treu über alle Maßen. In der Liebe dagegen giebt es natürlich auch hier noch allerlei Möglichkeiten. Die Begattung vollzieht sich (im Gegensatz zum Jungensäugen) bei diesen ungeschlachten Walzen¬ leibern bequemer im Wasser und wird also gern auch dorthin verlegt. Das schafft aber wieder Gelegenheiten für erotische Diebe: dem herumlungernden jungen Volk glückt es, die eine oder andere Ehefrau, wenn sie schon einmal sich auch im Wasser herumtreibt, abzufassen und nebenher zu lieben. Und dies¬ mal hat sie, in Brunst wie sie jetzt ist, weniger, scheint es, dagegen, zumal wenn ihr echter Gebieter allmählich doch etwas sehr ins Patriarchenalter gerät.
Ganz an die Lachse erinnert dabei der Umstand, daß die Gesellschaft, Herren wie Damen, während dieses ganzen Bade¬ aufenthaltes am Wochen- und Flirtstrande keinerlei Nahrung zu sich nimmt. Die Ehe ist hier freiwillig, was sie bei uns vielfach unfreiwillig ist: die reine Hungerkur. Man merkt eben, wie das freie Ozeanleben füttert: als die vollkommenen, schwimmenden Speckschwarten kommen diese schweren Walzen ins Eheland, genugsam verproviantiert, um ihre ganze Arbeit vier Monate lang auf andere Ziele zu richten als den faulen Bauch.
Überschaust du aber das groteske Bild in seiner Gesamtheit, so führt es dich, wie ich meine, geradezu packend mitten in
nächſten Jahr. Denn kaum ſind ein paar Tage über der Niederkunft vergangen, ſo regt ſich auch in den Weibern die Brunſt, — die Liebe beider Geſchlechter begegnet ſich und ihr Gipfel iſt die Zeugung eines neuen Familienſprößlings.
Mit ihm im Leibe trennt ſich nach Ablauf der vier Monate die Ehefrau vom Ehemann.
Beide treiben ſich jetzt unabhängig voneinander, als hätte nie eine Ehe exiſtiert, im freien Weltmeer herum, bis nach vielen Monaten im Manne die neue Brunſt, im Weibe das Nahen der Geburt ſich meldet — und nun reſtituiert die Heim¬ kehr zum alten Fleck die Ehe alsbald, als wäre nichts paſſiert!
Die Jungenpflege ſelbſt iſt rührend und treu über alle Maßen. In der Liebe dagegen giebt es natürlich auch hier noch allerlei Möglichkeiten. Die Begattung vollzieht ſich (im Gegenſatz zum Jungenſäugen) bei dieſen ungeſchlachten Walzen¬ leibern bequemer im Waſſer und wird alſo gern auch dorthin verlegt. Das ſchafft aber wieder Gelegenheiten für erotiſche Diebe: dem herumlungernden jungen Volk glückt es, die eine oder andere Ehefrau, wenn ſie ſchon einmal ſich auch im Waſſer herumtreibt, abzufaſſen und nebenher zu lieben. Und dies¬ mal hat ſie, in Brunſt wie ſie jetzt iſt, weniger, ſcheint es, dagegen, zumal wenn ihr echter Gebieter allmählich doch etwas ſehr ins Patriarchenalter gerät.
Ganz an die Lachſe erinnert dabei der Umſtand, daß die Geſellſchaft, Herren wie Damen, während dieſes ganzen Bade¬ aufenthaltes am Wochen- und Flirtſtrande keinerlei Nahrung zu ſich nimmt. Die Ehe iſt hier freiwillig, was ſie bei uns vielfach unfreiwillig iſt: die reine Hungerkur. Man merkt eben, wie das freie Ozeanleben füttert: als die vollkommenen, ſchwimmenden Speckſchwarten kommen dieſe ſchweren Walzen ins Eheland, genugſam verproviantiert, um ihre ganze Arbeit vier Monate lang auf andere Ziele zu richten als den faulen Bauch.
Überſchauſt du aber das groteske Bild in ſeiner Geſamtheit, ſo führt es dich, wie ich meine, geradezu packend mitten in
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nächſten Jahr. Denn kaum ſind ein paar Tage über der
Niederkunft vergangen, ſo regt ſich auch in den Weibern die
Brunſt, — die Liebe beider Geſchlechter begegnet ſich und ihr
Gipfel iſt die Zeugung eines neuen Familienſprößlings.
Mit ihm im Leibe trennt ſich nach Ablauf der vier Monate
die Ehefrau vom Ehemann.
Beide treiben ſich jetzt unabhängig voneinander, als hätte
nie eine Ehe exiſtiert, im freien Weltmeer herum, bis nach
vielen Monaten im Manne die neue Brunſt, im Weibe das
Nahen der Geburt ſich meldet — und nun reſtituiert die Heim¬
kehr zum alten Fleck die Ehe alsbald, als wäre nichts paſſiert!
Die Jungenpflege ſelbſt iſt rührend und treu über alle
Maßen. In der Liebe dagegen giebt es natürlich auch hier
noch allerlei Möglichkeiten. Die Begattung vollzieht ſich (im
Gegenſatz zum Jungenſäugen) bei dieſen ungeſchlachten Walzen¬
leibern bequemer im Waſſer und wird alſo gern auch dorthin
verlegt. Das ſchafft aber wieder Gelegenheiten für erotiſche
Diebe: dem herumlungernden jungen Volk glückt es, die eine
oder andere Ehefrau, wenn ſie ſchon einmal ſich auch im Waſſer
herumtreibt, abzufaſſen und nebenher zu lieben. Und dies¬
mal hat ſie, in Brunſt wie ſie jetzt iſt, weniger, ſcheint es,
dagegen, zumal wenn ihr echter Gebieter allmählich doch etwas
ſehr ins Patriarchenalter gerät.
Ganz an die Lachſe erinnert dabei der Umſtand, daß die
Geſellſchaft, Herren wie Damen, während dieſes ganzen Bade¬
aufenthaltes am Wochen- und Flirtſtrande keinerlei Nahrung
zu ſich nimmt. Die Ehe iſt hier freiwillig, was ſie bei uns
vielfach unfreiwillig iſt: die reine Hungerkur. Man merkt
eben, wie das freie Ozeanleben füttert: als die vollkommenen,
ſchwimmenden Speckſchwarten kommen dieſe ſchweren Walzen ins
Eheland, genugſam verproviantiert, um ihre ganze Arbeit vier
Monate lang auf andere Ziele zu richten als den faulen Bauch.
Überſchauſt du aber das groteske Bild in ſeiner Geſamtheit,
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/192>, abgerufen am 05.07.2024.
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