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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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lichen Weise wie der Aufzug der Lachse im grünen Rhein.
Jene Vorposten, ein paar alte ehrwürdige Brummer, inspizieren
zunächst genau das Terrain, ob auch noch alles in Ordnung
sei. Erledigt sich die Prüfung zur Zufriedenheit, so holen sie
den Schwarm. Wieder ist es erst ein Regiment Männer, das
naht. Ältere und jüngere Männchen. Die älteren haben schon
mehr als einfaches Geburtsrecht hier, das merkt man. Sie
suchen sich jeder ein bestimmtes Strandrevier, zu dem kein
anderer heran darf. Recht groß wird es gewählt, an die
fünfundzwanzig Quadratmeter pro Kopf. Nur wo eine Lücke
zufällig bleibt, ein alter Platz seinen Gebieter vom Jahre
vorher nicht mehr findet, da der irgendwo inzwischen das Zeit¬
liche gesegnet hat, oder wo der Strand gar so ausgedehnt ist,
kann auch einer der jüngeren Herrn gleich zu einem Land¬
quartier kommen. In den meisten Fällen aber bleiben die
lungernd, vagabundierend und auf allerlei Zufälle passend im
Wasser. Die Alten inzwischen ranzen sich so lange an, brüllen
und fauchen und bollwerkern herum, bis jeder glücklich seine
Quadratmeter Platz für sich hat. Was er damit will, wird
binnen kurzem klar.

Denn um die Mitte des Juni beginnt der zweite Akt.
Hurrah, die Weiber kommen. Truppweise erscheinen sie, alle
höchst rundlich anzuschauen vermöge ihrer hoffnungsvollen Bürde,
aber äußerst munter. Sie umschwimmen das Ufer, wehren
die jungen Leute entrüstet ab, die sich in Sicht des Strandes
mit verliebten Augen herumtreiben (denn noch denken sie an
alles eher als an sinnliche Liebe) und scheinen nur ein Ver¬
langen zu haben: nämlich den Altenherrenstrand einmal prüfend
zu überschauen. Wenn irgend möglich, erklettern sie einzelne
vorspringende Klippen, äugeln überall herum, stoßen besondere
Lockrufe aus und lauschen, ob aus dem Revier der älteren
Männer jemand antworte.

Dieses Benehmen ist unzweideutig. Die Weibchen suchen
"ihren Mann"
. Sie wünschen, einen ganz bestimmten Mann

lichen Weiſe wie der Aufzug der Lachſe im grünen Rhein.
Jene Vorpoſten, ein paar alte ehrwürdige Brummer, inſpizieren
zunächſt genau das Terrain, ob auch noch alles in Ordnung
ſei. Erledigt ſich die Prüfung zur Zufriedenheit, ſo holen ſie
den Schwarm. Wieder iſt es erſt ein Regiment Männer, das
naht. Ältere und jüngere Männchen. Die älteren haben ſchon
mehr als einfaches Geburtsrecht hier, das merkt man. Sie
ſuchen ſich jeder ein beſtimmtes Strandrevier, zu dem kein
anderer heran darf. Recht groß wird es gewählt, an die
fünfundzwanzig Quadratmeter pro Kopf. Nur wo eine Lücke
zufällig bleibt, ein alter Platz ſeinen Gebieter vom Jahre
vorher nicht mehr findet, da der irgendwo inzwiſchen das Zeit¬
liche geſegnet hat, oder wo der Strand gar ſo ausgedehnt iſt,
kann auch einer der jüngeren Herrn gleich zu einem Land¬
quartier kommen. In den meiſten Fällen aber bleiben die
lungernd, vagabundierend und auf allerlei Zufälle paſſend im
Waſſer. Die Alten inzwiſchen ranzen ſich ſo lange an, brüllen
und fauchen und bollwerkern herum, bis jeder glücklich ſeine
Quadratmeter Platz für ſich hat. Was er damit will, wird
binnen kurzem klar.

Denn um die Mitte des Juni beginnt der zweite Akt.
Hurrah, die Weiber kommen. Truppweiſe erſcheinen ſie, alle
höchſt rundlich anzuſchauen vermöge ihrer hoffnungsvollen Bürde,
aber äußerſt munter. Sie umſchwimmen das Ufer, wehren
die jungen Leute entrüſtet ab, die ſich in Sicht des Strandes
mit verliebten Augen herumtreiben (denn noch denken ſie an
alles eher als an ſinnliche Liebe) und ſcheinen nur ein Ver¬
langen zu haben: nämlich den Altenherrenſtrand einmal prüfend
zu überſchauen. Wenn irgend möglich, erklettern ſie einzelne
vorſpringende Klippen, äugeln überall herum, ſtoßen beſondere
Lockrufe aus und lauſchen, ob aus dem Revier der älteren
Männer jemand antworte.

Dieſes Benehmen iſt unzweideutig. Die Weibchen ſuchen
„ihren Mann“
. Sie wünſchen, einen ganz beſtimmten Mann

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[176/0190] lichen Weiſe wie der Aufzug der Lachſe im grünen Rhein. Jene Vorpoſten, ein paar alte ehrwürdige Brummer, inſpizieren zunächſt genau das Terrain, ob auch noch alles in Ordnung ſei. Erledigt ſich die Prüfung zur Zufriedenheit, ſo holen ſie den Schwarm. Wieder iſt es erſt ein Regiment Männer, das naht. Ältere und jüngere Männchen. Die älteren haben ſchon mehr als einfaches Geburtsrecht hier, das merkt man. Sie ſuchen ſich jeder ein beſtimmtes Strandrevier, zu dem kein anderer heran darf. Recht groß wird es gewählt, an die fünfundzwanzig Quadratmeter pro Kopf. Nur wo eine Lücke zufällig bleibt, ein alter Platz ſeinen Gebieter vom Jahre vorher nicht mehr findet, da der irgendwo inzwiſchen das Zeit¬ liche geſegnet hat, oder wo der Strand gar ſo ausgedehnt iſt, kann auch einer der jüngeren Herrn gleich zu einem Land¬ quartier kommen. In den meiſten Fällen aber bleiben die lungernd, vagabundierend und auf allerlei Zufälle paſſend im Waſſer. Die Alten inzwiſchen ranzen ſich ſo lange an, brüllen und fauchen und bollwerkern herum, bis jeder glücklich ſeine Quadratmeter Platz für ſich hat. Was er damit will, wird binnen kurzem klar. Denn um die Mitte des Juni beginnt der zweite Akt. Hurrah, die Weiber kommen. Truppweiſe erſcheinen ſie, alle höchſt rundlich anzuſchauen vermöge ihrer hoffnungsvollen Bürde, aber äußerſt munter. Sie umſchwimmen das Ufer, wehren die jungen Leute entrüſtet ab, die ſich in Sicht des Strandes mit verliebten Augen herumtreiben (denn noch denken ſie an alles eher als an ſinnliche Liebe) und ſcheinen nur ein Ver¬ langen zu haben: nämlich den Altenherrenſtrand einmal prüfend zu überſchauen. Wenn irgend möglich, erklettern ſie einzelne vorſpringende Klippen, äugeln überall herum, ſtoßen beſondere Lockrufe aus und lauſchen, ob aus dem Revier der älteren Männer jemand antworte. Dieſes Benehmen iſt unzweideutig. Die Weibchen ſuchen „ihren Mann“. Sie wünſchen, einen ganz beſtimmten Mann

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/190>, abgerufen am 17.05.2024.