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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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braucht, -- dagegen endgültig wieder absieht von diesem
verunglückten Gottesurteil eines Blutströpfleins.

Bei den afrikanischen Negern freilich, wo man der Natur
schon bei der Beschneidung mit Schwert und Messer nach¬
zuhelfen unternahm, hat man auch in diesem Punkte das radikal
Unheimlichste nicht gescheut, um ganz sicher zu gehen.

Man hat die sogenannte Infibulation der Mädchen erfunden.

Als Kind schon oder wenigstens wenn die Geschlechtsreife
naht, wird das Mädchen einer furchtbaren Operation unter¬
worfen: die Geschlechtspforte wird ihm künstlich zugenäht bis
auf die allernötigste winzige Öffnung. Es geht eine Beschneidung
vorher, die freie Wundränder schafft. Diese Wundränder
werden dann entweder durch längeres Einschnüren in festem
Verband so aufeinander verheilt, daß eine natürliche Narbe
sie fortan verknüpft und die Spalte schließt, oder es wird
mit gröbsten chirurgischen Mitteln und unter barbarischster
Quälerei geradezu eine regelrechte Naht angelegt. Steht nach
Jahren endlich die wirkliche Hochzeit bevor, so muß unter
ähnlichen Qualen dieser Riegel künstlich erst wieder geöffnet
werden. Das männliche Organ selber ist dieser Arbeit natürlich
nicht gewachsen. Wieder muß der wirklichen Hochzeit ein
Martyrium voraufgehen. Alte Frauen des Stammes fertigen
einen Pflock aus Holz oder Thon, das Abbild eines Mannes¬
gliedes, aber genau in den angegebenen individuellen Maßen
des Bräutigams. Mit ihm wird so viel geöffnet, daß gerade
dieser Erwählte den Hochzeitsakt durch die Lücke vollziehen
kann. Erst wenn dann die Niederkunft naht, wird die ganze
Pforte in voller Breite künstlich gesprengt. Sogleich aber
nach dem Geburtsakt pflegt eine neue Vernähung stattzufinden,
die den Zustand der Jungfrau für die Dauer des Kindesstillens
wiederherstellt. Ihr folgt, sobald der Ehemann neu in seine
Rechte tritt, eine neue Öffnung durch Operation. Und so
kann sich das durch die Jahre fortsetzen, falls der Mann streng
darauf besteht.

braucht, — dagegen endgültig wieder abſieht von dieſem
verunglückten Gottesurteil eines Blutströpfleins.

Bei den afrikaniſchen Negern freilich, wo man der Natur
ſchon bei der Beſchneidung mit Schwert und Meſſer nach¬
zuhelfen unternahm, hat man auch in dieſem Punkte das radikal
Unheimlichſte nicht geſcheut, um ganz ſicher zu gehen.

Man hat die ſogenannte Infibulation der Mädchen erfunden.

Als Kind ſchon oder wenigſtens wenn die Geſchlechtsreife
naht, wird das Mädchen einer furchtbaren Operation unter¬
worfen: die Geſchlechtspforte wird ihm künſtlich zugenäht bis
auf die allernötigſte winzige Öffnung. Es geht eine Beſchneidung
vorher, die freie Wundränder ſchafft. Dieſe Wundränder
werden dann entweder durch längeres Einſchnüren in feſtem
Verband ſo aufeinander verheilt, daß eine natürliche Narbe
ſie fortan verknüpft und die Spalte ſchließt, oder es wird
mit gröbſten chirurgiſchen Mitteln und unter barbariſchſter
Quälerei geradezu eine regelrechte Naht angelegt. Steht nach
Jahren endlich die wirkliche Hochzeit bevor, ſo muß unter
ähnlichen Qualen dieſer Riegel künſtlich erſt wieder geöffnet
werden. Das männliche Organ ſelber iſt dieſer Arbeit natürlich
nicht gewachſen. Wieder muß der wirklichen Hochzeit ein
Martyrium voraufgehen. Alte Frauen des Stammes fertigen
einen Pflock aus Holz oder Thon, das Abbild eines Mannes¬
gliedes, aber genau in den angegebenen individuellen Maßen
des Bräutigams. Mit ihm wird ſo viel geöffnet, daß gerade
dieſer Erwählte den Hochzeitsakt durch die Lücke vollziehen
kann. Erſt wenn dann die Niederkunft naht, wird die ganze
Pforte in voller Breite künſtlich geſprengt. Sogleich aber
nach dem Geburtsakt pflegt eine neue Vernähung ſtattzufinden,
die den Zuſtand der Jungfrau für die Dauer des Kindesſtillens
wiederherſtellt. Ihr folgt, ſobald der Ehemann neu in ſeine
Rechte tritt, eine neue Öffnung durch Operation. Und ſo
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[151/0165] braucht, — dagegen endgültig wieder abſieht von dieſem verunglückten Gottesurteil eines Blutströpfleins. Bei den afrikaniſchen Negern freilich, wo man der Natur ſchon bei der Beſchneidung mit Schwert und Meſſer nach¬ zuhelfen unternahm, hat man auch in dieſem Punkte das radikal Unheimlichſte nicht geſcheut, um ganz ſicher zu gehen. Man hat die ſogenannte Infibulation der Mädchen erfunden. Als Kind ſchon oder wenigſtens wenn die Geſchlechtsreife naht, wird das Mädchen einer furchtbaren Operation unter¬ worfen: die Geſchlechtspforte wird ihm künſtlich zugenäht bis auf die allernötigſte winzige Öffnung. Es geht eine Beſchneidung vorher, die freie Wundränder ſchafft. Dieſe Wundränder werden dann entweder durch längeres Einſchnüren in feſtem Verband ſo aufeinander verheilt, daß eine natürliche Narbe ſie fortan verknüpft und die Spalte ſchließt, oder es wird mit gröbſten chirurgiſchen Mitteln und unter barbariſchſter Quälerei geradezu eine regelrechte Naht angelegt. Steht nach Jahren endlich die wirkliche Hochzeit bevor, ſo muß unter ähnlichen Qualen dieſer Riegel künſtlich erſt wieder geöffnet werden. Das männliche Organ ſelber iſt dieſer Arbeit natürlich nicht gewachſen. Wieder muß der wirklichen Hochzeit ein Martyrium voraufgehen. Alte Frauen des Stammes fertigen einen Pflock aus Holz oder Thon, das Abbild eines Mannes¬ gliedes, aber genau in den angegebenen individuellen Maßen des Bräutigams. Mit ihm wird ſo viel geöffnet, daß gerade dieſer Erwählte den Hochzeitsakt durch die Lücke vollziehen kann. Erſt wenn dann die Niederkunft naht, wird die ganze Pforte in voller Breite künſtlich geſprengt. Sogleich aber nach dem Geburtsakt pflegt eine neue Vernähung ſtattzufinden, die den Zuſtand der Jungfrau für die Dauer des Kindesſtillens wiederherſtellt. Ihr folgt, ſobald der Ehemann neu in ſeine Rechte tritt, eine neue Öffnung durch Operation. Und ſo kann ſich das durch die Jahre fortſetzen, falls der Mann ſtreng darauf beſteht.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/165>, abgerufen am 19.05.2024.