Thüren geschnitzt, geritzt und gemalt, genau so wie er es macht, zu seiner wahrscheinlich großen Befriedigung in zahllosen Exemplaren seinen Pakufisch, die Raute mit dem zentralen Punkt, wiederfinden. Wehe dem, der sich einmal daran ge¬ wöhnt hat, dieses indianische Pakumuster bei uns überall, wo es angebracht wird, auch zu sehen. Wollte er ihm entfliehen, so dürfte er keinen Bahnhof, keine Allee, keinen Aussichtspunkt, kurz keinen Ort, wo Menschen passieren, mehr betreten, denn es hat den Anschein, als ob eine unbekannte geheimnißvolle Gesellschaft sich verschworen hätte, ihn damit zu verfolgen; er trifft es in der Rinde uralter Waldriesen, er trifft es im frischgefallenen Schnee."
So naiv dieser Wilde sein "Uluri" als Kunstornament verwertet, so wenig macht es ihm Bedenken, diese Geschlechts¬ signale selber künstlerisch zu verzieren. Wenn jener junge Bet¬ schuane in Afrika seine lederne Gliedkappe mit bunten Perlen stickt, so befestigt unser brasilianischer Bororo-Indianer bei fest¬ lichen Gelegenheiten an seinem Baststulp eine lange rot und gelb gemusterte Fahne, -- recht ein Beweis, daß es sich hier noch um alles eher als eine echte Ablenkung für den Blick von dieser Leibesgegend handelt: man soll ruhig hierher sehen, soll aber an dem am rechten Fleck befindlichen Signal merken, was an der Zeit ist und was nicht. Schmuck muß bei diesen geborenen Kunstkindern einfach überall hin, wo nur eine Anhängestelle ist.
Der hygienische Zweck der Röllchen und Uluris bei diesen Frauen liegt auf der Hand: sie dienen in der Menstruationszeit als Verband, Pelotte, Blutstauer, als wahrste hygienische Binden, wie sie die Kultur tief unter all ihren Kleidern ein¬ fach heute noch bakairihaft benutzt.
Ich will dabei erwähnen, daß Karl von den Steinen einen geistvollen Beweis versucht hat, es ginge der Ursprung der gesamten Schambedeckungen zurück auf solche hygienischen Zwecke nackt gehender Völker. Nicht bloß jene Vorhautdehnung
Thüren geſchnitzt, geritzt und gemalt, genau ſo wie er es macht, zu ſeiner wahrſcheinlich großen Befriedigung in zahlloſen Exemplaren ſeinen Pakufiſch, die Raute mit dem zentralen Punkt, wiederfinden. Wehe dem, der ſich einmal daran ge¬ wöhnt hat, dieſes indianiſche Pakumuſter bei uns überall, wo es angebracht wird, auch zu ſehen. Wollte er ihm entfliehen, ſo dürfte er keinen Bahnhof, keine Allee, keinen Ausſichtspunkt, kurz keinen Ort, wo Menſchen paſſieren, mehr betreten, denn es hat den Anſchein, als ob eine unbekannte geheimnißvolle Geſellſchaft ſich verſchworen hätte, ihn damit zu verfolgen; er trifft es in der Rinde uralter Waldrieſen, er trifft es im friſchgefallenen Schnee.“
So naiv dieſer Wilde ſein „Uluri“ als Kunſtornament verwertet, ſo wenig macht es ihm Bedenken, dieſe Geſchlechts¬ ſignale ſelber künſtleriſch zu verzieren. Wenn jener junge Bet¬ ſchuane in Afrika ſeine lederne Gliedkappe mit bunten Perlen ſtickt, ſo befeſtigt unſer braſilianiſcher Bororó-Indianer bei feſt¬ lichen Gelegenheiten an ſeinem Baſtſtulp eine lange rot und gelb gemuſterte Fahne, — recht ein Beweis, daß es ſich hier noch um alles eher als eine echte Ablenkung für den Blick von dieſer Leibesgegend handelt: man ſoll ruhig hierher ſehen, ſoll aber an dem am rechten Fleck befindlichen Signal merken, was an der Zeit iſt und was nicht. Schmuck muß bei dieſen geborenen Kunſtkindern einfach überall hin, wo nur eine Anhängeſtelle iſt.
Der hygieniſche Zweck der Röllchen und Uluris bei dieſen Frauen liegt auf der Hand: ſie dienen in der Menſtruationszeit als Verband, Pelotte, Blutſtauer, als wahrſte hygieniſche Binden, wie ſie die Kultur tief unter all ihren Kleidern ein¬ fach heute noch bakaïríhaft benutzt.
Ich will dabei erwähnen, daß Karl von den Steinen einen geiſtvollen Beweis verſucht hat, es ginge der Urſprung der geſamten Schambedeckungen zurück auf ſolche hygieniſchen Zwecke nackt gehender Völker. Nicht bloß jene Vorhautdehnung
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Thüren geſchnitzt, geritzt und gemalt, genau ſo wie er es
macht, zu ſeiner wahrſcheinlich großen Befriedigung in zahlloſen
Exemplaren ſeinen Pakufiſch, die Raute mit dem zentralen
Punkt, wiederfinden. Wehe dem, der ſich einmal daran ge¬
wöhnt hat, dieſes indianiſche Pakumuſter bei uns überall, wo
es angebracht wird, auch zu ſehen. Wollte er ihm entfliehen,
ſo dürfte er keinen Bahnhof, keine Allee, keinen Ausſichtspunkt,
kurz keinen Ort, wo Menſchen paſſieren, mehr betreten, denn
es hat den Anſchein, als ob eine unbekannte geheimnißvolle
Geſellſchaft ſich verſchworen hätte, ihn damit zu verfolgen; er
trifft es in der Rinde uralter Waldrieſen, er trifft es im
friſchgefallenen Schnee.“
So naiv dieſer Wilde ſein „Uluri“ als Kunſtornament
verwertet, ſo wenig macht es ihm Bedenken, dieſe Geſchlechts¬
ſignale ſelber künſtleriſch zu verzieren. Wenn jener junge Bet¬
ſchuane in Afrika ſeine lederne Gliedkappe mit bunten Perlen
ſtickt, ſo befeſtigt unſer braſilianiſcher Bororó-Indianer bei feſt¬
lichen Gelegenheiten an ſeinem Baſtſtulp eine lange rot und
gelb gemuſterte Fahne, — recht ein Beweis, daß es ſich hier
noch um alles eher als eine echte Ablenkung für den Blick
von dieſer Leibesgegend handelt: man ſoll ruhig hierher
ſehen, ſoll aber an dem am rechten Fleck befindlichen Signal
merken, was an der Zeit iſt und was nicht. Schmuck muß bei
dieſen geborenen Kunſtkindern einfach überall hin, wo nur eine
Anhängeſtelle iſt.
Der hygieniſche Zweck der Röllchen und Uluris bei dieſen
Frauen liegt auf der Hand: ſie dienen in der Menſtruationszeit
als Verband, Pelotte, Blutſtauer, als wahrſte hygieniſche
Binden, wie ſie die Kultur tief unter all ihren Kleidern ein¬
fach heute noch bakaïríhaft benutzt.
Ich will dabei erwähnen, daß Karl von den Steinen
einen geiſtvollen Beweis verſucht hat, es ginge der Urſprung
der geſamten Schambedeckungen zurück auf ſolche hygieniſchen
Zwecke nackt gehender Völker. Nicht bloß jene Vorhautdehnung
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/139>, abgerufen am 22.11.2024.
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