Dakotah-, Sioux- und Chippeway-Indianerin geht, wenn ihre Wehen kommen, sogar absichtlich in den einsamen Wald und braucht absolut keine Hülfe. Gras und Heu, das sie sich gesammelt, sind ihr Linnen. Wenn alles vorüber ist, schleppt sie sich ans Wasser, wäscht sich und ihr Kind reinlich ab und -- kehrt zu ihrer Arbeit, der harten Arbeit der Indianerfrau, zurück. Und so und nicht anders ist es bei einer Menge von Naturvölkern. Genau wie das Tier, das einen möglichst einsamen geschützten Fleck sucht, seine Jungen abzuthun, so das ursprüngliche wilde Menschenweib. Harmlos, wie eine winzige Episode ihres Daseins, die kaum der Rede wert, verläuft ihrem gesunden Körper das, was in den weichen Linien der Kultur zu einem Kampf auf Leben und Tod geworden ist.
Bei den wilden Bergvölkern der Philippineninsel Luzon nimmt die Mutter schon ein paar Stunden nach der Geburt ihr Kind auf den Rücken und maschiert in Tropenglut oder Tropenregen ruhig weiter. Ein Weib von den Molukken kam allein im Nachen nieder: sie gebar und ruderte sich dann friedlich ihrem Ziele zu. Vereinzelt, wo es nötig wird, kommen solche resolute Selbsthülfen übrigens auch noch in ziemlich hoher Kultur vor. Von der südslavischen Bäuerin wird er¬ zählt, daß es ihr passieren kann, mitten im menschenleeren Bergwald beim Holzsuchen Wehen zu bekommen. Dann kommt sie auch wohl ruhig nach kurzer Frist auf ihren kräftigen Bauernbeinen heim, das nackte Kindlein im Schurz; und die Last Holz, um die sie ausging, darf nicht zurückbleiben: sie schleppt sie treu auch noch auf dem Rücken an. Mir schwebt aus modernem Großstadtleben das Bild einer armen Wasch¬ frau vor, die in dieser Hinsicht noch über die Heldin Chamissos ging: sie arbeitete noch am Tage ihrer Niederkunft wieder an ihrem Waschzober weiter, um die paar Groschen Lohn nicht zu verlieren.
Was unserm Kulturdenken am wenigsten dabei in den Sinn will, ist das Abbinden des Kindes durch die eigene
Dakotah-, Sioux- und Chippeway-Indianerin geht, wenn ihre Wehen kommen, ſogar abſichtlich in den einſamen Wald und braucht abſolut keine Hülfe. Gras und Heu, das ſie ſich geſammelt, ſind ihr Linnen. Wenn alles vorüber iſt, ſchleppt ſie ſich ans Waſſer, wäſcht ſich und ihr Kind reinlich ab und — kehrt zu ihrer Arbeit, der harten Arbeit der Indianerfrau, zurück. Und ſo und nicht anders iſt es bei einer Menge von Naturvölkern. Genau wie das Tier, das einen möglichſt einſamen geſchützten Fleck ſucht, ſeine Jungen abzuthun, ſo das urſprüngliche wilde Menſchenweib. Harmlos, wie eine winzige Epiſode ihres Daſeins, die kaum der Rede wert, verläuft ihrem geſunden Körper das, was in den weichen Linien der Kultur zu einem Kampf auf Leben und Tod geworden iſt.
Bei den wilden Bergvölkern der Philippineninſel Luzon nimmt die Mutter ſchon ein paar Stunden nach der Geburt ihr Kind auf den Rücken und maſchiert in Tropenglut oder Tropenregen ruhig weiter. Ein Weib von den Molukken kam allein im Nachen nieder: ſie gebar und ruderte ſich dann friedlich ihrem Ziele zu. Vereinzelt, wo es nötig wird, kommen ſolche reſolute Selbſthülfen übrigens auch noch in ziemlich hoher Kultur vor. Von der ſüdſlaviſchen Bäuerin wird er¬ zählt, daß es ihr paſſieren kann, mitten im menſchenleeren Bergwald beim Holzſuchen Wehen zu bekommen. Dann kommt ſie auch wohl ruhig nach kurzer Friſt auf ihren kräftigen Bauernbeinen heim, das nackte Kindlein im Schurz; und die Laſt Holz, um die ſie ausging, darf nicht zurückbleiben: ſie ſchleppt ſie treu auch noch auf dem Rücken an. Mir ſchwebt aus modernem Großſtadtleben das Bild einer armen Waſch¬ frau vor, die in dieſer Hinſicht noch über die Heldin Chamiſſos ging: ſie arbeitete noch am Tage ihrer Niederkunft wieder an ihrem Waſchzober weiter, um die paar Groſchen Lohn nicht zu verlieren.
Was unſerm Kulturdenken am wenigſten dabei in den Sinn will, iſt das Abbinden des Kindes durch die eigene
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Dakotah-, Sioux- und Chippeway-Indianerin geht, wenn ihre
Wehen kommen, ſogar abſichtlich in den einſamen Wald und
braucht abſolut keine Hülfe. Gras und Heu, das ſie ſich
geſammelt, ſind ihr Linnen. Wenn alles vorüber iſt, ſchleppt
ſie ſich ans Waſſer, wäſcht ſich und ihr Kind reinlich ab und
— kehrt zu ihrer Arbeit, der harten Arbeit der Indianerfrau,
zurück. Und ſo und nicht anders iſt es bei einer Menge von
Naturvölkern. Genau wie das Tier, das einen möglichſt
einſamen geſchützten Fleck ſucht, ſeine Jungen abzuthun, ſo das
urſprüngliche wilde Menſchenweib. Harmlos, wie eine winzige
Epiſode ihres Daſeins, die kaum der Rede wert, verläuft ihrem
geſunden Körper das, was in den weichen Linien der Kultur
zu einem Kampf auf Leben und Tod geworden iſt.
Bei den wilden Bergvölkern der Philippineninſel Luzon
nimmt die Mutter ſchon ein paar Stunden nach der Geburt
ihr Kind auf den Rücken und maſchiert in Tropenglut oder
Tropenregen ruhig weiter. Ein Weib von den Molukken kam
allein im Nachen nieder: ſie gebar und ruderte ſich dann
friedlich ihrem Ziele zu. Vereinzelt, wo es nötig wird, kommen
ſolche reſolute Selbſthülfen übrigens auch noch in ziemlich
hoher Kultur vor. Von der ſüdſlaviſchen Bäuerin wird er¬
zählt, daß es ihr paſſieren kann, mitten im menſchenleeren
Bergwald beim Holzſuchen Wehen zu bekommen. Dann kommt
ſie auch wohl ruhig nach kurzer Friſt auf ihren kräftigen
Bauernbeinen heim, das nackte Kindlein im Schurz; und die
Laſt Holz, um die ſie ausging, darf nicht zurückbleiben: ſie
ſchleppt ſie treu auch noch auf dem Rücken an. Mir ſchwebt
aus modernem Großſtadtleben das Bild einer armen Waſch¬
frau vor, die in dieſer Hinſicht noch über die Heldin Chamiſſos
ging: ſie arbeitete noch am Tage ihrer Niederkunft wieder an
ihrem Waſchzober weiter, um die paar Groſchen Lohn nicht
zu verlieren.
Was unſerm Kulturdenken am wenigſten dabei in den
Sinn will, iſt das Abbinden des Kindes durch die eigene
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/109>, abgerufen am 22.11.2024.
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