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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Du bemerkst: der Mensch, wenn wir ihn uns physisch
im Angesicht dieser Stufe vorstellen, hatte auch erotisch bis
dahin vor dem Tier schlechterdings noch nichts voraus. Die
Methode seiner Liebes-Unsterblichkeit war die uralte: Lösung
von Geschlechtszellen bei Mann und Weib aus dem großen
elterlichen Zellenverband, -- und Vermischung zweier solcher
Zellen. Nach Art der höheren Wirbeltiere lag die Mischstätte
im geschützten Innern des weiblichen Mutterkörpers. Diese
innerliche Mischliebe aber wieder erforderte den äußeren Akt,
wie wir ihn in seinem Werden vom Molch und Krokodil an
bis zum höheren Säugetier verfolgt haben. Im Allgemeinen
bestimmend mußte dabei die aufgerichtete Stellung des mensch¬
lichen Körpers werden im Gegensatz zum vierfüßig aufgesetzten
Säugetier. Auch diesen aufrechten Gang hat aber die Natur
schon viel früher erfunden als erst beim Menschen. Schon der
Vogel balanciert seinen Leib auf zwei Beinen. Allerdings
stehen bei der Mehrzahl dieser Vögel Leib und Beinpaar noch
nicht menschenhaft senkrecht aufeinander, sondern eigentlich doch
noch mehr oder minder rechtwinkelig, -- denke an ein Huhn,
eine Taube. Bei gewissen Tauchvögeln findest du indessen die
Beine thatsächlich schon so weit nach hinten gestellt, daß der
Leib gar nicht anders kann, als säulenhaft senkrecht darauf
lasten. So ist's beim Haubensteißfuß unserer märkischen Schilf¬


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Du bemerkſt: der Menſch, wenn wir ihn uns phyſiſch
im Angeſicht dieſer Stufe vorſtellen, hatte auch erotiſch bis
dahin vor dem Tier ſchlechterdings noch nichts voraus. Die
Methode ſeiner Liebes-Unſterblichkeit war die uralte: Löſung
von Geſchlechtszellen bei Mann und Weib aus dem großen
elterlichen Zellenverband, — und Vermiſchung zweier ſolcher
Zellen. Nach Art der höheren Wirbeltiere lag die Miſchſtätte
im geſchützten Innern des weiblichen Mutterkörpers. Dieſe
innerliche Miſchliebe aber wieder erforderte den äußeren Akt,
wie wir ihn in ſeinem Werden vom Molch und Krokodil an
bis zum höheren Säugetier verfolgt haben. Im Allgemeinen
beſtimmend mußte dabei die aufgerichtete Stellung des menſch¬
lichen Körpers werden im Gegenſatz zum vierfüßig aufgeſetzten
Säugetier. Auch dieſen aufrechten Gang hat aber die Natur
ſchon viel früher erfunden als erſt beim Menſchen. Schon der
Vogel balanciert ſeinen Leib auf zwei Beinen. Allerdings
ſtehen bei der Mehrzahl dieſer Vögel Leib und Beinpaar noch
nicht menſchenhaft ſenkrecht aufeinander, ſondern eigentlich doch
noch mehr oder minder rechtwinkelig, — denke an ein Huhn,
eine Taube. Bei gewiſſen Tauchvögeln findeſt du indeſſen die
Beine thatſächlich ſchon ſo weit nach hinten geſtellt, daß der
Leib gar nicht anders kann, als ſäulenhaft ſenkrecht darauf
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[90/0104] [Abbildung] Du bemerkſt: der Menſch, wenn wir ihn uns phyſiſch im Angeſicht dieſer Stufe vorſtellen, hatte auch erotiſch bis dahin vor dem Tier ſchlechterdings noch nichts voraus. Die Methode ſeiner Liebes-Unſterblichkeit war die uralte: Löſung von Geſchlechtszellen bei Mann und Weib aus dem großen elterlichen Zellenverband, — und Vermiſchung zweier ſolcher Zellen. Nach Art der höheren Wirbeltiere lag die Miſchſtätte im geſchützten Innern des weiblichen Mutterkörpers. Dieſe innerliche Miſchliebe aber wieder erforderte den äußeren Akt, wie wir ihn in ſeinem Werden vom Molch und Krokodil an bis zum höheren Säugetier verfolgt haben. Im Allgemeinen beſtimmend mußte dabei die aufgerichtete Stellung des menſch¬ lichen Körpers werden im Gegenſatz zum vierfüßig aufgeſetzten Säugetier. Auch dieſen aufrechten Gang hat aber die Natur ſchon viel früher erfunden als erſt beim Menſchen. Schon der Vogel balanciert ſeinen Leib auf zwei Beinen. Allerdings ſtehen bei der Mehrzahl dieſer Vögel Leib und Beinpaar noch nicht menſchenhaft ſenkrecht aufeinander, ſondern eigentlich doch noch mehr oder minder rechtwinkelig, — denke an ein Huhn, eine Taube. Bei gewiſſen Tauchvögeln findeſt du indeſſen die Beine thatſächlich ſchon ſo weit nach hinten geſtellt, daß der Leib gar nicht anders kann, als ſäulenhaft ſenkrecht darauf laſten. So iſt's beim Haubenſteißfuß unſerer märkiſchen Schilf¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/104>, abgerufen am 24.11.2024.