Ätherzwischenleib zu dir kommen und von deinem Leibe auf¬ gefangen werden, erhältst du die Erscheinung des Lichtes. Du "siehst" den Sirius. Es kann aber eben nur geschehen, weil du genau so wie der Sirius ein Weltkörper innerhalb des großen Äthermeeres bist.
Es ist derselbe Weg, auf dem du Licht und Wärme von der Sonne bekommst, obwohl auch sie noch zwanzig Millionen Meilen von dir absteht. Dein Leib weiß sehr genau mit diesem Sonnenlicht Bescheid. Wie er hier so blütenweiß im Grünen liegt, erzeugt er diese seine Farbe durch eigene Leistung eben aus dem Sonnenlicht. Seine Haut wirft das Licht zurück und erscheint so "weiß". An einigen Stellen wählt sie aus ihm (das bekanntlich alle Farben in seinem Weiß als Gemisch enthält) auch wohl bloß eine einzelne Farbe aus und malt sie allein wieder: so giebt deine Lippe bloß Rot zurück. Dein schwarzes Haar umgekehrt schluckt fast das ganze Licht. Und die Glas¬ haut deines Auges, bei dem ein Zweck vorliegt, daß möglichst sämtliche Strahlen unbehindert nach dem Innern des Auges durchpassieren, reflektiert weder Licht noch schluckt sie welches, sondern sie läßt alles glatt durch und erscheint also absolut durchsichtig, -- "durchlichtig" könnte man noch besser sagen.
So weit die uns bekannte Welt reicht, bist du mit ihr durch diese Äther-Dinge verknüpft: bis zum fernsten Nebelfleck. Du wüßtest ja nichts von diesem Nebelfleck, wenn dein Leib seine Lichtwellen nicht zu parieren und in deinen Besitz zu bringen wüßte. Auf diesem gleichen Äther vollziehen sich aber noch mancherlei Sachen mehr, mit denen dein Leib unaus¬ gesetzt zu thun hat. Da kommen jene viel größeren Wellen, die wir im engeren Sinne elektrische nennen, und durchqueren deinen Körper bald so, bald so. Wer weiß, was in diesem Moment, da der wollüstig weiche, unbeschreibliche Zauber der Frühlingssonne und Frühlingsluft dich durchschauert, daß dein Sein bis in jede Faser bebt: wer weiß, was da geheimnisvoll alles an solchen und verwandten, ja noch von ganz unbekannten
Ätherzwiſchenleib zu dir kommen und von deinem Leibe auf¬ gefangen werden, erhältſt du die Erſcheinung des Lichtes. Du „ſiehſt“ den Sirius. Es kann aber eben nur geſchehen, weil du genau ſo wie der Sirius ein Weltkörper innerhalb des großen Äthermeeres biſt.
Es iſt derſelbe Weg, auf dem du Licht und Wärme von der Sonne bekommſt, obwohl auch ſie noch zwanzig Millionen Meilen von dir abſteht. Dein Leib weiß ſehr genau mit dieſem Sonnenlicht Beſcheid. Wie er hier ſo blütenweiß im Grünen liegt, erzeugt er dieſe ſeine Farbe durch eigene Leiſtung eben aus dem Sonnenlicht. Seine Haut wirft das Licht zurück und erſcheint ſo „weiß“. An einigen Stellen wählt ſie aus ihm (das bekanntlich alle Farben in ſeinem Weiß als Gemiſch enthält) auch wohl bloß eine einzelne Farbe aus und malt ſie allein wieder: ſo giebt deine Lippe bloß Rot zurück. Dein ſchwarzes Haar umgekehrt ſchluckt faſt das ganze Licht. Und die Glas¬ haut deines Auges, bei dem ein Zweck vorliegt, daß möglichſt ſämtliche Strahlen unbehindert nach dem Innern des Auges durchpaſſieren, reflektiert weder Licht noch ſchluckt ſie welches, ſondern ſie läßt alles glatt durch und erſcheint alſo abſolut durchſichtig, — „durchlichtig“ könnte man noch beſſer ſagen.
So weit die uns bekannte Welt reicht, biſt du mit ihr durch dieſe Äther-Dinge verknüpft: bis zum fernſten Nebelfleck. Du wüßteſt ja nichts von dieſem Nebelfleck, wenn dein Leib ſeine Lichtwellen nicht zu parieren und in deinen Beſitz zu bringen wüßte. Auf dieſem gleichen Äther vollziehen ſich aber noch mancherlei Sachen mehr, mit denen dein Leib unaus¬ geſetzt zu thun hat. Da kommen jene viel größeren Wellen, die wir im engeren Sinne elektriſche nennen, und durchqueren deinen Körper bald ſo, bald ſo. Wer weiß, was in dieſem Moment, da der wollüſtig weiche, unbeſchreibliche Zauber der Frühlingsſonne und Frühlingsluft dich durchſchauert, daß dein Sein bis in jede Faſer bebt: wer weiß, was da geheimnisvoll alles an ſolchen und verwandten, ja noch von ganz unbekannten
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Ätherzwiſchenleib zu dir kommen und von deinem Leibe auf¬
gefangen werden, erhältſt du die Erſcheinung des Lichtes. Du
„ſiehſt“ den Sirius. Es kann aber eben nur geſchehen, weil
du genau ſo wie der Sirius ein Weltkörper innerhalb des
großen Äthermeeres biſt.
Es iſt derſelbe Weg, auf dem du Licht und Wärme von
der Sonne bekommſt, obwohl auch ſie noch zwanzig Millionen
Meilen von dir abſteht. Dein Leib weiß ſehr genau mit dieſem
Sonnenlicht Beſcheid. Wie er hier ſo blütenweiß im Grünen
liegt, erzeugt er dieſe ſeine Farbe durch eigene Leiſtung eben
aus dem Sonnenlicht. Seine Haut wirft das Licht zurück und
erſcheint ſo „weiß“. An einigen Stellen wählt ſie aus ihm
(das bekanntlich alle Farben in ſeinem Weiß als Gemiſch enthält)
auch wohl bloß eine einzelne Farbe aus und malt ſie allein
wieder: ſo giebt deine Lippe bloß Rot zurück. Dein ſchwarzes
Haar umgekehrt ſchluckt faſt das ganze Licht. Und die Glas¬
haut deines Auges, bei dem ein Zweck vorliegt, daß möglichſt
ſämtliche Strahlen unbehindert nach dem Innern des Auges
durchpaſſieren, reflektiert weder Licht noch ſchluckt ſie welches,
ſondern ſie läßt alles glatt durch und erſcheint alſo abſolut
durchſichtig, — „durchlichtig“ könnte man noch beſſer ſagen.
So weit die uns bekannte Welt reicht, biſt du mit ihr
durch dieſe Äther-Dinge verknüpft: bis zum fernſten Nebelfleck.
Du wüßteſt ja nichts von dieſem Nebelfleck, wenn dein Leib
ſeine Lichtwellen nicht zu parieren und in deinen Beſitz zu
bringen wüßte. Auf dieſem gleichen Äther vollziehen ſich aber
noch mancherlei Sachen mehr, mit denen dein Leib unaus¬
geſetzt zu thun hat. Da kommen jene viel größeren Wellen,
die wir im engeren Sinne elektriſche nennen, und durchqueren
deinen Körper bald ſo, bald ſo. Wer weiß, was in dieſem
Moment, da der wollüſtig weiche, unbeſchreibliche Zauber der
Frühlingsſonne und Frühlingsluft dich durchſchauert, daß dein
Sein bis in jede Faſer bebt: wer weiß, was da geheimnisvoll
alles an ſolchen und verwandten, ja noch von ganz unbekannten
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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