scheinbar zufälligen Abänderns unter Zwölfen etwa einer auf, der ist am Bauche nicht blaßgelblich braun, sondern so blaß, daß schon mehr ein Weißgelb entsteht. Der Kontrast gegen das schöne Rot am Kopfe wäre auch für unseren menschlichen Maßstab immerhin etwas netter. Das wählende Weibchen entscheidet ebenso. Nach so und so viel Zeit haben alle Paradiesier derart weißgelbe Bäuche.
Schneeweiß wäre aber noch netter, und durch fortgesetzte Wahl der ästhetisch konsequenten Minnemägdulein sind die Bäuchlein endlich sämtlich seidenweiß.
Jetzt kommt aber ein neuer Fall: hier ist eine "Mißgeburt" von Mann, der hat zwischen dem korallenroten Kopfe und dem seidenweißen Bauche eine grüne Feder, durch -- sagen wir mal vorläufig -- irgend eine chemische Zufälligkeit bei der Bildung seiner Halsfedern. Dem Weibchen erscheint das aber gar nicht als "Mißgeburt". Grün zwischen rot und weiß, -- wie hübsch! Es ist ja Farbensinn da, und der muß das sehen. Eine Weile -- und alle Männchen haben zwischen dem roten Kopf und weißen Bauche gewohnheitsmäßig eine smaragdgrüne Binde.
Wozu noch mehr ausmalen?
Der männliche Königsparadiesvogel entsteht vor uns, ein Ergebnis des Farbensinnes seiner wählenden Weibchen, heraus¬ gezüchtet aus einem "Spatz". Freilich wohlverstanden, nur der männliche wird so schön. Das wählende Weibchen "wählt" sich nicht mit. Es bleibt stehen, bleibt selber dabei der alte graue Spatz. Aber vielleicht hat das sogar noch seinen Nutzen für sich. Das Weibchen ist, mag der Kampf ums Dasein im lieben Neu-Guinea noch so harmlos sein, doch als brütender Vogel auf dem Nest immer der gefährdetere Teil. Die alte Spatzenfarbe war eine Schutzfarbe. Besser es behält sie auf alle Fälle für sich. Dem Schönheitssinn ist ja doch Genüge gethan, denn es geht ihm wie Rafael vor seinem Bilde. Es braucht nicht selber sich in sein Kunstideal zu verwandeln
ſcheinbar zufälligen Abänderns unter Zwölfen etwa einer auf, der iſt am Bauche nicht blaßgelblich braun, ſondern ſo blaß, daß ſchon mehr ein Weißgelb entſteht. Der Kontraſt gegen das ſchöne Rot am Kopfe wäre auch für unſeren menſchlichen Maßſtab immerhin etwas netter. Das wählende Weibchen entſcheidet ebenſo. Nach ſo und ſo viel Zeit haben alle Paradieſier derart weißgelbe Bäuche.
Schneeweiß wäre aber noch netter, und durch fortgeſetzte Wahl der äſthetiſch konſequenten Minnemägdulein ſind die Bäuchlein endlich ſämtlich ſeidenweiß.
Jetzt kommt aber ein neuer Fall: hier iſt eine „Mißgeburt“ von Mann, der hat zwiſchen dem korallenroten Kopfe und dem ſeidenweißen Bauche eine grüne Feder, durch — ſagen wir mal vorläufig — irgend eine chemiſche Zufälligkeit bei der Bildung ſeiner Halsfedern. Dem Weibchen erſcheint das aber gar nicht als „Mißgeburt“. Grün zwiſchen rot und weiß, — wie hübſch! Es iſt ja Farbenſinn da, und der muß das ſehen. Eine Weile — und alle Männchen haben zwiſchen dem roten Kopf und weißen Bauche gewohnheitsmäßig eine ſmaragdgrüne Binde.
Wozu noch mehr ausmalen?
Der männliche Königsparadiesvogel entſteht vor uns, ein Ergebnis des Farbenſinnes ſeiner wählenden Weibchen, heraus¬ gezüchtet aus einem „Spatz“. Freilich wohlverſtanden, nur der männliche wird ſo ſchön. Das wählende Weibchen „wählt“ ſich nicht mit. Es bleibt ſtehen, bleibt ſelber dabei der alte graue Spatz. Aber vielleicht hat das ſogar noch ſeinen Nutzen für ſich. Das Weibchen iſt, mag der Kampf ums Daſein im lieben Neu-Guinea noch ſo harmlos ſein, doch als brütender Vogel auf dem Neſt immer der gefährdetere Teil. Die alte Spatzenfarbe war eine Schutzfarbe. Beſſer es behält ſie auf alle Fälle für ſich. Dem Schönheitsſinn iſt ja doch Genüge gethan, denn es geht ihm wie Rafael vor ſeinem Bilde. Es braucht nicht ſelber ſich in ſein Kunſtideal zu verwandeln
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0397"n="381"/>ſcheinbar zufälligen Abänderns unter Zwölfen etwa einer auf,<lb/>
der iſt am Bauche nicht blaßgelblich braun, ſondern ſo blaß,<lb/>
daß ſchon mehr ein Weißgelb entſteht. Der Kontraſt gegen<lb/>
das ſchöne Rot am Kopfe wäre auch für unſeren menſchlichen<lb/>
Maßſtab immerhin <hirendition="#g">etwas</hi> netter. Das wählende Weibchen<lb/>
entſcheidet ebenſo. Nach ſo und ſo viel Zeit haben alle<lb/>
Paradieſier derart weißgelbe Bäuche.</p><lb/><p>Schneeweiß wäre aber noch netter, und durch fortgeſetzte<lb/>
Wahl der äſthetiſch konſequenten Minnemägdulein ſind die<lb/>
Bäuchlein endlich ſämtlich ſeidenweiß.</p><lb/><p>Jetzt kommt aber ein neuer Fall: hier iſt eine „Mißgeburt“<lb/>
von Mann, der hat zwiſchen dem korallenroten Kopfe <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> dem<lb/>ſeidenweißen Bauche eine grüne Feder, durch —ſagen wir<lb/>
mal vorläufig — irgend eine chemiſche Zufälligkeit bei der<lb/>
Bildung ſeiner Halsfedern. Dem Weibchen erſcheint das aber<lb/>
gar nicht als „Mißgeburt“. Grün zwiſchen rot und weiß, —<lb/>
wie hübſch! Es iſt ja Farbenſinn da, und der <hirendition="#g">muß</hi> das ſehen.<lb/>
Eine Weile — und alle Männchen haben zwiſchen dem roten<lb/>
Kopf und weißen Bauche gewohnheitsmäßig eine ſmaragdgrüne<lb/>
Binde.</p><lb/><p>Wozu noch mehr ausmalen?</p><lb/><p>Der männliche Königsparadiesvogel entſteht vor uns, ein<lb/>
Ergebnis des Farbenſinnes ſeiner wählenden Weibchen, heraus¬<lb/>
gezüchtet aus einem „Spatz“. Freilich wohlverſtanden, nur<lb/>
der männliche wird ſo ſchön. Das wählende Weibchen „wählt“<lb/>ſich nicht mit. Es bleibt ſtehen, bleibt ſelber dabei der alte<lb/>
graue Spatz. Aber vielleicht hat das ſogar noch ſeinen Nutzen<lb/>
für ſich. Das Weibchen iſt, mag der Kampf ums Daſein im<lb/>
lieben Neu-Guinea noch ſo harmlos ſein, doch als brütender<lb/>
Vogel auf dem Neſt immer der gefährdetere Teil. Die alte<lb/>
Spatzenfarbe war eine <hirendition="#g">Schutz</hi>farbe. Beſſer es behält ſie auf<lb/>
alle Fälle für ſich. Dem Schönheitsſinn iſt ja doch Genüge<lb/>
gethan, denn es geht <hirendition="#g">ihm</hi> wie <hirendition="#g">Rafael vor ſeinem Bilde</hi>.<lb/>
Es braucht nicht ſelber ſich in ſein Kunſtideal zu verwandeln<lb/></p></div></body></text></TEI>
[381/0397]
ſcheinbar zufälligen Abänderns unter Zwölfen etwa einer auf,
der iſt am Bauche nicht blaßgelblich braun, ſondern ſo blaß,
daß ſchon mehr ein Weißgelb entſteht. Der Kontraſt gegen
das ſchöne Rot am Kopfe wäre auch für unſeren menſchlichen
Maßſtab immerhin etwas netter. Das wählende Weibchen
entſcheidet ebenſo. Nach ſo und ſo viel Zeit haben alle
Paradieſier derart weißgelbe Bäuche.
Schneeweiß wäre aber noch netter, und durch fortgeſetzte
Wahl der äſthetiſch konſequenten Minnemägdulein ſind die
Bäuchlein endlich ſämtlich ſeidenweiß.
Jetzt kommt aber ein neuer Fall: hier iſt eine „Mißgeburt“
von Mann, der hat zwiſchen dem korallenroten Kopfe und dem
ſeidenweißen Bauche eine grüne Feder, durch — ſagen wir
mal vorläufig — irgend eine chemiſche Zufälligkeit bei der
Bildung ſeiner Halsfedern. Dem Weibchen erſcheint das aber
gar nicht als „Mißgeburt“. Grün zwiſchen rot und weiß, —
wie hübſch! Es iſt ja Farbenſinn da, und der muß das ſehen.
Eine Weile — und alle Männchen haben zwiſchen dem roten
Kopf und weißen Bauche gewohnheitsmäßig eine ſmaragdgrüne
Binde.
Wozu noch mehr ausmalen?
Der männliche Königsparadiesvogel entſteht vor uns, ein
Ergebnis des Farbenſinnes ſeiner wählenden Weibchen, heraus¬
gezüchtet aus einem „Spatz“. Freilich wohlverſtanden, nur
der männliche wird ſo ſchön. Das wählende Weibchen „wählt“
ſich nicht mit. Es bleibt ſtehen, bleibt ſelber dabei der alte
graue Spatz. Aber vielleicht hat das ſogar noch ſeinen Nutzen
für ſich. Das Weibchen iſt, mag der Kampf ums Daſein im
lieben Neu-Guinea noch ſo harmlos ſein, doch als brütender
Vogel auf dem Neſt immer der gefährdetere Teil. Die alte
Spatzenfarbe war eine Schutzfarbe. Beſſer es behält ſie auf
alle Fälle für ſich. Dem Schönheitsſinn iſt ja doch Genüge
gethan, denn es geht ihm wie Rafael vor ſeinem Bilde.
Es braucht nicht ſelber ſich in ſein Kunſtideal zu verwandeln
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/397>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.