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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Es war an einem goldenen Herbsttage in
Dresden.

Die Silhouette der Altstadt mit ihren span¬
grünen Dächern in einem Kranz tiefroter Blätter
des wilden Weins; und in Stadt und Stimmung
[Abbildung] etwas übermütig Lustiges, das aller hergebrachten
Herbstmelancholie Hohn sprach.

Ich war ein paar Stunden lang durch die große
Galerie gewandert, ohne Bädeker, bloß als behaglich freier
Schwimmer im blauen Meer menschlicher Hochkunst. Ein¬
mal wieder war sie an mir vorbeigezogen: die ganze bunte
Überwelt, die der Mensch auf dieser dunklen Erde sich selbst
erschaffen -- von der weinverwegenen Lebensfreude der Nieder¬
länder bis zu der strahlenden Idealgestalt der weltgewordenen
Liebe, vor der Friedrich Albert Lange einst die Frage gestellt,
welcher Philosoph wohl jemals die Sixtinische Madonna
"widerlegen" werde ...


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Es war an einem goldenen Herbſttage in
Dresden.

Die Silhouette der Altſtadt mit ihren ſpan¬
grünen Dächern in einem Kranz tiefroter Blätter
des wilden Weins; und in Stadt und Stimmung
[Abbildung] etwas übermütig Luſtiges, das aller hergebrachten
Herbſtmelancholie Hohn ſprach.

Ich war ein paar Stunden lang durch die große
Galerie gewandert, ohne Bädeker, bloß als behaglich freier
Schwimmer im blauen Meer menſchlicher Hochkunſt. Ein¬
mal wieder war ſie an mir vorbeigezogen: die ganze bunte
Überwelt, die der Menſch auf dieſer dunklen Erde ſich ſelbſt
erſchaffen — von der weinverwegenen Lebensfreude der Nieder¬
länder bis zu der ſtrahlenden Idealgeſtalt der weltgewordenen
Liebe, vor der Friedrich Albert Lange einſt die Frage geſtellt,
welcher Philoſoph wohl jemals die Sixtiniſche Madonna
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[340/0356] [Abbildung] Es war an einem goldenen Herbſttage in Dresden. Die Silhouette der Altſtadt mit ihren ſpan¬ grünen Dächern in einem Kranz tiefroter Blätter des wilden Weins; und in Stadt und Stimmung [Abbildung] etwas übermütig Luſtiges, das aller hergebrachten Herbſtmelancholie Hohn ſprach. Ich war ein paar Stunden lang durch die große Galerie gewandert, ohne Bädeker, bloß als behaglich freier Schwimmer im blauen Meer menſchlicher Hochkunſt. Ein¬ mal wieder war ſie an mir vorbeigezogen: die ganze bunte Überwelt, die der Menſch auf dieſer dunklen Erde ſich ſelbſt erſchaffen — von der weinverwegenen Lebensfreude der Nieder¬ länder bis zu der ſtrahlenden Idealgeſtalt der weltgewordenen Liebe, vor der Friedrich Albert Lange einſt die Frage geſtellt, welcher Philoſoph wohl jemals die Sixtiniſche Madonna „widerlegen“ werde ...

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/356>, abgerufen am 22.11.2024.