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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Denn ob du nun die Wollust noch so sehr (in einem, wie
du jetzt siehst, gar nicht einmal streng berechtigten Sinne) als
blutrote Mischliebe bezeichnen und gegen die lilienweiße Augen-,
Ohr- und Kuß-Distance-Liebe herabsetzen magst, -- leugnen
wirst du nicht können, wie das Brummen dieser einen einzigen,
aber herkulesstarken Hauttaste deines Leibes einen Grundbaß
dennoch spielt in allen, allen deinen noch so botticellisch-süßen
Geistesmelodien. Und auch einen berechtigten Baß. Denn
das, was du Körper nennst, ist in Wahrheit ja so gut Geist
wie alles andere in dir. In das große Konzert gehört jedes
Instrument gleichberechtigt mit hinein. Auch das.

[Abbildung]

Von diesem Schluß aus hat nun, hoffe ich (immer im
Wahrscheinlichkeitsrahmen!) die weitere geschichtliche Betrachtung
keine besondere Schwierigkeit mehr.

Nehmen wir eine befriedigende Wollust-Erlösung auch für
alle vielzelligen Tier-Individuen nach unserer Menschen-Analogie
einfach einmal als eine Grundthatsache hin, so mußte die Lokali¬
sierung dieser Wollust sich auch dort eben den verschiedenen
Sachlagen anpassen, so gut es ging.

Ein Fisch, der noch gar kein Geschlechtsglied besitzt, kann
die höchste Wollust nicht lokalisiert haben im Geschlechtsglied
wie du. Erinnere dich nur wieder an die lieben Blaufelchen.
Sie finden sich, Männlein und Weiblein, zueinander, sehen sich,
berühren sich mit dem ganzen Bauche im Liebesluftsprung --
und gleichzeitig jetzt spritzen beim Mann der Samen, beim
Weibe die Eier aus. Nach der Analogie deiner eigenen Liebes¬
erlebnisse wirst du sagen: hier genügt eben schon der einfache
Kitzel bei Berührung der ganzen Bauchhaut, um die Wollust
auf ihre Höhe zu bringen. Und mit dieser Höhe in engster

Denn ob du nun die Wolluſt noch ſo ſehr (in einem, wie
du jetzt ſiehſt, gar nicht einmal ſtreng berechtigten Sinne) als
blutrote Miſchliebe bezeichnen und gegen die lilienweiße Augen-,
Ohr- und Kuß-Diſtance-Liebe herabſetzen magſt, — leugnen
wirſt du nicht können, wie das Brummen dieſer einen einzigen,
aber herkulesſtarken Hauttaſte deines Leibes einen Grundbaß
dennoch ſpielt in allen, allen deinen noch ſo botticelliſch-ſüßen
Geiſtesmelodien. Und auch einen berechtigten Baß. Denn
das, was du Körper nennſt, iſt in Wahrheit ja ſo gut Geiſt
wie alles andere in dir. In das große Konzert gehört jedes
Inſtrument gleichberechtigt mit hinein. Auch das.

[Abbildung]

Von dieſem Schluß aus hat nun, hoffe ich (immer im
Wahrſcheinlichkeitsrahmen!) die weitere geſchichtliche Betrachtung
keine beſondere Schwierigkeit mehr.

Nehmen wir eine befriedigende Wolluſt-Erlöſung auch für
alle vielzelligen Tier-Individuen nach unſerer Menſchen-Analogie
einfach einmal als eine Grundthatſache hin, ſo mußte die Lokali¬
ſierung dieſer Wolluſt ſich auch dort eben den verſchiedenen
Sachlagen anpaſſen, ſo gut es ging.

Ein Fiſch, der noch gar kein Geſchlechtsglied beſitzt, kann
die höchſte Wolluſt nicht lokaliſiert haben im Geſchlechtsglied
wie du. Erinnere dich nur wieder an die lieben Blaufelchen.
Sie finden ſich, Männlein und Weiblein, zueinander, ſehen ſich,
berühren ſich mit dem ganzen Bauche im Liebesluftſprung —
und gleichzeitig jetzt ſpritzen beim Mann der Samen, beim
Weibe die Eier aus. Nach der Analogie deiner eigenen Liebes¬
erlebniſſe wirſt du ſagen: hier genügt eben ſchon der einfache
Kitzel bei Berührung der ganzen Bauchhaut, um die Wolluſt
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[316/0332] Denn ob du nun die Wolluſt noch ſo ſehr (in einem, wie du jetzt ſiehſt, gar nicht einmal ſtreng berechtigten Sinne) als blutrote Miſchliebe bezeichnen und gegen die lilienweiße Augen-, Ohr- und Kuß-Diſtance-Liebe herabſetzen magſt, — leugnen wirſt du nicht können, wie das Brummen dieſer einen einzigen, aber herkulesſtarken Hauttaſte deines Leibes einen Grundbaß dennoch ſpielt in allen, allen deinen noch ſo botticelliſch-ſüßen Geiſtesmelodien. Und auch einen berechtigten Baß. Denn das, was du Körper nennſt, iſt in Wahrheit ja ſo gut Geiſt wie alles andere in dir. In das große Konzert gehört jedes Inſtrument gleichberechtigt mit hinein. Auch das. [Abbildung] Von dieſem Schluß aus hat nun, hoffe ich (immer im Wahrſcheinlichkeitsrahmen!) die weitere geſchichtliche Betrachtung keine beſondere Schwierigkeit mehr. Nehmen wir eine befriedigende Wolluſt-Erlöſung auch für alle vielzelligen Tier-Individuen nach unſerer Menſchen-Analogie einfach einmal als eine Grundthatſache hin, ſo mußte die Lokali¬ ſierung dieſer Wolluſt ſich auch dort eben den verſchiedenen Sachlagen anpaſſen, ſo gut es ging. Ein Fiſch, der noch gar kein Geſchlechtsglied beſitzt, kann die höchſte Wolluſt nicht lokaliſiert haben im Geſchlechtsglied wie du. Erinnere dich nur wieder an die lieben Blaufelchen. Sie finden ſich, Männlein und Weiblein, zueinander, ſehen ſich, berühren ſich mit dem ganzen Bauche im Liebesluftſprung — und gleichzeitig jetzt ſpritzen beim Mann der Samen, beim Weibe die Eier aus. Nach der Analogie deiner eigenen Liebes¬ erlebniſſe wirſt du ſagen: hier genügt eben ſchon der einfache Kitzel bei Berührung der ganzen Bauchhaut, um die Wolluſt auf ihre Höhe zu bringen. Und mit dieſer Höhe in engſter

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/332>, abgerufen am 22.11.2024.