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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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der Liebe wallten und wogten so lange durch den Gesamt¬
organismus in voller Wucht, wühlten das ganze obere, höhere,
umfassendere Personen-Individuum auf bis in jede Tiefe hinein,
verlangten, klagten, jauchzten, verströmten in ihm.

Aber an ganz bestimmter Stelle dann machte das alles
oben Halt. Die Samenzellen spritzten aus, die Eizelle fand
sich zu ihnen, ein geheimes Innenleben kleiner separater Maul¬
würfe begann innerhalb des einen Über-Individuums. Eine
letzte Distance wurde dort genommen und eine echte Zellmischung
fand statt. Aber als das kam, war jede unmittelbare Verbindung
mit dem Liebesleben der großen Individuen Mann und Weib
vereits völlig abgerissen. Der körperliche Liebesakt war dort
längst zu Ende. Seine eigene höchste Steigerung und Er¬
füllung mußte längst vorüber sein.

Denkst du dir das klar in Erinnerung an einen Liebes¬
akt deines eigenen Körpers durch, so kann dir wohl kein Zweifel
darüber bleiben, was geschehen mußte und geschehen ist.

Der höchste Wollustmoment, bei den einzelligen Wesen in
die völlige Verschmelzung naturgemäß gelegt, mußte sich für die
Vielzeller ebenso naturgemäß gleichsam in eine andere Stufe
der großen Liebesbahn verlegen.

In eine frühere.

In die dem wahren Mischakt nächste der Distance-Liebe.
Also in den äußersten Punkt dieser Distance-Liebe, der von den
großen Attrappen der echten mischfähigen Geschlechts-Einzeller,
von den vielzelligen Über-Individuum selber noch erreicht
wurde
.

Damit hast du den Schlüssel des ganzen Entwickelungs¬
ganges in der Hand. Auch die Liebe der Zellgenossenschaften
wahrte sich ihren höchsten körperlichen Erfüllungspunkt, ihren
Wollust-Punkt. Aber sie legte ihn ihrer ganzen Veranlagung
nach an eine andere Stelle der großen Kette, -- dahin, wo
diese Kette sich für sie, als auf einem erreichten und nicht
mehr zu überbietenden Gipfel, schloß.

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der Liebe wallten und wogten ſo lange durch den Geſamt¬
organismus in voller Wucht, wühlten das ganze obere, höhere,
umfaſſendere Perſonen-Individuum auf bis in jede Tiefe hinein,
verlangten, klagten, jauchzten, verſtrömten in ihm.

Aber an ganz beſtimmter Stelle dann machte das alles
oben Halt. Die Samenzellen ſpritzten aus, die Eizelle fand
ſich zu ihnen, ein geheimes Innenleben kleiner ſeparater Maul¬
würfe begann innerhalb des einen Über-Individuums. Eine
letzte Diſtance wurde dort genommen und eine echte Zellmiſchung
fand ſtatt. Aber als das kam, war jede unmittelbare Verbindung
mit dem Liebesleben der großen Individuen Mann und Weib
vereits völlig abgeriſſen. Der körperliche Liebesakt war dort
längſt zu Ende. Seine eigene höchſte Steigerung und Er¬
füllung mußte längſt vorüber ſein.

Denkſt du dir das klar in Erinnerung an einen Liebes¬
akt deines eigenen Körpers durch, ſo kann dir wohl kein Zweifel
darüber bleiben, was geſchehen mußte und geſchehen iſt.

Der höchſte Wolluſtmoment, bei den einzelligen Weſen in
die völlige Verſchmelzung naturgemäß gelegt, mußte ſich für die
Vielzeller ebenſo naturgemäß gleichſam in eine andere Stufe
der großen Liebesbahn verlegen.

In eine frühere.

In die dem wahren Miſchakt nächſte der Diſtance-Liebe.
Alſo in den äußerſten Punkt dieſer Diſtance-Liebe, der von den
großen Attrappen der echten miſchfähigen Geſchlechts-Einzeller,
von den vielzelligen Über-Individuum ſelber noch erreicht
wurde
.

Damit haſt du den Schlüſſel des ganzen Entwickelungs¬
ganges in der Hand. Auch die Liebe der Zellgenoſſenſchaften
wahrte ſich ihren höchſten körperlichen Erfüllungspunkt, ihren
Wolluſt-Punkt. Aber ſie legte ihn ihrer ganzen Veranlagung
nach an eine andere Stelle der großen Kette, — dahin, wo
dieſe Kette ſich für ſie, als auf einem erreichten und nicht
mehr zu überbietenden Gipfel, ſchloß.

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[307/0323] der Liebe wallten und wogten ſo lange durch den Geſamt¬ organismus in voller Wucht, wühlten das ganze obere, höhere, umfaſſendere Perſonen-Individuum auf bis in jede Tiefe hinein, verlangten, klagten, jauchzten, verſtrömten in ihm. Aber an ganz beſtimmter Stelle dann machte das alles oben Halt. Die Samenzellen ſpritzten aus, die Eizelle fand ſich zu ihnen, ein geheimes Innenleben kleiner ſeparater Maul¬ würfe begann innerhalb des einen Über-Individuums. Eine letzte Diſtance wurde dort genommen und eine echte Zellmiſchung fand ſtatt. Aber als das kam, war jede unmittelbare Verbindung mit dem Liebesleben der großen Individuen Mann und Weib vereits völlig abgeriſſen. Der körperliche Liebesakt war dort längſt zu Ende. Seine eigene höchſte Steigerung und Er¬ füllung mußte längſt vorüber ſein. Denkſt du dir das klar in Erinnerung an einen Liebes¬ akt deines eigenen Körpers durch, ſo kann dir wohl kein Zweifel darüber bleiben, was geſchehen mußte und geſchehen iſt. Der höchſte Wolluſtmoment, bei den einzelligen Weſen in die völlige Verſchmelzung naturgemäß gelegt, mußte ſich für die Vielzeller ebenſo naturgemäß gleichſam in eine andere Stufe der großen Liebesbahn verlegen. In eine frühere. In die dem wahren Miſchakt nächſte der Diſtance-Liebe. Alſo in den äußerſten Punkt dieſer Diſtance-Liebe, der von den großen Attrappen der echten miſchfähigen Geſchlechts-Einzeller, von den vielzelligen Über-Individuum ſelber noch erreicht wurde. Damit haſt du den Schlüſſel des ganzen Entwickelungs¬ ganges in der Hand. Auch die Liebe der Zellgenoſſenſchaften wahrte ſich ihren höchſten körperlichen Erfüllungspunkt, ihren Wolluſt-Punkt. Aber ſie legte ihn ihrer ganzen Veranlagung nach an eine andere Stelle der großen Kette, — dahin, wo dieſe Kette ſich für ſie, als auf einem erreichten und nicht mehr zu überbietenden Gipfel, ſchloß. 20*

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/323>, abgerufen am 13.05.2024.