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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Sie beweisen einerseits die unkritische Leerheit der
Forderung, Seelisches aus sich zu begreifen ohne Menschen¬
analogie. Andererseits aber deuten sie auch die Schwierigkeit
an, die in dem einzigen und ewig uns gegebenen Analogie-
Schluß von unserer eigenen Person aus liegt.

Wo in der Liebe eine echte Empfindungsfrage nackt aus
den Wellen des Körperlichen stößt, mußt du dich auf diese
Sachlage mit derselben Unbefangenheit besinnen, die dich das
Körperliche nackt hat anfassen lassen.

Ein solcher Punkt aber ist die Wollust.

[Abbildung]

Wir haben keine Ahnung davon, was eine einzellige
Amöbe, was ein Bazillus empfinden, wenn sie sich in zwei
Stücke teilen. Es ist ihr Liebesakt. Warum sollen sie nicht
etwas dabei fühlen? Es ist nach allen Analogien selbstver¬
ständlich. Zugleich ist es der Urakt aller Liebe. Die Wollust
wäre hier bei ihrem Urphänomen. Aber wie gesagt.

Und wenn zwei jener einzelligen Wesen miteinander
verschmelzen, -- im Urbild aller späteren Geschlechtsliebe, --
was dann?

Man möchte sich ausdeuten, bei jenem Zerfallakt käme
eine bestimmte Kette von Empfindungen vor, in denen Lust
und Unlust wechseln. Zuerst ein Gefühl der Überfülle, des
Strotzens, des überquellenden Dranges. Dumpfe Unlust.
Dann der eigentliche Akt der körperlichen Spaltung. Höchst¬
wahrscheinlich doch scharfer Schmerz. Dann aber in den
beiden neuentstandenen Teilwesen ein Gefühl der höchsten Ent¬
lastung, Frische, Erlösung.

Die Analogie für diese ganze Kette läge für uns bei
einem gebärenden Weibe. Bloß daß die Analogie hinkt.

Sie beweiſen einerſeits die unkritiſche Leerheit der
Forderung, Seeliſches aus ſich zu begreifen ohne Menſchen¬
analogie. Andererſeits aber deuten ſie auch die Schwierigkeit
an, die in dem einzigen und ewig uns gegebenen Analogie-
Schluß von unſerer eigenen Perſon aus liegt.

Wo in der Liebe eine echte Empfindungsfrage nackt aus
den Wellen des Körperlichen ſtößt, mußt du dich auf dieſe
Sachlage mit derſelben Unbefangenheit beſinnen, die dich das
Körperliche nackt hat anfaſſen laſſen.

Ein ſolcher Punkt aber iſt die Wolluſt.

[Abbildung]

Wir haben keine Ahnung davon, was eine einzellige
Amöbe, was ein Bazillus empfinden, wenn ſie ſich in zwei
Stücke teilen. Es iſt ihr Liebesakt. Warum ſollen ſie nicht
etwas dabei fühlen? Es iſt nach allen Analogien ſelbſtver¬
ſtändlich. Zugleich iſt es der Urakt aller Liebe. Die Wolluſt
wäre hier bei ihrem Urphänomen. Aber wie geſagt.

Und wenn zwei jener einzelligen Weſen miteinander
verſchmelzen, — im Urbild aller ſpäteren Geſchlechtsliebe, —
was dann?

Man möchte ſich ausdeuten, bei jenem Zerfallakt käme
eine beſtimmte Kette von Empfindungen vor, in denen Luſt
und Unluſt wechſeln. Zuerſt ein Gefühl der Überfülle, des
Strotzens, des überquellenden Dranges. Dumpfe Unluſt.
Dann der eigentliche Akt der körperlichen Spaltung. Höchſt¬
wahrſcheinlich doch ſcharfer Schmerz. Dann aber in den
beiden neuentſtandenen Teilweſen ein Gefühl der höchſten Ent¬
laſtung, Friſche, Erlöſung.

Die Analogie für dieſe ganze Kette läge für uns bei
einem gebärenden Weibe. Bloß daß die Analogie hinkt.

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[301/0317] Sie beweiſen einerſeits die unkritiſche Leerheit der Forderung, Seeliſches aus ſich zu begreifen ohne Menſchen¬ analogie. Andererſeits aber deuten ſie auch die Schwierigkeit an, die in dem einzigen und ewig uns gegebenen Analogie- Schluß von unſerer eigenen Perſon aus liegt. Wo in der Liebe eine echte Empfindungsfrage nackt aus den Wellen des Körperlichen ſtößt, mußt du dich auf dieſe Sachlage mit derſelben Unbefangenheit beſinnen, die dich das Körperliche nackt hat anfaſſen laſſen. Ein ſolcher Punkt aber iſt die Wolluſt. [Abbildung] Wir haben keine Ahnung davon, was eine einzellige Amöbe, was ein Bazillus empfinden, wenn ſie ſich in zwei Stücke teilen. Es iſt ihr Liebesakt. Warum ſollen ſie nicht etwas dabei fühlen? Es iſt nach allen Analogien ſelbſtver¬ ſtändlich. Zugleich iſt es der Urakt aller Liebe. Die Wolluſt wäre hier bei ihrem Urphänomen. Aber wie geſagt. Und wenn zwei jener einzelligen Weſen miteinander verſchmelzen, — im Urbild aller ſpäteren Geſchlechtsliebe, — was dann? Man möchte ſich ausdeuten, bei jenem Zerfallakt käme eine beſtimmte Kette von Empfindungen vor, in denen Luſt und Unluſt wechſeln. Zuerſt ein Gefühl der Überfülle, des Strotzens, des überquellenden Dranges. Dumpfe Unluſt. Dann der eigentliche Akt der körperlichen Spaltung. Höchſt¬ wahrſcheinlich doch ſcharfer Schmerz. Dann aber in den beiden neuentſtandenen Teilweſen ein Gefühl der höchſten Ent¬ laſtung, Friſche, Erlöſung. Die Analogie für dieſe ganze Kette läge für uns bei einem gebärenden Weibe. Bloß daß die Analogie hinkt.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/317>, abgerufen am 25.11.2024.