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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Es genügt, denke ich, wieder einmal vollkommen, die
Dinge bis hierher gleichsam aus dem Hauptbuch der modernen
Philosophie aufzurollen.

Was erhellen soll und, meine ich, muß, ist die unab¬
änderliche Beschränkung bei uns auf den großen Analogie-
Schluß, -- den Analogie-Schluß, der von jeder Betrachtungs¬
weise aus in Vollkraft tritt, sobald das Wörtchen Empfindung
überhaupt erklingt. "Ich" bin an einem einzigen Weltfleck
Fachmann gerade hier, -- aber das erkaufe ich auch damit,
daß der ganze Rest der tausendgestaltigen proteisch bunten
Welt im Empfindungspunkte für mich ein Analogie-Schluß bleibt.
Und alles Versteifen auf den Mechanismus nützt dazu im an¬
gedeuteten Sinne nicht einen Pfifferling.

So hübsch es klingt: ich soll dich aus dir selbst begreifen
lernen, den Kuckuck aus sich selbst, die Pflanze aus sich selbst,
den Bazillus aus sich selbst, den Kristall und die Erdkugel aus
sich selbst, -- -- im Moment, da ich überhaupt dieses "Aus
sich selbst" einführe in die Rechnung, setze ich mich selbst
hinein vermöge eines Analogie-Schlusses. Ich muß es, -- ich
selber bin das einzige Mikroskop, um hierher überhaupt zu sehen.

Aber ich fühle auch sofort die Schwierigkeiten, die
Schranken meines Werkzeuges. Ich bedarf eines großen
Glaubens an die geheimnisvolle Grundähnlichkeit aller Natur,
um nicht völlig zu verzweifeln. Auch so aber werde ich im
Einzelfalle schwanken, werde mich in einem Labyrinth sehen,
werde nicht wissen, wo die Analogie zu weit geht oder nicht
reicht. Es sind ja doch Unterschiede da. Ich als Mensch bin
nicht der Pflanze, dem Bazillus ohne weiteres gleich. Die
Maschine ist sichtbarlich verschieden, wenn schon nicht prin¬
zipiell. Für alles Empfindende aber habe ich nur eine einzige
Schablone: -- mich.

Diese Dinge mußten hier gesagt werden, wenn sie auch
ins Verwickelte menschlischer Denkprozesse greifen, die nicht
jedermanns Sache sind.

Es genügt, denke ich, wieder einmal vollkommen, die
Dinge bis hierher gleichſam aus dem Hauptbuch der modernen
Philoſophie aufzurollen.

Was erhellen ſoll und, meine ich, muß, iſt die unab¬
änderliche Beſchränkung bei uns auf den großen Analogie-
Schluß, — den Analogie-Schluß, der von jeder Betrachtungs¬
weiſe aus in Vollkraft tritt, ſobald das Wörtchen Empfindung
überhaupt erklingt. „Ich“ bin an einem einzigen Weltfleck
Fachmann gerade hier, — aber das erkaufe ich auch damit,
daß der ganze Reſt der tauſendgeſtaltigen proteiſch bunten
Welt im Empfindungspunkte für mich ein Analogie-Schluß bleibt.
Und alles Verſteifen auf den Mechanismus nützt dazu im an¬
gedeuteten Sinne nicht einen Pfifferling.

So hübſch es klingt: ich ſoll dich aus dir ſelbſt begreifen
lernen, den Kuckuck aus ſich ſelbſt, die Pflanze aus ſich ſelbſt,
den Bazillus aus ſich ſelbſt, den Kriſtall und die Erdkugel aus
ſich ſelbſt, — — im Moment, da ich überhaupt dieſes „Aus
ſich ſelbſt“ einführe in die Rechnung, ſetze ich mich ſelbſt
hinein vermöge eines Analogie-Schluſſes. Ich muß es, — ich
ſelber bin das einzige Mikroſkop, um hierher überhaupt zu ſehen.

Aber ich fühle auch ſofort die Schwierigkeiten, die
Schranken meines Werkzeuges. Ich bedarf eines großen
Glaubens an die geheimnisvolle Grundähnlichkeit aller Natur,
um nicht völlig zu verzweifeln. Auch ſo aber werde ich im
Einzelfalle ſchwanken, werde mich in einem Labyrinth ſehen,
werde nicht wiſſen, wo die Analogie zu weit geht oder nicht
reicht. Es ſind ja doch Unterſchiede da. Ich als Menſch bin
nicht der Pflanze, dem Bazillus ohne weiteres gleich. Die
Maſchine iſt ſichtbarlich verſchieden, wenn ſchon nicht prin¬
zipiell. Für alles Empfindende aber habe ich nur eine einzige
Schablone: — mich.

Dieſe Dinge mußten hier geſagt werden, wenn ſie auch
ins Verwickelte menſchliſcher Denkprozeſſe greifen, die nicht
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[300/0316] Es genügt, denke ich, wieder einmal vollkommen, die Dinge bis hierher gleichſam aus dem Hauptbuch der modernen Philoſophie aufzurollen. Was erhellen ſoll und, meine ich, muß, iſt die unab¬ änderliche Beſchränkung bei uns auf den großen Analogie- Schluß, — den Analogie-Schluß, der von jeder Betrachtungs¬ weiſe aus in Vollkraft tritt, ſobald das Wörtchen Empfindung überhaupt erklingt. „Ich“ bin an einem einzigen Weltfleck Fachmann gerade hier, — aber das erkaufe ich auch damit, daß der ganze Reſt der tauſendgeſtaltigen proteiſch bunten Welt im Empfindungspunkte für mich ein Analogie-Schluß bleibt. Und alles Verſteifen auf den Mechanismus nützt dazu im an¬ gedeuteten Sinne nicht einen Pfifferling. So hübſch es klingt: ich ſoll dich aus dir ſelbſt begreifen lernen, den Kuckuck aus ſich ſelbſt, die Pflanze aus ſich ſelbſt, den Bazillus aus ſich ſelbſt, den Kriſtall und die Erdkugel aus ſich ſelbſt, — — im Moment, da ich überhaupt dieſes „Aus ſich ſelbſt“ einführe in die Rechnung, ſetze ich mich ſelbſt hinein vermöge eines Analogie-Schluſſes. Ich muß es, — ich ſelber bin das einzige Mikroſkop, um hierher überhaupt zu ſehen. Aber ich fühle auch ſofort die Schwierigkeiten, die Schranken meines Werkzeuges. Ich bedarf eines großen Glaubens an die geheimnisvolle Grundähnlichkeit aller Natur, um nicht völlig zu verzweifeln. Auch ſo aber werde ich im Einzelfalle ſchwanken, werde mich in einem Labyrinth ſehen, werde nicht wiſſen, wo die Analogie zu weit geht oder nicht reicht. Es ſind ja doch Unterſchiede da. Ich als Menſch bin nicht der Pflanze, dem Bazillus ohne weiteres gleich. Die Maſchine iſt ſichtbarlich verſchieden, wenn ſchon nicht prin¬ zipiell. Für alles Empfindende aber habe ich nur eine einzige Schablone: — mich. Dieſe Dinge mußten hier geſagt werden, wenn ſie auch ins Verwickelte menſchliſcher Denkprozeſſe greifen, die nicht jedermanns Sache ſind.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/316>, abgerufen am 22.11.2024.