Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

vordersten Ruderstrahl der Flosse ein und mündet erst an der
Flossenspitze. Wird diese Flosse beim Liebestanz dicht an die
Weibesöffnung genötigt, so dient sie heiligen Ernstes wie ein
Mannesglied. Haifische und Seekatzen haben sogar die echten
Bauchflossen, also die Urformen unserer wirklichen zwei Beine,
ähnlich verwertet und zeugen also regelrecht mit den Beinen
wie du in jener Kniephantasie thun würdest.

Diese Geschichte hat sich aber einmal wieder ganz und
gar so nicht halten lassen und du ahnst weshalb. Aus den
losen Fischflossen wurden allmählich solide Rumpfglieder mit
einem dicken Knochenapparat im Innern, auf den der Körper
sich bei seiner Einbürgerung auf dem Lande stützen konnte.
Als allgemeine Klammerorgane wurden diese Gliedmaßen ja
immer famoser, wie dir der Frosch zeigt. Aber so subtile
Innensysteme wie die ganze Samenleitung dauernd in diese
strammen Säulen und Haken einzuführen, war je weiter je
weniger thunlich. Jene Afterflosse des Fischs war ohnehin bei
der Beschränkung auf bloß vier echte Glieder ganz unter den
Tisch gefallen. Und so ist es eine lange Zeit gewesen, als
sei jener alte Fischversuch gar nicht da gewesen. Der Frosch,
der Molch wissen schlechterdings nichts mehr davon. Und
wenn sie oder ihre Nachfolger doch wieder erneut Bedürfnis
nach einem besonderen Begattungsglied bekamen, so mußte die
ganze Historia nochmals neu anfangen, -- diesmal ohne jede
Anknüpfung an die ältere Gliederfrage.

Du mußt dich inzwischen an etwas höchst Wichtiges erinnern.

Deine Ahnenschaft kriecht aufs Land und wird aus einem
Fisch zum vierbeinigen Landtier auf jener Stufe, da konsequent
Urin, Kot, Eier und Samen durch ein und dieselbe Öffnung,
nämlich die als "Kloake" bezeichnete Aftermündung, das Licht
der Welt erblickten. Ein Begattungsglied bauen, hieß also auf
dieser Stufe deiner Menschwerdung: irgend etwas bauen, das
vom Afterloch des Mannes ausging und ins Afterloch des
Weibes wollte.

vorderſten Ruderſtrahl der Floſſe ein und mündet erſt an der
Floſſenſpitze. Wird dieſe Floſſe beim Liebestanz dicht an die
Weibesöffnung genötigt, ſo dient ſie heiligen Ernſtes wie ein
Mannesglied. Haifiſche und Seekatzen haben ſogar die echten
Bauchfloſſen, alſo die Urformen unſerer wirklichen zwei Beine,
ähnlich verwertet und zeugen alſo regelrecht mit den Beinen
wie du in jener Kniephantaſie thun würdeſt.

Dieſe Geſchichte hat ſich aber einmal wieder ganz und
gar ſo nicht halten laſſen und du ahnſt weshalb. Aus den
loſen Fiſchfloſſen wurden allmählich ſolide Rumpfglieder mit
einem dicken Knochenapparat im Innern, auf den der Körper
ſich bei ſeiner Einbürgerung auf dem Lande ſtützen konnte.
Als allgemeine Klammerorgane wurden dieſe Gliedmaßen ja
immer famoſer, wie dir der Froſch zeigt. Aber ſo ſubtile
Innenſyſteme wie die ganze Samenleitung dauernd in dieſe
ſtrammen Säulen und Haken einzuführen, war je weiter je
weniger thunlich. Jene Afterfloſſe des Fiſchs war ohnehin bei
der Beſchränkung auf bloß vier echte Glieder ganz unter den
Tiſch gefallen. Und ſo iſt es eine lange Zeit geweſen, als
ſei jener alte Fiſchverſuch gar nicht da geweſen. Der Froſch,
der Molch wiſſen ſchlechterdings nichts mehr davon. Und
wenn ſie oder ihre Nachfolger doch wieder erneut Bedürfnis
nach einem beſonderen Begattungsglied bekamen, ſo mußte die
ganze Hiſtoria nochmals neu anfangen, — diesmal ohne jede
Anknüpfung an die ältere Gliederfrage.

Du mußt dich inzwiſchen an etwas höchſt Wichtiges erinnern.

Deine Ahnenſchaft kriecht aufs Land und wird aus einem
Fiſch zum vierbeinigen Landtier auf jener Stufe, da konſequent
Urin, Kot, Eier und Samen durch ein und dieſelbe Öffnung,
nämlich die als „Kloake“ bezeichnete Aftermündung, das Licht
der Welt erblickten. Ein Begattungsglied bauen, hieß alſo auf
dieſer Stufe deiner Menſchwerdung: irgend etwas bauen, das
vom Afterloch des Mannes ausging und ins Afterloch des
Weibes wollte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0293" n="277"/>
vorder&#x017F;ten Ruder&#x017F;trahl der Flo&#x017F;&#x017F;e ein und mündet er&#x017F;t an der<lb/>
Flo&#x017F;&#x017F;en&#x017F;pitze. Wird die&#x017F;e Flo&#x017F;&#x017F;e beim Liebestanz dicht an die<lb/>
Weibesöffnung genötigt, &#x017F;o dient &#x017F;ie heiligen Ern&#x017F;tes wie ein<lb/>
Mannesglied. Haifi&#x017F;che und Seekatzen haben &#x017F;ogar die echten<lb/>
Bauchflo&#x017F;&#x017F;en, al&#x017F;o die Urformen un&#x017F;erer wirklichen zwei Beine,<lb/>
ähnlich verwertet und zeugen al&#x017F;o regelrecht mit den Beinen<lb/>
wie du in jener Kniephanta&#x017F;ie thun würde&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Ge&#x017F;chichte hat &#x017F;ich aber einmal wieder ganz und<lb/>
gar &#x017F;o nicht halten la&#x017F;&#x017F;en und du ahn&#x017F;t weshalb. Aus den<lb/>
lo&#x017F;en Fi&#x017F;chflo&#x017F;&#x017F;en wurden allmählich &#x017F;olide Rumpfglieder mit<lb/>
einem dicken Knochenapparat im Innern, auf den der Körper<lb/>
&#x017F;ich bei &#x017F;einer Einbürgerung auf dem Lande &#x017F;tützen konnte.<lb/>
Als allgemeine Klammerorgane wurden die&#x017F;e Gliedmaßen ja<lb/>
immer famo&#x017F;er, wie dir der Fro&#x017F;ch zeigt. Aber &#x017F;o &#x017F;ubtile<lb/>
Innen&#x017F;y&#x017F;teme wie die ganze Samenleitung dauernd in die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;trammen Säulen und Haken einzuführen, war je weiter je<lb/>
weniger thunlich. Jene Afterflo&#x017F;&#x017F;e des Fi&#x017F;chs war ohnehin bei<lb/>
der Be&#x017F;chränkung auf bloß vier echte Glieder ganz unter den<lb/>
Ti&#x017F;ch gefallen. Und &#x017F;o i&#x017F;t es eine lange Zeit gewe&#x017F;en, als<lb/>
&#x017F;ei jener alte Fi&#x017F;chver&#x017F;uch gar nicht da gewe&#x017F;en. Der Fro&#x017F;ch,<lb/>
der Molch wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chlechterdings nichts mehr davon. Und<lb/>
wenn &#x017F;ie oder ihre Nachfolger doch wieder erneut Bedürfnis<lb/>
nach einem be&#x017F;onderen Begattungsglied bekamen, &#x017F;o mußte die<lb/>
ganze Hi&#x017F;toria nochmals neu anfangen, &#x2014; diesmal ohne jede<lb/>
Anknüpfung an die ältere Gliederfrage.</p><lb/>
        <p>Du mußt dich inzwi&#x017F;chen an etwas höch&#x017F;t Wichtiges erinnern.</p><lb/>
        <p>Deine Ahnen&#x017F;chaft kriecht aufs Land und wird aus einem<lb/>
Fi&#x017F;ch zum vierbeinigen Landtier auf jener Stufe, da kon&#x017F;equent<lb/>
Urin, Kot, Eier und Samen durch ein und die&#x017F;elbe Öffnung,<lb/>
nämlich die als &#x201E;Kloake&#x201C; bezeichnete Aftermündung, das Licht<lb/>
der Welt erblickten. Ein Begattungsglied bauen, hieß al&#x017F;o auf<lb/>
die&#x017F;er Stufe deiner Men&#x017F;chwerdung: irgend etwas bauen, das<lb/>
vom Afterloch des Mannes ausging und ins Afterloch des<lb/>
Weibes wollte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0293] vorderſten Ruderſtrahl der Floſſe ein und mündet erſt an der Floſſenſpitze. Wird dieſe Floſſe beim Liebestanz dicht an die Weibesöffnung genötigt, ſo dient ſie heiligen Ernſtes wie ein Mannesglied. Haifiſche und Seekatzen haben ſogar die echten Bauchfloſſen, alſo die Urformen unſerer wirklichen zwei Beine, ähnlich verwertet und zeugen alſo regelrecht mit den Beinen wie du in jener Kniephantaſie thun würdeſt. Dieſe Geſchichte hat ſich aber einmal wieder ganz und gar ſo nicht halten laſſen und du ahnſt weshalb. Aus den loſen Fiſchfloſſen wurden allmählich ſolide Rumpfglieder mit einem dicken Knochenapparat im Innern, auf den der Körper ſich bei ſeiner Einbürgerung auf dem Lande ſtützen konnte. Als allgemeine Klammerorgane wurden dieſe Gliedmaßen ja immer famoſer, wie dir der Froſch zeigt. Aber ſo ſubtile Innenſyſteme wie die ganze Samenleitung dauernd in dieſe ſtrammen Säulen und Haken einzuführen, war je weiter je weniger thunlich. Jene Afterfloſſe des Fiſchs war ohnehin bei der Beſchränkung auf bloß vier echte Glieder ganz unter den Tiſch gefallen. Und ſo iſt es eine lange Zeit geweſen, als ſei jener alte Fiſchverſuch gar nicht da geweſen. Der Froſch, der Molch wiſſen ſchlechterdings nichts mehr davon. Und wenn ſie oder ihre Nachfolger doch wieder erneut Bedürfnis nach einem beſonderen Begattungsglied bekamen, ſo mußte die ganze Hiſtoria nochmals neu anfangen, — diesmal ohne jede Anknüpfung an die ältere Gliederfrage. Du mußt dich inzwiſchen an etwas höchſt Wichtiges erinnern. Deine Ahnenſchaft kriecht aufs Land und wird aus einem Fiſch zum vierbeinigen Landtier auf jener Stufe, da konſequent Urin, Kot, Eier und Samen durch ein und dieſelbe Öffnung, nämlich die als „Kloake“ bezeichnete Aftermündung, das Licht der Welt erblickten. Ein Begattungsglied bauen, hieß alſo auf dieſer Stufe deiner Menſchwerdung: irgend etwas bauen, das vom Afterloch des Mannes ausging und ins Afterloch des Weibes wollte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/293
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/293>, abgerufen am 11.05.2024.