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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Logik seit Alters immer wieder neu erzeugt worden. Wenn
du dann in der höchsten Kunst, in der künstlerisch durchhauchten
Ideenwelt von Alt-Hellas, im Antinous-Ideal, in der orien¬
talischen Poesie, und immer und immer so wieder durch
Renaissance und Neuzeit päderastische Motive findest, so wirst
du auf ein Wurzelende noch ganz anderer Art geführt.
Das Päderastische entwickelt sich hier aus einer an sich absolut
sittlichen That zunächst der Distanceliebe. Das Auge erfreut
sich der Schönheit des Manneskörpers so gut wie der des
Weibesleibes, und genießt aus dieser Schönheit heraus die
höhere, vergeistigte Sinnlichkeit der Distanceliebe. In einer
Verwirrung der Motive wird dann diese Distanceliebe aber
als Mischliebe versucht, womit allerdings die ideale Höhe zu
einer Situation herabsinkt, deren herbste Strafe zweifellos in
ihrer Lächerlichkeit besteht. Und so lassen sich der Wege noch
mehr aufweisen. Interessant bleibt aber auf alle Fälle auch
in jenem Fisch- und Schnabeltier-Sinne der "zoologische Reak¬
tionär", der im Päderasten allemal so gut steckt wie im
Onanisten. Den tragikomischen Zug teilt er dabei mit allen
Reaktionären.

Warum übrigens die Kloake wieder verschwunden ist?
Wir haben sicherlich gleich einen guten Fingerzeig. Das
letzte Tier in deinem Stammbaum, das noch Kloaken-Liebe
pflegt, das Schnabeltier, ist zugleich auch das letzte, das noch
Eier legt. Das Gebären lebendiger Jungen in dem Zustande
wie es beim Säuger vom Känguruh an aufwärts fester Brauch
wurde, scheint dem Afterausgang widersprochen zu haben. Der
ganze Geschlechtsapparat des Weibes wurde durch das immer
längere und innerlichere Ausreifen des jungen Tieres im
Mutterleibe mehr und mehr belastet, bekam also wohl auch
ein intensives Anrecht auf eine möglichst eigene Thür. Um¬
gekehrt beim Manne führte ein ganz anderer Weg ebenso sicher
zur Notwendigkeit einer Trennung: die immer kunstvollere
Ausgestaltung nämlich des Begattungsgliedes.

Logik ſeit Alters immer wieder neu erzeugt worden. Wenn
du dann in der höchſten Kunſt, in der künſtleriſch durchhauchten
Ideenwelt von Alt-Hellas, im Antinous-Ideal, in der orien¬
taliſchen Poeſie, und immer und immer ſo wieder durch
Renaiſſance und Neuzeit päderaſtiſche Motive findeſt, ſo wirſt
du auf ein Wurzelende noch ganz anderer Art geführt.
Das Päderaſtiſche entwickelt ſich hier aus einer an ſich abſolut
ſittlichen That zunächſt der Diſtanceliebe. Das Auge erfreut
ſich der Schönheit des Manneskörpers ſo gut wie der des
Weibesleibes, und genießt aus dieſer Schönheit heraus die
höhere, vergeiſtigte Sinnlichkeit der Diſtanceliebe. In einer
Verwirrung der Motive wird dann dieſe Diſtanceliebe aber
als Miſchliebe verſucht, womit allerdings die ideale Höhe zu
einer Situation herabſinkt, deren herbſte Strafe zweifellos in
ihrer Lächerlichkeit beſteht. Und ſo laſſen ſich der Wege noch
mehr aufweiſen. Intereſſant bleibt aber auf alle Fälle auch
in jenem Fiſch- und Schnabeltier-Sinne der „zoologiſche Reak¬
tionär“, der im Päderaſten allemal ſo gut ſteckt wie im
Onaniſten. Den tragikomiſchen Zug teilt er dabei mit allen
Reaktionären.

Warum übrigens die Kloake wieder verſchwunden iſt?
Wir haben ſicherlich gleich einen guten Fingerzeig. Das
letzte Tier in deinem Stammbaum, das noch Kloaken-Liebe
pflegt, das Schnabeltier, iſt zugleich auch das letzte, das noch
Eier legt. Das Gebären lebendiger Jungen in dem Zuſtande
wie es beim Säuger vom Känguruh an aufwärts feſter Brauch
wurde, ſcheint dem Afterausgang widerſprochen zu haben. Der
ganze Geſchlechtsapparat des Weibes wurde durch das immer
längere und innerlichere Ausreifen des jungen Tieres im
Mutterleibe mehr und mehr belaſtet, bekam alſo wohl auch
ein intenſives Anrecht auf eine möglichſt eigene Thür. Um¬
gekehrt beim Manne führte ein ganz anderer Weg ebenſo ſicher
zur Notwendigkeit einer Trennung: die immer kunſtvollere
Ausgeſtaltung nämlich des Begattungsgliedes.

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[261/0277] Logik ſeit Alters immer wieder neu erzeugt worden. Wenn du dann in der höchſten Kunſt, in der künſtleriſch durchhauchten Ideenwelt von Alt-Hellas, im Antinous-Ideal, in der orien¬ taliſchen Poeſie, und immer und immer ſo wieder durch Renaiſſance und Neuzeit päderaſtiſche Motive findeſt, ſo wirſt du auf ein Wurzelende noch ganz anderer Art geführt. Das Päderaſtiſche entwickelt ſich hier aus einer an ſich abſolut ſittlichen That zunächſt der Diſtanceliebe. Das Auge erfreut ſich der Schönheit des Manneskörpers ſo gut wie der des Weibesleibes, und genießt aus dieſer Schönheit heraus die höhere, vergeiſtigte Sinnlichkeit der Diſtanceliebe. In einer Verwirrung der Motive wird dann dieſe Diſtanceliebe aber als Miſchliebe verſucht, womit allerdings die ideale Höhe zu einer Situation herabſinkt, deren herbſte Strafe zweifellos in ihrer Lächerlichkeit beſteht. Und ſo laſſen ſich der Wege noch mehr aufweiſen. Intereſſant bleibt aber auf alle Fälle auch in jenem Fiſch- und Schnabeltier-Sinne der „zoologiſche Reak¬ tionär“, der im Päderaſten allemal ſo gut ſteckt wie im Onaniſten. Den tragikomiſchen Zug teilt er dabei mit allen Reaktionären. Warum übrigens die Kloake wieder verſchwunden iſt? Wir haben ſicherlich gleich einen guten Fingerzeig. Das letzte Tier in deinem Stammbaum, das noch Kloaken-Liebe pflegt, das Schnabeltier, iſt zugleich auch das letzte, das noch Eier legt. Das Gebären lebendiger Jungen in dem Zuſtande wie es beim Säuger vom Känguruh an aufwärts feſter Brauch wurde, ſcheint dem Afterausgang widerſprochen zu haben. Der ganze Geſchlechtsapparat des Weibes wurde durch das immer längere und innerlichere Ausreifen des jungen Tieres im Mutterleibe mehr und mehr belaſtet, bekam alſo wohl auch ein intenſives Anrecht auf eine möglichſt eigene Thür. Um¬ gekehrt beim Manne führte ein ganz anderer Weg ebenſo ſicher zur Notwendigkeit einer Trennung: die immer kunſtvollere Ausgeſtaltung nämlich des Begattungsgliedes.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/277>, abgerufen am 25.11.2024.