eine Scheidewand. Fortan gibt's doch wieder zwei Löcher. Und das jetzt bleibt bis zu dir herauf. Du hast's schließlich so vom Affen geerbt. Die Kloakenliebe kennst du an dir nicht mehr, -- es sei denn im Falle eines höchst mißlichen Gewalt¬ aktes, wenn nämlich bei der Geburt die Wand gegen den After noch nachträglich einreißt; das ist aber nichts normales mehr, sondern ein krankhafter Einzelfall.
Ganz umsonst wäre jedenfalls der Versuch, den Zeugungs¬ akt selber noch einmal durch den After zu leiten. Niemals mehr ist vom Schnabeltier an aufwärts eine Samenzelle eines Säugetiers durch das hintere Darmende zu einem Weibesei gelangt. Und es läßt sich höchstens noch ein spaßhaftes Schattenbild des äußerlichen Versuches wiederfinden in dem päderastischen Akte.
Indem der Päderast den Darmweg noch einmal als Geschlechtsweg sucht, kehrt er gewissermaßen zurück zum Schnabeltier, -- bloß daß ihm zum Unsinn sich verkehrt, was dort den vollen und heiligen Natursinn besaß. Der gleich¬ zeitige Versuch, aus Mann und Mann ein Liebes-Individuum zu bauen, geht bei ihm freilich noch weiter zurück. Er greift herab bis auf jene hermaphroditischen Fische und Würmer, bei denen jede Geschlechtshälfte noch Mann und Weib zugleich war, also ein Mannesteil befruchten konnte in einem Leibe, der selber auch Mannesteile besaß.
Die zähen Wurzeln der Päderastie im großen Aufwärts¬ ringen der Menschheit sind im Übrigen ja noch weit über diese alten Reminiscenzen hinaus verwickelt, und nur ein ganz oberflächlicher Beobachter wird sie mit einem einzelnen An¬ klang abthun wollen. Wenn auf einsamem Schiff im Ozean fernab von aller Weibergemeinschaft der Matrose zur Päder¬ astie greift, so erscheint hier unzweideutig eine andere Wurzel¬ faser, die den päderastischen Akt nur als eine Variante des onanistischen erscheinen läßt, als einen Akt der Notwehr, wo das Weib fehlte. Von hier aus ist er zweifellos in strenger
eine Scheidewand. Fortan gibt's doch wieder zwei Löcher. Und das jetzt bleibt bis zu dir herauf. Du haſt's ſchließlich ſo vom Affen geerbt. Die Kloakenliebe kennſt du an dir nicht mehr, — es ſei denn im Falle eines höchſt mißlichen Gewalt¬ aktes, wenn nämlich bei der Geburt die Wand gegen den After noch nachträglich einreißt; das iſt aber nichts normales mehr, ſondern ein krankhafter Einzelfall.
Ganz umſonſt wäre jedenfalls der Verſuch, den Zeugungs¬ akt ſelber noch einmal durch den After zu leiten. Niemals mehr iſt vom Schnabeltier an aufwärts eine Samenzelle eines Säugetiers durch das hintere Darmende zu einem Weibesei gelangt. Und es läßt ſich höchſtens noch ein ſpaßhaftes Schattenbild des äußerlichen Verſuches wiederfinden in dem päderaſtiſchen Akte.
Indem der Päderaſt den Darmweg noch einmal als Geſchlechtsweg ſucht, kehrt er gewiſſermaßen zurück zum Schnabeltier, — bloß daß ihm zum Unſinn ſich verkehrt, was dort den vollen und heiligen Naturſinn beſaß. Der gleich¬ zeitige Verſuch, aus Mann und Mann ein Liebes-Individuum zu bauen, geht bei ihm freilich noch weiter zurück. Er greift herab bis auf jene hermaphroditiſchen Fiſche und Würmer, bei denen jede Geſchlechtshälfte noch Mann und Weib zugleich war, alſo ein Mannesteil befruchten konnte in einem Leibe, der ſelber auch Mannesteile beſaß.
Die zähen Wurzeln der Päderaſtie im großen Aufwärts¬ ringen der Menſchheit ſind im Übrigen ja noch weit über dieſe alten Reminiscenzen hinaus verwickelt, und nur ein ganz oberflächlicher Beobachter wird ſie mit einem einzelnen An¬ klang abthun wollen. Wenn auf einſamem Schiff im Ozean fernab von aller Weibergemeinſchaft der Matroſe zur Päder¬ aſtie greift, ſo erſcheint hier unzweideutig eine andere Wurzel¬ faſer, die den päderaſtiſchen Akt nur als eine Variante des onaniſtiſchen erſcheinen läßt, als einen Akt der Notwehr, wo das Weib fehlte. Von hier aus iſt er zweifellos in ſtrenger
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0276"n="260"/>
eine Scheidewand. Fortan gibt's doch wieder zwei Löcher.<lb/>
Und das jetzt bleibt bis zu dir herauf. Du haſt's ſchließlich<lb/>ſo vom Affen geerbt. Die Kloakenliebe kennſt du an dir nicht<lb/>
mehr, — es ſei denn im Falle eines höchſt mißlichen Gewalt¬<lb/>
aktes, wenn nämlich bei der Geburt die Wand gegen den<lb/>
After noch nachträglich einreißt; das iſt aber nichts normales<lb/>
mehr, ſondern ein krankhafter Einzelfall.</p><lb/><p>Ganz umſonſt wäre jedenfalls der Verſuch, den Zeugungs¬<lb/>
akt ſelber noch einmal durch den After zu leiten. Niemals<lb/>
mehr iſt vom Schnabeltier an aufwärts eine Samenzelle eines<lb/>
Säugetiers durch das hintere Darmende zu einem Weibesei<lb/>
gelangt. Und es läßt ſich höchſtens noch ein ſpaßhaftes<lb/>
Schattenbild des äußerlichen Verſuches wiederfinden in dem<lb/>
päderaſtiſchen Akte.</p><lb/><p>Indem der Päderaſt den Darmweg noch einmal als<lb/>
Geſchlechtsweg ſucht, kehrt er gewiſſermaßen zurück zum<lb/>
Schnabeltier, — bloß daß ihm zum Unſinn ſich verkehrt, was<lb/>
dort den vollen und heiligen Naturſinn beſaß. Der gleich¬<lb/>
zeitige Verſuch, aus Mann und Mann ein Liebes-Individuum<lb/>
zu bauen, geht bei ihm freilich noch weiter zurück. Er greift<lb/>
herab bis auf jene hermaphroditiſchen Fiſche und Würmer, bei<lb/>
denen jede Geſchlechtshälfte noch Mann und Weib zugleich<lb/>
war, alſo ein Mannesteil befruchten konnte in einem Leibe,<lb/>
der ſelber auch Mannesteile beſaß.</p><lb/><p>Die zähen Wurzeln der Päderaſtie im großen Aufwärts¬<lb/>
ringen der Menſchheit ſind im Übrigen ja noch weit über<lb/>
dieſe alten Reminiscenzen hinaus verwickelt, und nur ein ganz<lb/>
oberflächlicher Beobachter wird ſie mit einem einzelnen An¬<lb/>
klang abthun wollen. Wenn auf einſamem Schiff im Ozean<lb/>
fernab von aller Weibergemeinſchaft der Matroſe zur Päder¬<lb/>
aſtie greift, ſo erſcheint hier unzweideutig eine andere Wurzel¬<lb/>
faſer, die den päderaſtiſchen Akt nur als eine Variante des<lb/>
onaniſtiſchen erſcheinen läßt, als einen Akt der Notwehr, wo<lb/>
das Weib fehlte. Von hier aus iſt er zweifellos in ſtrenger<lb/></p></div></body></text></TEI>
[260/0276]
eine Scheidewand. Fortan gibt's doch wieder zwei Löcher.
Und das jetzt bleibt bis zu dir herauf. Du haſt's ſchließlich
ſo vom Affen geerbt. Die Kloakenliebe kennſt du an dir nicht
mehr, — es ſei denn im Falle eines höchſt mißlichen Gewalt¬
aktes, wenn nämlich bei der Geburt die Wand gegen den
After noch nachträglich einreißt; das iſt aber nichts normales
mehr, ſondern ein krankhafter Einzelfall.
Ganz umſonſt wäre jedenfalls der Verſuch, den Zeugungs¬
akt ſelber noch einmal durch den After zu leiten. Niemals
mehr iſt vom Schnabeltier an aufwärts eine Samenzelle eines
Säugetiers durch das hintere Darmende zu einem Weibesei
gelangt. Und es läßt ſich höchſtens noch ein ſpaßhaftes
Schattenbild des äußerlichen Verſuches wiederfinden in dem
päderaſtiſchen Akte.
Indem der Päderaſt den Darmweg noch einmal als
Geſchlechtsweg ſucht, kehrt er gewiſſermaßen zurück zum
Schnabeltier, — bloß daß ihm zum Unſinn ſich verkehrt, was
dort den vollen und heiligen Naturſinn beſaß. Der gleich¬
zeitige Verſuch, aus Mann und Mann ein Liebes-Individuum
zu bauen, geht bei ihm freilich noch weiter zurück. Er greift
herab bis auf jene hermaphroditiſchen Fiſche und Würmer, bei
denen jede Geſchlechtshälfte noch Mann und Weib zugleich
war, alſo ein Mannesteil befruchten konnte in einem Leibe,
der ſelber auch Mannesteile beſaß.
Die zähen Wurzeln der Päderaſtie im großen Aufwärts¬
ringen der Menſchheit ſind im Übrigen ja noch weit über
dieſe alten Reminiscenzen hinaus verwickelt, und nur ein ganz
oberflächlicher Beobachter wird ſie mit einem einzelnen An¬
klang abthun wollen. Wenn auf einſamem Schiff im Ozean
fernab von aller Weibergemeinſchaft der Matroſe zur Päder¬
aſtie greift, ſo erſcheint hier unzweideutig eine andere Wurzel¬
faſer, die den päderaſtiſchen Akt nur als eine Variante des
onaniſtiſchen erſcheinen läßt, als einen Akt der Notwehr, wo
das Weib fehlte. Von hier aus iſt er zweifellos in ſtrenger
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/276>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.