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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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kümmern, -- und so behielt Frau Molchin hübsch beide
Kanäle nebeneinander in voller Kraft, diesen bloß für die
reinlichen Eier, jenen bloß für das dreckige Filterwasser der
Niere.

Jeder der kleinen bunten Teichmolche, den du dir aus
dem Krötentümpel dort holen magst, zeigt dir diese ganze
Stufe aufs hübscheste noch jetzt in seinem Leibe: die Eierfracht
schon emanzipiert vom Urin, obwohl noch in einer von der
Urinröhre ursprünglich abgespaltenen Röhre, -- die Samen¬
fracht im Männlein dagegen noch geradezu durch die Niere
in den Urinkanal fallend und dort hinausgeschwemmt, -- also
immerhin noch halbseitige Urin-Liebe.

[Abbildung]

Oberhalb des Molchs, auf der Linie von der Eidechse
zum Menschen, ist dann die Sache allerdings nochmals recht
umgeknetet worden. Die Niere selber war diesmal daran
schuld. Indem die Natur diese köstlichen Blutfilter immer
praktischer ausgestaltete, schuf sie sie gemach zu einem eigent¬
lich ganz neuen Organ um.

Am unteren Ende des alten Nierenapparats bildete sich so zu
sagen ein großer Auswuchs oder Sproß, der sich in ganz
anderer Lage in die Leibeshöhle einschob und fortan die eigent¬
liche Niere darstellte, der die ganze Filtriererei jetzt in einer
noch viel kunstvolleren Art, als es früher geschehen, oblag.

Diese neue Niere bildete sich alsbald auch einen eigenen
neuen Urinkanal, und bei den Säugetieren entstand da, wo
diese Kanäle beider neuen Nieren von rechts und links des
Leibes sich einten, zunächst ein großes gemeinsames Urin-
Reservoir, ein innerer Nachttopf gleichsam: die Harnblase.

kümmern, — und ſo behielt Frau Molchin hübſch beide
Kanäle nebeneinander in voller Kraft, dieſen bloß für die
reinlichen Eier, jenen bloß für das dreckige Filterwaſſer der
Niere.

Jeder der kleinen bunten Teichmolche, den du dir aus
dem Krötentümpel dort holen magſt, zeigt dir dieſe ganze
Stufe aufs hübſcheſte noch jetzt in ſeinem Leibe: die Eierfracht
ſchon emanzipiert vom Urin, obwohl noch in einer von der
Urinröhre urſprünglich abgeſpaltenen Röhre, — die Samen¬
fracht im Männlein dagegen noch geradezu durch die Niere
in den Urinkanal fallend und dort hinausgeſchwemmt, — alſo
immerhin noch halbſeitige Urin-Liebe.

[Abbildung]

Oberhalb des Molchs, auf der Linie von der Eidechſe
zum Menſchen, iſt dann die Sache allerdings nochmals recht
umgeknetet worden. Die Niere ſelber war diesmal daran
ſchuld. Indem die Natur dieſe köſtlichen Blutfilter immer
praktiſcher ausgeſtaltete, ſchuf ſie ſie gemach zu einem eigent¬
lich ganz neuen Organ um.

Am unteren Ende des alten Nierenapparats bildete ſich ſo zu
ſagen ein großer Auswuchs oder Sproß, der ſich in ganz
anderer Lage in die Leibeshöhle einſchob und fortan die eigent¬
liche Niere darſtellte, der die ganze Filtriererei jetzt in einer
noch viel kunſtvolleren Art, als es früher geſchehen, oblag.

Dieſe neue Niere bildete ſich alsbald auch einen eigenen
neuen Urinkanal, und bei den Säugetieren entſtand da, wo
dieſe Kanäle beider neuen Nieren von rechts und links des
Leibes ſich einten, zunächſt ein großes gemeinſames Urin-
Reſervoir, ein innerer Nachttopf gleichſam: die Harnblaſe.

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[253/0269] kümmern, — und ſo behielt Frau Molchin hübſch beide Kanäle nebeneinander in voller Kraft, dieſen bloß für die reinlichen Eier, jenen bloß für das dreckige Filterwaſſer der Niere. Jeder der kleinen bunten Teichmolche, den du dir aus dem Krötentümpel dort holen magſt, zeigt dir dieſe ganze Stufe aufs hübſcheſte noch jetzt in ſeinem Leibe: die Eierfracht ſchon emanzipiert vom Urin, obwohl noch in einer von der Urinröhre urſprünglich abgeſpaltenen Röhre, — die Samen¬ fracht im Männlein dagegen noch geradezu durch die Niere in den Urinkanal fallend und dort hinausgeſchwemmt, — alſo immerhin noch halbſeitige Urin-Liebe. [Abbildung] Oberhalb des Molchs, auf der Linie von der Eidechſe zum Menſchen, iſt dann die Sache allerdings nochmals recht umgeknetet worden. Die Niere ſelber war diesmal daran ſchuld. Indem die Natur dieſe köſtlichen Blutfilter immer praktiſcher ausgeſtaltete, ſchuf ſie ſie gemach zu einem eigent¬ lich ganz neuen Organ um. Am unteren Ende des alten Nierenapparats bildete ſich ſo zu ſagen ein großer Auswuchs oder Sproß, der ſich in ganz anderer Lage in die Leibeshöhle einſchob und fortan die eigent¬ liche Niere darſtellte, der die ganze Filtriererei jetzt in einer noch viel kunſtvolleren Art, als es früher geſchehen, oblag. Dieſe neue Niere bildete ſich alsbald auch einen eigenen neuen Urinkanal, und bei den Säugetieren entſtand da, wo dieſe Kanäle beider neuen Nieren von rechts und links des Leibes ſich einten, zunächſt ein großes gemeinſames Urin- Reſervoir, ein innerer Nachttopf gleichſam: die Harnblaſe.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/269>, abgerufen am 22.11.2024.