einer Brüderschaft aus antediluvialer Zeit, deren Moralkodex mit ungeheurer Verachtung auf die paar tausend Jahre mensch¬ licher Sittenlehren herabblickt. Eine alte dicke Pilgerin schwimmt voran und der Rest geht zweizeilig in Keilarmen, wie die Wildgänse, hinterdrein. Erst später kommen in gleichem Zere¬ moniell die Ritter, die Milchner.
In unablässig geradem Tempo geht es rheinaufwärts. An den holländischen Lehmufern lang, am heiligen Köln mit seinen hundert Bimmelglocken und Heiligenknochen vorbei, im Bogen um Nonnenwerth, durch das gelbgrün gestreifte Spiegel¬ bild der Weinberge, eng gedrängt um den Mäuseturm. Überall Verluste. Hier wird im wilden Ansturm ein Netz gesprengt. Aber dort hält eins aus. Grimme Lästrygonen fischen von oben her nach den Genossen des Dulders Odysseus. Es giebt da oben nicht bloß Heiligkeit. Der Lachs hungert im Süßwasser um der Liebe willen. Aber der böse Mensch hungert nach dem köstlichen Lachsfleisch, das jetzt gerade, bei diesen aufwärts schwimmenden Pilgern, die ganze Mast des Meeres mitbringt und das königliche Rot zeigt, dieses Rot eines alten Bücherschnittes, wenn der riesige Leib zerteilt liegt. Ein kostbares Buch, gut zu lesen in stillem Klosterstübli bei goldenem Rheinwein in grünen Römern .....
Aber die Glücklichen entrinnen auch dem. Sie drängen sich zwischen den flachen Weideninseln das mittleren Stromes durch. Unter der alten Baseler Brücke mit dem bunten Harlekinstürmchen geht's durch ein tiefgrünes Wasserthor ins Schweizerland. Fern die weißen Alpen wie Zuckerhütchen am Horizont. Aber ein letzter Ansturm. Gegen den Boden¬ see hemmt ein zu gewaltiger Wasserfall, der Schaffhausener. Der geht über die Kraft. Wohl springen Pilgerin und Pilgersmann mit all ihrer süßen Liebesfracht vor kleinerem Hemmnis wie die geschulten Cirkusfische. Den Schwanz gegen einen Stein aufgestützt -- und ritsch empor, -- sechs Meter Bogen und drei Meter hoch, wie die Würmer eines Limburger
einer Brüderſchaft aus antediluvialer Zeit, deren Moralkodex mit ungeheurer Verachtung auf die paar tauſend Jahre menſch¬ licher Sittenlehren herabblickt. Eine alte dicke Pilgerin ſchwimmt voran und der Reſt geht zweizeilig in Keilarmen, wie die Wildgänſe, hinterdrein. Erſt ſpäter kommen in gleichem Zere¬ moniell die Ritter, die Milchner.
In unabläſſig geradem Tempo geht es rheinaufwärts. An den holländiſchen Lehmufern lang, am heiligen Köln mit ſeinen hundert Bimmelglocken und Heiligenknochen vorbei, im Bogen um Nonnenwerth, durch das gelbgrün geſtreifte Spiegel¬ bild der Weinberge, eng gedrängt um den Mäuſeturm. Überall Verluſte. Hier wird im wilden Anſturm ein Netz geſprengt. Aber dort hält eins aus. Grimme Läſtrygonen fiſchen von oben her nach den Genoſſen des Dulders Odyſſeus. Es giebt da oben nicht bloß Heiligkeit. Der Lachs hungert im Süßwaſſer um der Liebe willen. Aber der böſe Menſch hungert nach dem köſtlichen Lachsfleiſch, das jetzt gerade, bei dieſen aufwärts ſchwimmenden Pilgern, die ganze Maſt des Meeres mitbringt und das königliche Rot zeigt, dieſes Rot eines alten Bücherſchnittes, wenn der rieſige Leib zerteilt liegt. Ein koſtbares Buch, gut zu leſen in ſtillem Kloſterſtübli bei goldenem Rheinwein in grünen Römern .....
Aber die Glücklichen entrinnen auch dem. Sie drängen ſich zwiſchen den flachen Weideninſeln das mittleren Stromes durch. Unter der alten Baſeler Brücke mit dem bunten Harlekinstürmchen geht's durch ein tiefgrünes Waſſerthor ins Schweizerland. Fern die weißen Alpen wie Zuckerhütchen am Horizont. Aber ein letzter Anſturm. Gegen den Boden¬ ſee hemmt ein zu gewaltiger Waſſerfall, der Schaffhauſener. Der geht über die Kraft. Wohl ſpringen Pilgerin und Pilgersmann mit all ihrer ſüßen Liebesfracht vor kleinerem Hemmnis wie die geſchulten Cirkusfiſche. Den Schwanz gegen einen Stein aufgeſtützt — und ritſch empor, — ſechs Meter Bogen und drei Meter hoch, wie die Würmer eines Limburger
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einer Brüderſchaft aus antediluvialer Zeit, deren Moralkodex
mit ungeheurer Verachtung auf die paar tauſend Jahre menſch¬
licher Sittenlehren herabblickt. Eine alte dicke Pilgerin ſchwimmt
voran und der Reſt geht zweizeilig in Keilarmen, wie die
Wildgänſe, hinterdrein. Erſt ſpäter kommen in gleichem Zere¬
moniell die Ritter, die Milchner.
In unabläſſig geradem Tempo geht es rheinaufwärts.
An den holländiſchen Lehmufern lang, am heiligen Köln mit
ſeinen hundert Bimmelglocken und Heiligenknochen vorbei, im
Bogen um Nonnenwerth, durch das gelbgrün geſtreifte Spiegel¬
bild der Weinberge, eng gedrängt um den Mäuſeturm. Überall
Verluſte. Hier wird im wilden Anſturm ein Netz geſprengt.
Aber dort hält eins aus. Grimme Läſtrygonen fiſchen von
oben her nach den Genoſſen des Dulders Odyſſeus. Es
giebt da oben nicht bloß Heiligkeit. Der Lachs hungert im
Süßwaſſer um der Liebe willen. Aber der böſe Menſch
hungert nach dem köſtlichen Lachsfleiſch, das jetzt gerade, bei
dieſen aufwärts ſchwimmenden Pilgern, die ganze Maſt des
Meeres mitbringt und das königliche Rot zeigt, dieſes Rot
eines alten Bücherſchnittes, wenn der rieſige Leib zerteilt liegt.
Ein koſtbares Buch, gut zu leſen in ſtillem Kloſterſtübli bei
goldenem Rheinwein in grünen Römern .....
Aber die Glücklichen entrinnen auch dem. Sie drängen
ſich zwiſchen den flachen Weideninſeln das mittleren Stromes
durch. Unter der alten Baſeler Brücke mit dem bunten
Harlekinstürmchen geht's durch ein tiefgrünes Waſſerthor ins
Schweizerland. Fern die weißen Alpen wie Zuckerhütchen
am Horizont. Aber ein letzter Anſturm. Gegen den Boden¬
ſee hemmt ein zu gewaltiger Waſſerfall, der Schaffhauſener.
Der geht über die Kraft. Wohl ſpringen Pilgerin und
Pilgersmann mit all ihrer ſüßen Liebesfracht vor kleinerem
Hemmnis wie die geſchulten Cirkusfiſche. Den Schwanz gegen
einen Stein aufgeſtützt — und ritſch empor, — ſechs Meter
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/237>, abgerufen am 28.11.2024.
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