stilzchen war ja eben nur eine einzige Zelle, das eine gleich einer Samenzelle, das andere gleich einer Eizelle.
Erst später kam der Zustand als weitere Entwickelungs¬ stufe auf, daß solche einzelligen Rumpelstilze sich gewohnheits¬ mäßig zu dicken Genossenschaften zusammenthaten. Es bildeten sich Zellklumpen, die nach und nach zu regelrechten höheren Individuen auswuchsen. Und erst bei diesen Zellklumpen jetzt trat der Brauch ein, das Liebes-Individuum nicht mehr ganz durch Mischung zu bilden, sondern das Geschäft der Mischung gewissen gleichsam damit beauftragten Zellen beider Verbände zu überlassen. Es hing das wieder mit dem großen Prinzip der Arbeitsteilung zusammen, das in diesen Zellgenossenschaften alsbald eine so große Rolle zu spielen begann. Die einen Zellen der Genossenschaft legten sich ja bloß aufs Fressen, die anderen aufs Rudern oder Verteidigen und so fort, alle aber so, daß die Genossenschaft mit davon profitierte. Auf diesem Wege ist auch dein verwickelter Menschenleib schließlich ent¬ standen mit all seinen Organen, -- eine riesige Zellgenossen¬ schaft, in der eine Zellgruppe hauptsächlich atmet (die Lunge), eine verdaut (der Darm), eine den äußerlichen schützenden Abschluß bildet (die Haut), und so weiter. Sehr früh, und noch zu einer Zeit, da du als Mensch vorläufig noch in ganz niedrigen Tieren, Zellklumpen anfänglichster Art, stecktest, ist im Gefolge solcher Arbeitsteilung eine Gruppe von Zellen in jeder Genossenschaft zu besonderen Mischliebeszellen gleichsam delegiert worden. Von Zeit zu Zeit wurden sie einfach aus dem Verbande mehr oder minder grob herausgeworfen, jede einzeln für sich, und mit dem ausgesprochenen Sinn, daß sie sich ebensolche Ausgesandte eines anderen Verbandes zur Mischliebe suchen sollten. Einmal im Freien allein, unab¬ hängig, fühlte jede dieser Externzellen sich wirklich auf den Urzustand des einsamen Rumpelstilzchens zurückversetzt. Sie wanderte nach deren altem Brauch oder wartete, bis so oder so eine fremde Genossenschaftsdelegierte sich zu ihr fand, --
ſtilzchen war ja eben nur eine einzige Zelle, das eine gleich einer Samenzelle, das andere gleich einer Eizelle.
Erſt ſpäter kam der Zuſtand als weitere Entwickelungs¬ ſtufe auf, daß ſolche einzelligen Rumpelſtilze ſich gewohnheits¬ mäßig zu dicken Genoſſenſchaften zuſammenthaten. Es bildeten ſich Zellklumpen, die nach und nach zu regelrechten höheren Individuen auswuchſen. Und erſt bei dieſen Zellklumpen jetzt trat der Brauch ein, das Liebes-Individuum nicht mehr ganz durch Miſchung zu bilden, ſondern das Geſchäft der Miſchung gewiſſen gleichſam damit beauftragten Zellen beider Verbände zu überlaſſen. Es hing das wieder mit dem großen Prinzip der Arbeitsteilung zuſammen, das in dieſen Zellgenoſſenſchaften alsbald eine ſo große Rolle zu ſpielen begann. Die einen Zellen der Genoſſenſchaft legten ſich ja bloß aufs Freſſen, die anderen aufs Rudern oder Verteidigen und ſo fort, alle aber ſo, daß die Genoſſenſchaft mit davon profitierte. Auf dieſem Wege iſt auch dein verwickelter Menſchenleib ſchließlich ent¬ ſtanden mit all ſeinen Organen, — eine rieſige Zellgenoſſen¬ ſchaft, in der eine Zellgruppe hauptſächlich atmet (die Lunge), eine verdaut (der Darm), eine den äußerlichen ſchützenden Abſchluß bildet (die Haut), und ſo weiter. Sehr früh, und noch zu einer Zeit, da du als Menſch vorläufig noch in ganz niedrigen Tieren, Zellklumpen anfänglichſter Art, ſteckteſt, iſt im Gefolge ſolcher Arbeitsteilung eine Gruppe von Zellen in jeder Genoſſenſchaft zu beſonderen Miſchliebeszellen gleichſam delegiert worden. Von Zeit zu Zeit wurden ſie einfach aus dem Verbande mehr oder minder grob herausgeworfen, jede einzeln für ſich, und mit dem ausgeſprochenen Sinn, daß ſie ſich ebenſolche Ausgeſandte eines anderen Verbandes zur Miſchliebe ſuchen ſollten. Einmal im Freien allein, unab¬ hängig, fühlte jede dieſer Externzellen ſich wirklich auf den Urzuſtand des einſamen Rumpelſtilzchens zurückverſetzt. Sie wanderte nach deren altem Brauch oder wartete, bis ſo oder ſo eine fremde Genoſſenſchaftsdelegierte ſich zu ihr fand, —
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ſtilzchen war ja eben nur eine einzige Zelle, das eine gleich
einer Samenzelle, das andere gleich einer Eizelle.
Erſt ſpäter kam der Zuſtand als weitere Entwickelungs¬
ſtufe auf, daß ſolche einzelligen Rumpelſtilze ſich gewohnheits¬
mäßig zu dicken Genoſſenſchaften zuſammenthaten. Es bildeten
ſich Zellklumpen, die nach und nach zu regelrechten höheren
Individuen auswuchſen. Und erſt bei dieſen Zellklumpen jetzt
trat der Brauch ein, das Liebes-Individuum nicht mehr ganz
durch Miſchung zu bilden, ſondern das Geſchäft der Miſchung
gewiſſen gleichſam damit beauftragten Zellen beider Verbände
zu überlaſſen. Es hing das wieder mit dem großen Prinzip
der Arbeitsteilung zuſammen, das in dieſen Zellgenoſſenſchaften
alsbald eine ſo große Rolle zu ſpielen begann. Die einen
Zellen der Genoſſenſchaft legten ſich ja bloß aufs Freſſen, die
anderen aufs Rudern oder Verteidigen und ſo fort, alle aber
ſo, daß die Genoſſenſchaft mit davon profitierte. Auf dieſem
Wege iſt auch dein verwickelter Menſchenleib ſchließlich ent¬
ſtanden mit all ſeinen Organen, — eine rieſige Zellgenoſſen¬
ſchaft, in der eine Zellgruppe hauptſächlich atmet (die Lunge),
eine verdaut (der Darm), eine den äußerlichen ſchützenden
Abſchluß bildet (die Haut), und ſo weiter. Sehr früh, und
noch zu einer Zeit, da du als Menſch vorläufig noch in ganz
niedrigen Tieren, Zellklumpen anfänglichſter Art, ſteckteſt, iſt im
Gefolge ſolcher Arbeitsteilung eine Gruppe von Zellen in
jeder Genoſſenſchaft zu beſonderen Miſchliebeszellen gleichſam
delegiert worden. Von Zeit zu Zeit wurden ſie einfach aus
dem Verbande mehr oder minder grob herausgeworfen, jede
einzeln für ſich, und mit dem ausgeſprochenen Sinn, daß ſie
ſich ebenſolche Ausgeſandte eines anderen Verbandes zur
Miſchliebe ſuchen ſollten. Einmal im Freien allein, unab¬
hängig, fühlte jede dieſer Externzellen ſich wirklich auf den
Urzuſtand des einſamen Rumpelſtilzchens zurückverſetzt. Sie
wanderte nach deren altem Brauch oder wartete, bis ſo oder
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/206>, abgerufen am 23.11.2024.
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