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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Banyanenbaum magst du dich freilich hundert Jahre lang legen
und auf Antwort warten, er wird es dir so nicht sagen. In
die schwarzen Urwasser mußt du dich werfen und durch Jahr¬
millionen tauchen. Bis Koralleninseln ragen im blauen Meere
Schwabens und der Ichthyosaurus dich umschwimmt. Und
noch weiter zurück.

In jenen Tagen wurde der Grund gelegt zu dem, was
wir Menschen heute als Mischliebe noch vor uns, noch in uns
und durch uns haben. Und durchaus mit jener frühen
Fundamentlegung hängen noch jetzt alle die Dinge zusammen,
die dich weisen Buddha wie Teufelsfratzen auf deinem Liebes¬
lager umstarren.

[Abbildung]

Die erste Absurdität, die sich äußerst friedlich so löst, ist
die ungeheure Samen- und Eierverschwendung. Du bist nicht
als fertiges Kunstwerk aus dem Atelier eines himmlischen
Phidias hervorgegangen. Deine Jugend lag bei den Rumpel¬
stilzchen. Du erinnerst dich, was ich dir von denen erzählt
habe. Jeder dieser Ur-Rumpelstilze, in denen während eines
gewissen ersten Aktes der Lebensgeschichte auch der Mensch noch
restlos steckte, bestand nur aus einer einzigen Zelle, statt der
Milliarden, die jetzt deinen Leib bauen. Wollten zwei Rumpel¬
stilze ein echtes Liebes-Individuum mit Mischliebe bilden, so
blieb ihnen keine andere Wahl, als ganz miteinander zu ver¬
schmelzen, Leib mit Leib. Wie wenn du und deine Liebste
zusammenschmölzen und das Verschmelzungsprodukt wäre jetzt
das Kind. Die beiden machten einfach, was in deinem Misch¬
akt Samenzelle und Eizelle vollführen. Denn jedes Rumpel¬

Banyanenbaum magſt du dich freilich hundert Jahre lang legen
und auf Antwort warten, er wird es dir ſo nicht ſagen. In
die ſchwarzen Urwaſſer mußt du dich werfen und durch Jahr¬
millionen tauchen. Bis Koralleninſeln ragen im blauen Meere
Schwabens und der Ichthyoſaurus dich umſchwimmt. Und
noch weiter zurück.

In jenen Tagen wurde der Grund gelegt zu dem, was
wir Menſchen heute als Miſchliebe noch vor uns, noch in uns
und durch uns haben. Und durchaus mit jener frühen
Fundamentlegung hängen noch jetzt alle die Dinge zuſammen,
die dich weiſen Buddha wie Teufelsfratzen auf deinem Liebes¬
lager umſtarren.

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Die erſte Abſurdität, die ſich äußerſt friedlich ſo löſt, iſt
die ungeheure Samen- und Eierverſchwendung. Du biſt nicht
als fertiges Kunſtwerk aus dem Atelier eines himmliſchen
Phidias hervorgegangen. Deine Jugend lag bei den Rumpel¬
ſtilzchen. Du erinnerſt dich, was ich dir von denen erzählt
habe. Jeder dieſer Ur-Rumpelſtilze, in denen während eines
gewiſſen erſten Aktes der Lebensgeſchichte auch der Menſch noch
reſtlos ſteckte, beſtand nur aus einer einzigen Zelle, ſtatt der
Milliarden, die jetzt deinen Leib bauen. Wollten zwei Rumpel¬
ſtilze ein echtes Liebes-Individuum mit Miſchliebe bilden, ſo
blieb ihnen keine andere Wahl, als ganz miteinander zu ver¬
ſchmelzen, Leib mit Leib. Wie wenn du und deine Liebſte
zuſammenſchmölzen und das Verſchmelzungsprodukt wäre jetzt
das Kind. Die beiden machten einfach, was in deinem Miſch¬
akt Samenzelle und Eizelle vollführen. Denn jedes Rumpel¬

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[189/0205] Banyanenbaum magſt du dich freilich hundert Jahre lang legen und auf Antwort warten, er wird es dir ſo nicht ſagen. In die ſchwarzen Urwaſſer mußt du dich werfen und durch Jahr¬ millionen tauchen. Bis Koralleninſeln ragen im blauen Meere Schwabens und der Ichthyoſaurus dich umſchwimmt. Und noch weiter zurück. In jenen Tagen wurde der Grund gelegt zu dem, was wir Menſchen heute als Miſchliebe noch vor uns, noch in uns und durch uns haben. Und durchaus mit jener frühen Fundamentlegung hängen noch jetzt alle die Dinge zuſammen, die dich weiſen Buddha wie Teufelsfratzen auf deinem Liebes¬ lager umſtarren. [Abbildung] Die erſte Abſurdität, die ſich äußerſt friedlich ſo löſt, iſt die ungeheure Samen- und Eierverſchwendung. Du biſt nicht als fertiges Kunſtwerk aus dem Atelier eines himmliſchen Phidias hervorgegangen. Deine Jugend lag bei den Rumpel¬ ſtilzchen. Du erinnerſt dich, was ich dir von denen erzählt habe. Jeder dieſer Ur-Rumpelſtilze, in denen während eines gewiſſen erſten Aktes der Lebensgeſchichte auch der Menſch noch reſtlos ſteckte, beſtand nur aus einer einzigen Zelle, ſtatt der Milliarden, die jetzt deinen Leib bauen. Wollten zwei Rumpel¬ ſtilze ein echtes Liebes-Individuum mit Miſchliebe bilden, ſo blieb ihnen keine andere Wahl, als ganz miteinander zu ver¬ ſchmelzen, Leib mit Leib. Wie wenn du und deine Liebſte zuſammenſchmölzen und das Verſchmelzungsprodukt wäre jetzt das Kind. Die beiden machten einfach, was in deinem Miſch¬ akt Samenzelle und Eizelle vollführen. Denn jedes Rumpel¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/205>, abgerufen am 23.11.2024.