das Absurde geschaffen, sondern die Absurdität hat ihn zwischen ihre Gespensterschenkel gepreßt wie der Währwolf der Sage und den Keuchenden zu Schanden geritten. O, er hat gekämpft dagegen, dieser Mensch, -- genug gekämpft für sein Teil.
Schlage das ungeheure Buch auf, die wahre Bibel: die Kulturgeschichte. Da siehst du grell genug den Moment, da in dem Menschen dunkel etwas aufschauerte. Ein dumpfes Ahnen von einem Zweierlei. Dem wahren heiligen Zeugungs¬ akt. Und der wilden Jagd nach einem noch besonders vor¬ handenen Seligkeitsrausch, der in Millionen Fällen die Lebens¬ welle ins Blaue, ins Nichts verthat. Das kam wie ein furchtbares Erschrecken. Sicher wohl ist es zuerst vor jenen ganz sinnlosen Akten der Onanie und Päderastie aufgeblitzt. Dann aber wühlte es weiter. Umspann mit seiner Frage auch Mann und Weib. Hier geht die Schrift in blutigen Lettern weiter.
Der Mensch im Meer des Widerspruchs griff nach einer Planke. Er schuf sich einen Sinn. Die Wollust war ihm auf einmal Satanswerk, eine Zuthat des Teufels, die Gottes Lebenswerk umlagerte. Wollust hieß Sünde. Wo sie ohne den Zeugungsakt aufwallte, da reckte Satanas vor allem sichtbar die Klaue vor. Und wer ihr nachgab, wer sie nur nannte als etwas Seliges, -- der stürzte in schwarzer Sünde von Fall zu Fall, durch alle Stockwerke moralischer, sozialer Ver¬ achtung. Die rote Hölle brannte in der roten Sinnenglut. Von hier ist es gekommen, daß der Leib, der nackte Leib als Gefäß der Wollust schon zur Sünde, zum Sündenleibe wurde. Und schließlich kam dann doch auch von hier der tiefste Zweifel: wenn die Wollust Sünde war überall da, wo sie von der Zeugung getrennt auftrat: war sie dann nicht auch Sünde im Zeugungsakte selbst, -- und war dieser Akt nicht in sich ver¬ derbt, von der Sünde angefressen bis ins Mark, weil er nicht ohne sie bestehen konnte? Immer blutigere Schrift. Die Geißel des Asketen knattert, der sein Fleisch kasteit. Arme
das Abſurde geſchaffen, ſondern die Abſurdität hat ihn zwiſchen ihre Geſpenſterſchenkel gepreßt wie der Währwolf der Sage und den Keuchenden zu Schanden geritten. O, er hat gekämpft dagegen, dieſer Menſch, — genug gekämpft für ſein Teil.
Schlage das ungeheure Buch auf, die wahre Bibel: die Kulturgeſchichte. Da ſiehſt du grell genug den Moment, da in dem Menſchen dunkel etwas aufſchauerte. Ein dumpfes Ahnen von einem Zweierlei. Dem wahren heiligen Zeugungs¬ akt. Und der wilden Jagd nach einem noch beſonders vor¬ handenen Seligkeitsrauſch, der in Millionen Fällen die Lebens¬ welle ins Blaue, ins Nichts verthat. Das kam wie ein furchtbares Erſchrecken. Sicher wohl iſt es zuerſt vor jenen ganz ſinnloſen Akten der Onanie und Päderaſtie aufgeblitzt. Dann aber wühlte es weiter. Umſpann mit ſeiner Frage auch Mann und Weib. Hier geht die Schrift in blutigen Lettern weiter.
Der Menſch im Meer des Widerſpruchs griff nach einer Planke. Er ſchuf ſich einen Sinn. Die Wolluſt war ihm auf einmal Satanswerk, eine Zuthat des Teufels, die Gottes Lebenswerk umlagerte. Wolluſt hieß Sünde. Wo ſie ohne den Zeugungsakt aufwallte, da reckte Satanas vor allem ſichtbar die Klaue vor. Und wer ihr nachgab, wer ſie nur nannte als etwas Seliges, — der ſtürzte in ſchwarzer Sünde von Fall zu Fall, durch alle Stockwerke moraliſcher, ſozialer Ver¬ achtung. Die rote Hölle brannte in der roten Sinnenglut. Von hier iſt es gekommen, daß der Leib, der nackte Leib als Gefäß der Wolluſt ſchon zur Sünde, zum Sündenleibe wurde. Und ſchließlich kam dann doch auch von hier der tiefſte Zweifel: wenn die Wolluſt Sünde war überall da, wo ſie von der Zeugung getrennt auftrat: war ſie dann nicht auch Sünde im Zeugungsakte ſelbſt, — und war dieſer Akt nicht in ſich ver¬ derbt, von der Sünde angefreſſen bis ins Mark, weil er nicht ohne ſie beſtehen konnte? Immer blutigere Schrift. Die Geißel des Asketen knattert, der ſein Fleiſch kaſteit. Arme
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das Abſurde geſchaffen, ſondern die Abſurdität hat ihn zwiſchen
ihre Geſpenſterſchenkel gepreßt wie der Währwolf der Sage
und den Keuchenden zu Schanden geritten. O, er hat gekämpft
dagegen, dieſer Menſch, — genug gekämpft für ſein Teil.
Schlage das ungeheure Buch auf, die wahre Bibel: die
Kulturgeſchichte. Da ſiehſt du grell genug den Moment, da
in dem Menſchen dunkel etwas aufſchauerte. Ein dumpfes
Ahnen von einem Zweierlei. Dem wahren heiligen Zeugungs¬
akt. Und der wilden Jagd nach einem noch beſonders vor¬
handenen Seligkeitsrauſch, der in Millionen Fällen die Lebens¬
welle ins Blaue, ins Nichts verthat. Das kam wie ein
furchtbares Erſchrecken. Sicher wohl iſt es zuerſt vor jenen
ganz ſinnloſen Akten der Onanie und Päderaſtie aufgeblitzt.
Dann aber wühlte es weiter. Umſpann mit ſeiner Frage auch
Mann und Weib. Hier geht die Schrift in blutigen Lettern
weiter.
Der Menſch im Meer des Widerſpruchs griff nach einer
Planke. Er ſchuf ſich einen Sinn. Die Wolluſt war ihm
auf einmal Satanswerk, eine Zuthat des Teufels, die Gottes
Lebenswerk umlagerte. Wolluſt hieß Sünde. Wo ſie ohne den
Zeugungsakt aufwallte, da reckte Satanas vor allem ſichtbar
die Klaue vor. Und wer ihr nachgab, wer ſie nur nannte
als etwas Seliges, — der ſtürzte in ſchwarzer Sünde von
Fall zu Fall, durch alle Stockwerke moraliſcher, ſozialer Ver¬
achtung. Die rote Hölle brannte in der roten Sinnenglut.
Von hier iſt es gekommen, daß der Leib, der nackte Leib als
Gefäß der Wolluſt ſchon zur Sünde, zum Sündenleibe wurde.
Und ſchließlich kam dann doch auch von hier der tiefſte Zweifel:
wenn die Wolluſt Sünde war überall da, wo ſie von der
Zeugung getrennt auftrat: war ſie dann nicht auch Sünde im
Zeugungsakte ſelbſt, — und war dieſer Akt nicht in ſich ver¬
derbt, von der Sünde angefreſſen bis ins Mark, weil er nicht
ohne ſie beſtehen konnte? Immer blutigere Schrift. Die
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/197>, abgerufen am 22.11.2024.
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