daß dem schlichten großen Zweck die größte Schlichtheit und Sicherheit des Mittels entsprach.
Nun aber gegen alles das, welcher Kontrast der Thatsachen.
Du betrachtest die Eierstöcke eines jungen, reifenden Mädchens. Es ging erst auf das Morgenrot seiner Liebe zu, und so erwartest du die noch unberührte Anlage zu jenen ganzen zwanzig Eiern, etwa zehn am rechten Eierstock und zehn am linken.
Und du findest statt der zehn jederseits sechsunddreißig¬ tausend, -- also im ganzen zweiundsiebzigtausend vor¬ bereitete Eier.
Selbst bei einem Weibe, das zwanzig lebendige Kinder in die Welt setzt, immer einundsiebzigtausendneunhundertundachtzig Eier zu viel! Das Loos dieser Überzähligen kann selbst in diesem günstigsten Falle kein anderes sein als Vernichtung noch im Mutterleibe. Und wir sehen deutlich genug die Wege dieser Vernichtung. Weitaus die größte Masse verkümmert und zer¬ geht schon am Eierstocke selbst wie taube Beeren. Ein Teil aber stirbt, obwohl ausgereift, noch gerade vor dem Hauptpunkt durch jenen seltsamen Prozeß ab, der sich äußerlich in der Menstruation des unbefruchteten Weibes vor Augen stellt. Ganz unbekümmert darum, ob nun wirklich männliche Samenzellen von der Geschlechtspforte her eingeführt werden oder nicht, vollführt nämlich der Weibesleib jene oben schon einmal be¬ rührte automatische Handlung, daß er mindestens jeden Monat einmal ein Ei am Eierstock voll ausreifen und sich loslösen läßt. Es geschieht gleichsam auf den möglichen Fall einer Befruchtung hin. Kommt jetzt gerade eine Samenzelle, so ist die Sache geglückt. Aber in unzähligen Fällen glückt sie eben nicht. Es tritt statt einer Befruchtung und beginnenden Schwangerschaft das ein, was wir Menstruation nennen. Und das reife, losgelöste Ei stirbt dabei ebenso unbefriedigt ab, wie jene anderen verkümmernden am Eierstock selbst. Die Menstruation
daß dem ſchlichten großen Zweck die größte Schlichtheit und Sicherheit des Mittels entſprach.
Nun aber gegen alles das, welcher Kontraſt der Thatſachen.
Du betrachteſt die Eierſtöcke eines jungen, reifenden Mädchens. Es ging erſt auf das Morgenrot ſeiner Liebe zu, und ſo erwarteſt du die noch unberührte Anlage zu jenen ganzen zwanzig Eiern, etwa zehn am rechten Eierſtock und zehn am linken.
Und du findeſt ſtatt der zehn jederſeits ſechsunddreißig¬ tauſend, — alſo im ganzen zweiundſiebzigtauſend vor¬ bereitete Eier.
Selbſt bei einem Weibe, das zwanzig lebendige Kinder in die Welt ſetzt, immer einundſiebzigtauſendneunhundertundachtzig Eier zu viel! Das Loos dieſer Überzähligen kann ſelbſt in dieſem günſtigſten Falle kein anderes ſein als Vernichtung noch im Mutterleibe. Und wir ſehen deutlich genug die Wege dieſer Vernichtung. Weitaus die größte Maſſe verkümmert und zer¬ geht ſchon am Eierſtocke ſelbſt wie taube Beeren. Ein Teil aber ſtirbt, obwohl ausgereift, noch gerade vor dem Hauptpunkt durch jenen ſeltſamen Prozeß ab, der ſich äußerlich in der Menſtruation des unbefruchteten Weibes vor Augen ſtellt. Ganz unbekümmert darum, ob nun wirklich männliche Samenzellen von der Geſchlechtspforte her eingeführt werden oder nicht, vollführt nämlich der Weibesleib jene oben ſchon einmal be¬ rührte automatiſche Handlung, daß er mindeſtens jeden Monat einmal ein Ei am Eierſtock voll ausreifen und ſich loslöſen läßt. Es geſchieht gleichſam auf den möglichen Fall einer Befruchtung hin. Kommt jetzt gerade eine Samenzelle, ſo iſt die Sache geglückt. Aber in unzähligen Fällen glückt ſie eben nicht. Es tritt ſtatt einer Befruchtung und beginnenden Schwangerſchaft das ein, was wir Menſtruation nennen. Und das reife, losgelöſte Ei ſtirbt dabei ebenſo unbefriedigt ab, wie jene anderen verkümmernden am Eierſtock ſelbſt. Die Menſtruation
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daß dem ſchlichten großen Zweck die größte Schlichtheit und
Sicherheit des Mittels entſprach.
Nun aber gegen alles das, welcher Kontraſt der
Thatſachen.
Du betrachteſt die Eierſtöcke eines jungen, reifenden
Mädchens. Es ging erſt auf das Morgenrot ſeiner Liebe zu,
und ſo erwarteſt du die noch unberührte Anlage zu jenen
ganzen zwanzig Eiern, etwa zehn am rechten Eierſtock und
zehn am linken.
Und du findeſt ſtatt der zehn jederſeits ſechsunddreißig¬
tauſend, — alſo im ganzen zweiundſiebzigtauſend vor¬
bereitete Eier.
Selbſt bei einem Weibe, das zwanzig lebendige Kinder
in die Welt ſetzt, immer einundſiebzigtauſendneunhundertundachtzig
Eier zu viel! Das Loos dieſer Überzähligen kann ſelbſt in
dieſem günſtigſten Falle kein anderes ſein als Vernichtung noch
im Mutterleibe. Und wir ſehen deutlich genug die Wege dieſer
Vernichtung. Weitaus die größte Maſſe verkümmert und zer¬
geht ſchon am Eierſtocke ſelbſt wie taube Beeren. Ein Teil aber
ſtirbt, obwohl ausgereift, noch gerade vor dem Hauptpunkt
durch jenen ſeltſamen Prozeß ab, der ſich äußerlich in der
Menſtruation des unbefruchteten Weibes vor Augen ſtellt. Ganz
unbekümmert darum, ob nun wirklich männliche Samenzellen
von der Geſchlechtspforte her eingeführt werden oder nicht,
vollführt nämlich der Weibesleib jene oben ſchon einmal be¬
rührte automatiſche Handlung, daß er mindeſtens jeden Monat
einmal ein Ei am Eierſtock voll ausreifen und ſich loslöſen
läßt. Es geſchieht gleichſam auf den möglichen Fall einer
Befruchtung hin. Kommt jetzt gerade eine Samenzelle, ſo iſt
die Sache geglückt. Aber in unzähligen Fällen glückt ſie eben
nicht. Es tritt ſtatt einer Befruchtung und beginnenden
Schwangerſchaft das ein, was wir Menſtruation nennen. Und das
reife, losgelöſte Ei ſtirbt dabei ebenſo unbefriedigt ab, wie jene
anderen verkümmernden am Eierſtock ſelbſt. Die Menſtruation
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/186>, abgerufen am 22.11.2024.
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