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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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daß jede lebendig in der anderen aufgeht, -- nach dem
Prinzip, wie zwei Tropfen bei einer bestimmten Höhe der
Annäherung blitzschnell ineinander fließen und fortan einen
einheitlichen neuen Tropfen bilden. Die ganze Begattung der
beiden großen Liebespersonen Mann und Weib ist aber auch
bei höchster und reinster Vollendung noch nicht im stande, die
letzte Distance zwischen der Samenzelle und Eizelle zu über¬
winden, sie verringert sie nur auf das ihr erreichbare Mindest¬
maß; das allerletzte Distanceteilchen im Inneren des Weibes
haben dann Eizelle und Samenzelle noch für sich zu nehmen.

Aus diesem äußersten Sachverhalt erhellt also sonnenklar,
daß auf der feinsten Goldwage selbst das, was wir Menschen
seit Jahrtausenden für die absolute Geschlechtsmischung halten:
der für unser seelisches und körperliches Erkennen vollendete
Geschlechtsakt zwischen Manneskörper und Weibeskörper, als
solcher noch immer innerhalb der Distanceliebe ist.

Es ergiebt sich das ja noch besonders gut aus den zahllosen
Fällen, wo gerade jene Restdistance zwischen Samenzelle und
Eizelle trotz sonst vollendeten Aktes doch nicht mehr genommen
wird, also dieses letzte Spannlein Distance die ganze Mischung
wirklich noch vereitelt. Es tritt das ein, wenn die Samenzellen
absterben, ehe sie eine Eizelle erreicht haben, -- sei es nun,
daß sie sie nicht früh genug finden konnten oder daß gerade
gar keine reife Eizelle vom Eierstock her ihnen entgegen ge¬
wandert war. Und es ist ebenso mit der größten Leichtigkeit
absichtlich hervorzurufen durch irgend eine beim Akt künstlich ge¬
zogene Trennungsschranke, die gerade auf jenem äußersten Ge¬
biet noch die Samentierchen an ihrer wirklichen Wanderung zur
Eizelle hindert. Die dünne Scheidewand einer Fischblase genügt
bekanntlich vollkommen, um noch während des Geschlechtsaktes
diese haarscharfe Schranke vollgültig aufzurichten. Und du
begreifst: besonders in diesem letzteren Falle bleibt der ganze
Akt also genau so Distanceliebe, wie wenn der Mann in
Amerika und das Weib in Europa säße.

daß jede lebendig in der anderen aufgeht, — nach dem
Prinzip, wie zwei Tropfen bei einer beſtimmten Höhe der
Annäherung blitzſchnell ineinander fließen und fortan einen
einheitlichen neuen Tropfen bilden. Die ganze Begattung der
beiden großen Liebesperſonen Mann und Weib iſt aber auch
bei höchſter und reinſter Vollendung noch nicht im ſtande, die
letzte Diſtance zwiſchen der Samenzelle und Eizelle zu über¬
winden, ſie verringert ſie nur auf das ihr erreichbare Mindeſt¬
maß; das allerletzte Diſtanceteilchen im Inneren des Weibes
haben dann Eizelle und Samenzelle noch für ſich zu nehmen.

Aus dieſem äußerſten Sachverhalt erhellt alſo ſonnenklar,
daß auf der feinſten Goldwage ſelbſt das, was wir Menſchen
ſeit Jahrtauſenden für die abſolute Geſchlechtsmiſchung halten:
der für unſer ſeeliſches und körperliches Erkennen vollendete
Geſchlechtsakt zwiſchen Manneskörper und Weibeskörper, als
ſolcher noch immer innerhalb der Diſtanceliebe iſt.

Es ergiebt ſich das ja noch beſonders gut aus den zahlloſen
Fällen, wo gerade jene Reſtdiſtance zwiſchen Samenzelle und
Eizelle trotz ſonſt vollendeten Aktes doch nicht mehr genommen
wird, alſo dieſes letzte Spannlein Diſtance die ganze Miſchung
wirklich noch vereitelt. Es tritt das ein, wenn die Samenzellen
abſterben, ehe ſie eine Eizelle erreicht haben, — ſei es nun,
daß ſie ſie nicht früh genug finden konnten oder daß gerade
gar keine reife Eizelle vom Eierſtock her ihnen entgegen ge¬
wandert war. Und es iſt ebenſo mit der größten Leichtigkeit
abſichtlich hervorzurufen durch irgend eine beim Akt künſtlich ge¬
zogene Trennungsſchranke, die gerade auf jenem äußerſten Ge¬
biet noch die Samentierchen an ihrer wirklichen Wanderung zur
Eizelle hindert. Die dünne Scheidewand einer Fiſchblaſe genügt
bekanntlich vollkommen, um noch während des Geſchlechtsaktes
dieſe haarſcharfe Schranke vollgültig aufzurichten. Und du
begreifſt: beſonders in dieſem letzteren Falle bleibt der ganze
Akt alſo genau ſo Diſtanceliebe, wie wenn der Mann in
Amerika und das Weib in Europa ſäße.

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[153/0169] daß jede lebendig in der anderen aufgeht, — nach dem Prinzip, wie zwei Tropfen bei einer beſtimmten Höhe der Annäherung blitzſchnell ineinander fließen und fortan einen einheitlichen neuen Tropfen bilden. Die ganze Begattung der beiden großen Liebesperſonen Mann und Weib iſt aber auch bei höchſter und reinſter Vollendung noch nicht im ſtande, die letzte Diſtance zwiſchen der Samenzelle und Eizelle zu über¬ winden, ſie verringert ſie nur auf das ihr erreichbare Mindeſt¬ maß; das allerletzte Diſtanceteilchen im Inneren des Weibes haben dann Eizelle und Samenzelle noch für ſich zu nehmen. Aus dieſem äußerſten Sachverhalt erhellt alſo ſonnenklar, daß auf der feinſten Goldwage ſelbſt das, was wir Menſchen ſeit Jahrtauſenden für die abſolute Geſchlechtsmiſchung halten: der für unſer ſeeliſches und körperliches Erkennen vollendete Geſchlechtsakt zwiſchen Manneskörper und Weibeskörper, als ſolcher noch immer innerhalb der Diſtanceliebe iſt. Es ergiebt ſich das ja noch beſonders gut aus den zahlloſen Fällen, wo gerade jene Reſtdiſtance zwiſchen Samenzelle und Eizelle trotz ſonſt vollendeten Aktes doch nicht mehr genommen wird, alſo dieſes letzte Spannlein Diſtance die ganze Miſchung wirklich noch vereitelt. Es tritt das ein, wenn die Samenzellen abſterben, ehe ſie eine Eizelle erreicht haben, — ſei es nun, daß ſie ſie nicht früh genug finden konnten oder daß gerade gar keine reife Eizelle vom Eierſtock her ihnen entgegen ge¬ wandert war. Und es iſt ebenſo mit der größten Leichtigkeit abſichtlich hervorzurufen durch irgend eine beim Akt künſtlich ge¬ zogene Trennungsſchranke, die gerade auf jenem äußerſten Ge¬ biet noch die Samentierchen an ihrer wirklichen Wanderung zur Eizelle hindert. Die dünne Scheidewand einer Fiſchblaſe genügt bekanntlich vollkommen, um noch während des Geſchlechtsaktes dieſe haarſcharfe Schranke vollgültig aufzurichten. Und du begreifſt: beſonders in dieſem letzteren Falle bleibt der ganze Akt alſo genau ſo Diſtanceliebe, wie wenn der Mann in Amerika und das Weib in Europa ſäße.

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/169>, abgerufen am 22.11.2024.