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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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deinen Magen und Darm im ganzen hinab. Dicht an deinem
Schlunde hängt da innen noch besonders etwas wie ein sepa¬
rater Sack, der gierig bloß Luft saugt. Ein doppelter Sack,
nach rechts und links in dich hinein je ein Zipfel.

Deine Lunge.

Kein Zweifel: auch sie ist eine Art Darm im Kleinen.
Ein Ernährungsapparat. Du brauchst ja als lebendes Wesen
nicht bloß flüssige und feste Nährstoffe, die dein echter Darm in
Körperkraft umsetzt. Du brauchst auch Luft. Und da du Tier
bist, brauchst du Sauerstoff. Die Wände deiner Lunge besorgen
diese Art Verdauung, die Luft-Verdauung. Freilich: dieser
Luft-Magen hat bei dir keinen After hinten wie der echte
Verdauungsmagen, durch den er das Unbrauchbare, das Ex¬
krement gleichsam seiner Luftnahrung wieder hinausbefördern
könnte. Er muß das schlechte Luft-Exkrement, die unbrauchbare
Kohlensäure, durch dasselbe Mundloch, durch die er die Nähr-
Luft erhalten hat, auch wieder hinaus expedieren. Die Geschichte
dieses deines Luftdarmes, Lunge genannt, ist nun überaus
lehrreich zu deiner weiteren tierischen Einordnung jenseits des
Fisches.

Alle Wirbeltiere bis etwas über den Haifisch hinaus leben
ausschließlich im Wasser. Auch sie bedürfen dort des Sauer¬
stoffs. Aber sie nehmen ihn mit dem Wasser in sich auf, nicht
unmittelbar, wie du, bloß durch Verschlucken von Luft. So
tritt die Atmung hier in einer Weise zunächst auf, die gewisser¬
maßen noch mit dem einfachen großen Nahrungsdarm allein
auskommt. Das Maul säuft Wasser in sich hinein, direkt in
den alten Darmschlauch. Die vorderste Hälfte dieses Darmes
saugt aus dem Wasser die nötige Luftnahrung ebenso auf, wie
weiter hinten feste Nahrung verarbeitet und verdaut wird.
Löcher in den Seiten dieses Vorderdarmes lassen das über¬
flüssige Wasser einfach glatt wieder abfließen. Aus diesem
Prinzip, das schon bei einzelnen Würmern klar gegeben und
so schon jenem niedrigsten Amphioxus-Fisch überliefert ist, leitet

deinen Magen und Darm im ganzen hinab. Dicht an deinem
Schlunde hängt da innen noch beſonders etwas wie ein ſepa¬
rater Sack, der gierig bloß Luft ſaugt. Ein doppelter Sack,
nach rechts und links in dich hinein je ein Zipfel.

Deine Lunge.

Kein Zweifel: auch ſie iſt eine Art Darm im Kleinen.
Ein Ernährungsapparat. Du brauchſt ja als lebendes Weſen
nicht bloß flüſſige und feſte Nährſtoffe, die dein echter Darm in
Körperkraft umſetzt. Du brauchſt auch Luft. Und da du Tier
biſt, brauchſt du Sauerſtoff. Die Wände deiner Lunge beſorgen
dieſe Art Verdauung, die Luft-Verdauung. Freilich: dieſer
Luft-Magen hat bei dir keinen After hinten wie der echte
Verdauungsmagen, durch den er das Unbrauchbare, das Ex¬
krement gleichſam ſeiner Luftnahrung wieder hinausbefördern
könnte. Er muß das ſchlechte Luft-Exkrement, die unbrauchbare
Kohlenſäure, durch dasſelbe Mundloch, durch die er die Nähr-
Luft erhalten hat, auch wieder hinaus expedieren. Die Geſchichte
dieſes deines Luftdarmes, Lunge genannt, iſt nun überaus
lehrreich zu deiner weiteren tieriſchen Einordnung jenſeits des
Fiſches.

Alle Wirbeltiere bis etwas über den Haifiſch hinaus leben
ausſchließlich im Waſſer. Auch ſie bedürfen dort des Sauer¬
ſtoffs. Aber ſie nehmen ihn mit dem Waſſer in ſich auf, nicht
unmittelbar, wie du, bloß durch Verſchlucken von Luft. So
tritt die Atmung hier in einer Weiſe zunächſt auf, die gewiſſer¬
maßen noch mit dem einfachen großen Nahrungsdarm allein
auskommt. Das Maul ſäuft Waſſer in ſich hinein, direkt in
den alten Darmſchlauch. Die vorderſte Hälfte dieſes Darmes
ſaugt aus dem Waſſer die nötige Luftnahrung ebenſo auf, wie
weiter hinten feſte Nahrung verarbeitet und verdaut wird.
Löcher in den Seiten dieſes Vorderdarmes laſſen das über¬
flüſſige Waſſer einfach glatt wieder abfließen. Aus dieſem
Prinzip, das ſchon bei einzelnen Würmern klar gegeben und
ſo ſchon jenem niedrigſten Amphioxus-Fiſch überliefert iſt, leitet

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[86/0102] deinen Magen und Darm im ganzen hinab. Dicht an deinem Schlunde hängt da innen noch beſonders etwas wie ein ſepa¬ rater Sack, der gierig bloß Luft ſaugt. Ein doppelter Sack, nach rechts und links in dich hinein je ein Zipfel. Deine Lunge. Kein Zweifel: auch ſie iſt eine Art Darm im Kleinen. Ein Ernährungsapparat. Du brauchſt ja als lebendes Weſen nicht bloß flüſſige und feſte Nährſtoffe, die dein echter Darm in Körperkraft umſetzt. Du brauchſt auch Luft. Und da du Tier biſt, brauchſt du Sauerſtoff. Die Wände deiner Lunge beſorgen dieſe Art Verdauung, die Luft-Verdauung. Freilich: dieſer Luft-Magen hat bei dir keinen After hinten wie der echte Verdauungsmagen, durch den er das Unbrauchbare, das Ex¬ krement gleichſam ſeiner Luftnahrung wieder hinausbefördern könnte. Er muß das ſchlechte Luft-Exkrement, die unbrauchbare Kohlenſäure, durch dasſelbe Mundloch, durch die er die Nähr- Luft erhalten hat, auch wieder hinaus expedieren. Die Geſchichte dieſes deines Luftdarmes, Lunge genannt, iſt nun überaus lehrreich zu deiner weiteren tieriſchen Einordnung jenſeits des Fiſches. Alle Wirbeltiere bis etwas über den Haifiſch hinaus leben ausſchließlich im Waſſer. Auch ſie bedürfen dort des Sauer¬ ſtoffs. Aber ſie nehmen ihn mit dem Waſſer in ſich auf, nicht unmittelbar, wie du, bloß durch Verſchlucken von Luft. So tritt die Atmung hier in einer Weiſe zunächſt auf, die gewiſſer¬ maßen noch mit dem einfachen großen Nahrungsdarm allein auskommt. Das Maul ſäuft Waſſer in ſich hinein, direkt in den alten Darmſchlauch. Die vorderſte Hälfte dieſes Darmes ſaugt aus dem Waſſer die nötige Luftnahrung ebenſo auf, wie weiter hinten feſte Nahrung verarbeitet und verdaut wird. Löcher in den Seiten dieſes Vorderdarmes laſſen das über¬ flüſſige Waſſer einfach glatt wieder abfließen. Aus dieſem Prinzip, das ſchon bei einzelnen Würmern klar gegeben und ſo ſchon jenem niedrigſten Amphioxus-Fiſch überliefert iſt, leitet

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/102>, abgerufen am 22.11.2024.