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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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weil der Raum zwischen ihnen und uns unter die Gewalt der
Meilenmillion gelangt.

Jenseits der Meilen stehen gigantische Sonnen, von denen
das Licht in riesigen Strömen fließt -- fließt und fließt, bis
in die weitesten Weiten des Alls hinein. Es fließt unglaublich
rasch, dieses Licht: mit einer Geschwindigkeit von über vierzig¬
tausend Meilen in der Sekunde perlt sein Wellenschlag in den
Raum hinaus. Und doch braucht es vom nächsten dieser Fix¬
sterne schon vier ganze Jahre, um in unser Menschenauge auf
dem Sonnenplaneten Erde zu gelangen. Am Südhimmel, wo
das Sternbild des Kentauren flammt, strahlt dieser Stern,
der herrlichste und hellste aller Doppelsterne. Jene vier Licht¬
jahre sind entsprechend der Meilenzahl pro Sekunde mehrere
Billionen Meilen seines wahren Abstandes von uns. Und er
gilt von allen Myriaden Fixsternen des Firmaments für den
nächsten! Von andern gelangt das Licht erst nach Jahr¬
hunderten zu uns. Sie können heute, da wir sie sehen, längst
ganz anders ausschauen als damals, da der Lichtstrahl, der
uns jetzt endlich erreicht hat, von ihnen ausging. Und wenn
umgekehrt der schwache Glanz unserer Erde dort noch erspäht
werden sollte, so erscheint die Erde, wie sie vor Jahrzehnten,
vor Jahrhunderten war: ohne Eisenbahnen, ohne Eiffelturm,
ohne Suezkanal, mit der Insel Krakatau an der Sundastraße
vor der furchtbaren Vulkanexplosion, die sie 1883 in die Luft
sprengte. Vielleicht gehen die Entfernungen anderer Sterne
bis in die Tausende solcher Lichtjahre -- Jahre, deren jedes
dreihundertfünfundsechzig Tage zu vierundzwanzig Stunden hat,
die Stunde zu sechzig Minuten, die Minute zu sechzig Sekunden
-- und jede dieser Sekunden gleich vierzigtausend Meilen Ent¬
fernung gerechnet .... Bis vor kurzem gab man den soge¬
nannten Nebelflecken, wilden Gasmassen, die oft wie regelrechte
Embryonen erst werdender Weltsysteme ausschauen, solche Ab¬
stände. Heute ist man etwas in Skrupel, vielleicht sind uns
gerade diese formlosen Himmelsnebel zum Teil näher als wir

weil der Raum zwiſchen ihnen und uns unter die Gewalt der
Meilenmillion gelangt.

Jenſeits der Meilen ſtehen gigantiſche Sonnen, von denen
das Licht in rieſigen Strömen fließt — fließt und fließt, bis
in die weiteſten Weiten des Alls hinein. Es fließt unglaublich
raſch, dieſes Licht: mit einer Geſchwindigkeit von über vierzig¬
tauſend Meilen in der Sekunde perlt ſein Wellenſchlag in den
Raum hinaus. Und doch braucht es vom nächſten dieſer Fix¬
ſterne ſchon vier ganze Jahre, um in unſer Menſchenauge auf
dem Sonnenplaneten Erde zu gelangen. Am Südhimmel, wo
das Sternbild des Kentauren flammt, ſtrahlt dieſer Stern,
der herrlichſte und hellſte aller Doppelſterne. Jene vier Licht¬
jahre ſind entſprechend der Meilenzahl pro Sekunde mehrere
Billionen Meilen ſeines wahren Abſtandes von uns. Und er
gilt von allen Myriaden Fixſternen des Firmaments für den
nächſten! Von andern gelangt das Licht erſt nach Jahr¬
hunderten zu uns. Sie können heute, da wir ſie ſehen, längſt
ganz anders ausſchauen als damals, da der Lichtſtrahl, der
uns jetzt endlich erreicht hat, von ihnen ausging. Und wenn
umgekehrt der ſchwache Glanz unſerer Erde dort noch erſpäht
werden ſollte, ſo erſcheint die Erde, wie ſie vor Jahrzehnten,
vor Jahrhunderten war: ohne Eiſenbahnen, ohne Eiffelturm,
ohne Suezkanal, mit der Inſel Krakatau an der Sundaſtraße
vor der furchtbaren Vulkanexploſion, die ſie 1883 in die Luft
ſprengte. Vielleicht gehen die Entfernungen anderer Sterne
bis in die Tauſende ſolcher Lichtjahre — Jahre, deren jedes
dreihundertfünfundſechzig Tage zu vierundzwanzig Stunden hat,
die Stunde zu ſechzig Minuten, die Minute zu ſechzig Sekunden
— und jede dieſer Sekunden gleich vierzigtauſend Meilen Ent¬
fernung gerechnet .... Bis vor kurzem gab man den ſoge¬
nannten Nebelflecken, wilden Gasmaſſen, die oft wie regelrechte
Embryonen erſt werdender Weltſyſteme ausſchauen, ſolche Ab¬
ſtände. Heute iſt man etwas in Skrupel, vielleicht ſind uns
gerade dieſe formloſen Himmelsnebel zum Teil näher als wir

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[77/0093] weil der Raum zwiſchen ihnen und uns unter die Gewalt der Meilenmillion gelangt. Jenſeits der Meilen ſtehen gigantiſche Sonnen, von denen das Licht in rieſigen Strömen fließt — fließt und fließt, bis in die weiteſten Weiten des Alls hinein. Es fließt unglaublich raſch, dieſes Licht: mit einer Geſchwindigkeit von über vierzig¬ tauſend Meilen in der Sekunde perlt ſein Wellenſchlag in den Raum hinaus. Und doch braucht es vom nächſten dieſer Fix¬ ſterne ſchon vier ganze Jahre, um in unſer Menſchenauge auf dem Sonnenplaneten Erde zu gelangen. Am Südhimmel, wo das Sternbild des Kentauren flammt, ſtrahlt dieſer Stern, der herrlichſte und hellſte aller Doppelſterne. Jene vier Licht¬ jahre ſind entſprechend der Meilenzahl pro Sekunde mehrere Billionen Meilen ſeines wahren Abſtandes von uns. Und er gilt von allen Myriaden Fixſternen des Firmaments für den nächſten! Von andern gelangt das Licht erſt nach Jahr¬ hunderten zu uns. Sie können heute, da wir ſie ſehen, längſt ganz anders ausſchauen als damals, da der Lichtſtrahl, der uns jetzt endlich erreicht hat, von ihnen ausging. Und wenn umgekehrt der ſchwache Glanz unſerer Erde dort noch erſpäht werden ſollte, ſo erſcheint die Erde, wie ſie vor Jahrzehnten, vor Jahrhunderten war: ohne Eiſenbahnen, ohne Eiffelturm, ohne Suezkanal, mit der Inſel Krakatau an der Sundaſtraße vor der furchtbaren Vulkanexploſion, die ſie 1883 in die Luft ſprengte. Vielleicht gehen die Entfernungen anderer Sterne bis in die Tauſende ſolcher Lichtjahre — Jahre, deren jedes dreihundertfünfundſechzig Tage zu vierundzwanzig Stunden hat, die Stunde zu ſechzig Minuten, die Minute zu ſechzig Sekunden — und jede dieſer Sekunden gleich vierzigtauſend Meilen Ent¬ fernung gerechnet .... Bis vor kurzem gab man den ſoge¬ nannten Nebelflecken, wilden Gasmaſſen, die oft wie regelrechte Embryonen erſt werdender Weltſyſteme ausſchauen, ſolche Ab¬ ſtände. Heute iſt man etwas in Skrupel, vielleicht ſind uns gerade dieſe formloſen Himmelsnebel zum Teil näher als wir

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/93>, abgerufen am 27.11.2024.