Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

langsam wie eine bunte Insel heraufwachsenden Kosmos. Das
ist das recht eigentlich Neue, was unsere Zeit zu dem alten
einfachen Thatsachenbilde hinzugiebt.

Ein goldenes Seil fliegt uns zu. Laß uns versuchen,
unser Schifflein hier ein Stück Weges anzubinden, um zu
sehen, wie weit wir kommen. Sicherlich ist es mit modernen
Mitteln eine bessere Meerfahrt, als wenn wir uns nach der
Unsterblichkeit des Individuums einschifften. Dieser Weg ist
heute trügerische Odyssee. Holde, nackte Sirenen, die den
Seefahrer verlocken und fressen, wenn er sich zu eigen giebt.
Cyklopen, die den Denker in ihre Höhle sperren, daß er froh
sein darf, an eines Bockes Bauch geklammert zu entfliehen.
Cirke, die Zauberin, die Philosophen in Esel bannt. Und
Lotophagen, wo man sich an Zuckerbrot in den ewigen Ge¬
dankenschlaf schleckt ..... Unser Pfad ist schlichter, obwohl
auch er des märchenhaften Elementes nicht ganz entbehrt.

Er führt durch das ungeheure Märchen der modernen
Naturforschung
.

Ein Regenbogen flimmert über dem Blau. Der Regen¬
bogen der Liebe. Sein eines Ende hast du mit dem Blick
erfaßt. Es glänzt über dem einfachen Akt der menschlichen
Zeugung durch Samentierchen und Ei, dem du beigewohnt hast.
Laß uns im Fluge zunächst jetzt einmal versuchen, nach dem
andern Stützpunkt hinauszutauchen. Dorthin, wo die Liebe
überhaupt zuerst in das Lichtfeld des Naturforschers tritt.

[Abbildung]

langſam wie eine bunte Inſel heraufwachſenden Kosmos. Das
iſt das recht eigentlich Neue, was unſere Zeit zu dem alten
einfachen Thatſachenbilde hinzugiebt.

Ein goldenes Seil fliegt uns zu. Laß uns verſuchen,
unſer Schifflein hier ein Stück Weges anzubinden, um zu
ſehen, wie weit wir kommen. Sicherlich iſt es mit modernen
Mitteln eine beſſere Meerfahrt, als wenn wir uns nach der
Unſterblichkeit des Individuums einſchifften. Dieſer Weg iſt
heute trügeriſche Odyſſee. Holde, nackte Sirenen, die den
Seefahrer verlocken und freſſen, wenn er ſich zu eigen giebt.
Cyklopen, die den Denker in ihre Höhle ſperren, daß er froh
ſein darf, an eines Bockes Bauch geklammert zu entfliehen.
Cirke, die Zauberin, die Philoſophen in Eſel bannt. Und
Lotophagen, wo man ſich an Zuckerbrot in den ewigen Ge¬
dankenſchlaf ſchleckt ..... Unſer Pfad iſt ſchlichter, obwohl
auch er des märchenhaften Elementes nicht ganz entbehrt.

Er führt durch das ungeheure Märchen der modernen
Naturforſchung
.

Ein Regenbogen flimmert über dem Blau. Der Regen¬
bogen der Liebe. Sein eines Ende haſt du mit dem Blick
erfaßt. Es glänzt über dem einfachen Akt der menſchlichen
Zeugung durch Samentierchen und Ei, dem du beigewohnt haſt.
Laß uns im Fluge zunächſt jetzt einmal verſuchen, nach dem
andern Stützpunkt hinauszutauchen. Dorthin, wo die Liebe
überhaupt zuerſt in das Lichtfeld des Naturforſchers tritt.

[Abbildung]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="75"/>
lang&#x017F;am wie eine bunte In&#x017F;el heraufwach&#x017F;enden Kosmos. Das<lb/>
i&#x017F;t das recht eigentlich Neue, was un&#x017F;ere Zeit zu dem alten<lb/>
einfachen That&#x017F;achenbilde hinzugiebt.</p><lb/>
        <p>Ein goldenes Seil fliegt uns zu. Laß uns ver&#x017F;uchen,<lb/>
un&#x017F;er Schifflein hier ein Stück Weges anzubinden, um zu<lb/>
&#x017F;ehen, wie weit wir kommen. Sicherlich i&#x017F;t es mit modernen<lb/>
Mitteln eine be&#x017F;&#x017F;ere Meerfahrt, als wenn wir uns nach der<lb/>
Un&#x017F;terblichkeit des Individuums ein&#x017F;chifften. Die&#x017F;er Weg i&#x017F;t<lb/>
heute trügeri&#x017F;che Ody&#x017F;&#x017F;ee. Holde, nackte Sirenen, die den<lb/>
Seefahrer verlocken und fre&#x017F;&#x017F;en, wenn er &#x017F;ich zu eigen giebt.<lb/>
Cyklopen, die den Denker in ihre Höhle &#x017F;perren, daß er froh<lb/>
&#x017F;ein darf, an eines Bockes Bauch geklammert zu entfliehen.<lb/>
Cirke, die Zauberin, die Philo&#x017F;ophen in E&#x017F;el bannt. Und<lb/>
Lotophagen, wo man &#x017F;ich an Zuckerbrot in den ewigen Ge¬<lb/>
danken&#x017F;chlaf &#x017F;chleckt ..... Un&#x017F;er Pfad i&#x017F;t &#x017F;chlichter, obwohl<lb/>
auch er des märchenhaften Elementes nicht ganz entbehrt.</p><lb/>
        <p>Er führt durch das <hi rendition="#g">ungeheure Märchen der modernen<lb/>
Naturfor&#x017F;chung</hi>.</p><lb/>
        <p>Ein Regenbogen flimmert über dem Blau. Der Regen¬<lb/>
bogen der Liebe. Sein eines Ende ha&#x017F;t du mit dem Blick<lb/>
erfaßt. Es glänzt über dem einfachen Akt der men&#x017F;chlichen<lb/>
Zeugung durch Samentierchen und Ei, dem du beigewohnt ha&#x017F;t.<lb/>
Laß uns im Fluge zunäch&#x017F;t jetzt einmal ver&#x017F;uchen, nach dem<lb/>
andern Stützpunkt hinauszutauchen. Dorthin, wo die Liebe<lb/>
überhaupt zuer&#x017F;t in das Lichtfeld des Naturfor&#x017F;chers tritt.</p><lb/>
        <figure/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0091] langſam wie eine bunte Inſel heraufwachſenden Kosmos. Das iſt das recht eigentlich Neue, was unſere Zeit zu dem alten einfachen Thatſachenbilde hinzugiebt. Ein goldenes Seil fliegt uns zu. Laß uns verſuchen, unſer Schifflein hier ein Stück Weges anzubinden, um zu ſehen, wie weit wir kommen. Sicherlich iſt es mit modernen Mitteln eine beſſere Meerfahrt, als wenn wir uns nach der Unſterblichkeit des Individuums einſchifften. Dieſer Weg iſt heute trügeriſche Odyſſee. Holde, nackte Sirenen, die den Seefahrer verlocken und freſſen, wenn er ſich zu eigen giebt. Cyklopen, die den Denker in ihre Höhle ſperren, daß er froh ſein darf, an eines Bockes Bauch geklammert zu entfliehen. Cirke, die Zauberin, die Philoſophen in Eſel bannt. Und Lotophagen, wo man ſich an Zuckerbrot in den ewigen Ge¬ dankenſchlaf ſchleckt ..... Unſer Pfad iſt ſchlichter, obwohl auch er des märchenhaften Elementes nicht ganz entbehrt. Er führt durch das ungeheure Märchen der modernen Naturforſchung. Ein Regenbogen flimmert über dem Blau. Der Regen¬ bogen der Liebe. Sein eines Ende haſt du mit dem Blick erfaßt. Es glänzt über dem einfachen Akt der menſchlichen Zeugung durch Samentierchen und Ei, dem du beigewohnt haſt. Laß uns im Fluge zunächſt jetzt einmal verſuchen, nach dem andern Stützpunkt hinauszutauchen. Dorthin, wo die Liebe überhaupt zuerſt in das Lichtfeld des Naturforſchers tritt. [Abbildung]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/91
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/91>, abgerufen am 06.05.2024.