Röntgenstrahlen den ganzen Menschenkörper bei ungestörter Lebensthätigkeit mit Licht durchgießen. Die vielleicht ein ge¬ treues Abbild auch aller feinsten Innenteile nach außen auf eine weiße Wand projizieren. Und zugleich diese Teile und ihre Bewegungen in eine ungeheuerliche Vergrößerung bringen. Aber einerlei, ob das nun wirklich einmal als Realität zu uns kommt: einstweilen leistet uns die Phantasie den Dienst. Sie hat uns alles beliebig vergrößert und erhellt.
Das Mysterium, dem wir bereits beigewohnt haben, ohne daß es noch zu Ende zu sein scheint, waren Vorgänge in und an einem weiblichen menschlichen Ei kurz oder unmittelbar vor dem großen Akt der Befruchtung dieses Eies durch den männ¬ lichen Samen.
Zum Zweck der Fortpflanzung erzeugt das menschliche Weib ebenso gut Eier, wie etwa ein Huhn. Bloß daß diese Eier nicht äußerlich abgelegt werden wie die des Huhns: die ganze Vorentwickelung des neuen kleinen Menschleins findet ja kon¬ sequent bis zum Schluß in der Mutter selbst, im "Mutter¬ leibe", statt. Im übrigen entstehen die menschlichen Eier genau so wie die des Huhns an einem besonderen Organ des weib¬ lichen Leibes, dem Eierstock. Jedes normal entwickelte Weib trägt von Jugend auf wie zwei Lungen, zwei Nieren, zwei Gehirnhälften so auch zwei Eierstöcke in sich, an denen sich viele Tausende von Eiern ausbilden, deren jedes bei genügen¬ der Ausreifung und Befruchtung einen neuen Menschen er¬ zeugen könnte. Die Befruchtung ist zu letzterem unumgänglich nötig. Und eben um ihr -- zu der es eines zweiten und zwar männlichen Wesens bedarf -- entgegen zu kommen, unterliegt das Ei eigentümlichen Vorgängen, mitten in deren bewegten Verlauf uns unsere Phantasie oben geführt hat.
Das Gewölbe, in das wir uns versetzt sahen, ist (in un¬ geheuerliche Vergrößerung gebracht) einer der beiden sogenannten Eileiter des Weibes. Diese Eileiter verbinden die eigentlichen Eierstöcke mit dem größeren Hohlraum der Gebärmutter.
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Röntgenſtrahlen den ganzen Menſchenkörper bei ungeſtörter Lebensthätigkeit mit Licht durchgießen. Die vielleicht ein ge¬ treues Abbild auch aller feinſten Innenteile nach außen auf eine weiße Wand projizieren. Und zugleich dieſe Teile und ihre Bewegungen in eine ungeheuerliche Vergrößerung bringen. Aber einerlei, ob das nun wirklich einmal als Realität zu uns kommt: einſtweilen leiſtet uns die Phantaſie den Dienſt. Sie hat uns alles beliebig vergrößert und erhellt.
Das Myſterium, dem wir bereits beigewohnt haben, ohne daß es noch zu Ende zu ſein ſcheint, waren Vorgänge in und an einem weiblichen menſchlichen Ei kurz oder unmittelbar vor dem großen Akt der Befruchtung dieſes Eies durch den männ¬ lichen Samen.
Zum Zweck der Fortpflanzung erzeugt das menſchliche Weib ebenſo gut Eier, wie etwa ein Huhn. Bloß daß dieſe Eier nicht äußerlich abgelegt werden wie die des Huhns: die ganze Vorentwickelung des neuen kleinen Menſchleins findet ja kon¬ ſequent bis zum Schluß in der Mutter ſelbſt, im „Mutter¬ leibe“, ſtatt. Im übrigen entſtehen die menſchlichen Eier genau ſo wie die des Huhns an einem beſonderen Organ des weib¬ lichen Leibes, dem Eierſtock. Jedes normal entwickelte Weib trägt von Jugend auf wie zwei Lungen, zwei Nieren, zwei Gehirnhälften ſo auch zwei Eierſtöcke in ſich, an denen ſich viele Tauſende von Eiern ausbilden, deren jedes bei genügen¬ der Ausreifung und Befruchtung einen neuen Menſchen er¬ zeugen könnte. Die Befruchtung iſt zu letzterem unumgänglich nötig. Und eben um ihr — zu der es eines zweiten und zwar männlichen Weſens bedarf — entgegen zu kommen, unterliegt das Ei eigentümlichen Vorgängen, mitten in deren bewegten Verlauf uns unſere Phantaſie oben geführt hat.
Das Gewölbe, in das wir uns verſetzt ſahen, iſt (in un¬ geheuerliche Vergrößerung gebracht) einer der beiden ſogenannten Eileiter des Weibes. Dieſe Eileiter verbinden die eigentlichen Eierſtöcke mit dem größeren Hohlraum der Gebärmutter.
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Röntgenſtrahlen den ganzen Menſchenkörper bei ungeſtörter
Lebensthätigkeit mit Licht durchgießen. Die vielleicht ein ge¬
treues Abbild auch aller feinſten Innenteile nach außen auf
eine weiße Wand projizieren. Und zugleich dieſe Teile und
ihre Bewegungen in eine ungeheuerliche Vergrößerung bringen.
Aber einerlei, ob das nun wirklich einmal als Realität zu uns
kommt: einſtweilen leiſtet uns die Phantaſie den Dienſt. Sie
hat uns alles beliebig vergrößert und erhellt.
Das Myſterium, dem wir bereits beigewohnt haben, ohne
daß es noch zu Ende zu ſein ſcheint, waren Vorgänge in und
an einem weiblichen menſchlichen Ei kurz oder unmittelbar vor
dem großen Akt der Befruchtung dieſes Eies durch den männ¬
lichen Samen.
Zum Zweck der Fortpflanzung erzeugt das menſchliche Weib
ebenſo gut Eier, wie etwa ein Huhn. Bloß daß dieſe Eier
nicht äußerlich abgelegt werden wie die des Huhns: die ganze
Vorentwickelung des neuen kleinen Menſchleins findet ja kon¬
ſequent bis zum Schluß in der Mutter ſelbſt, im „Mutter¬
leibe“, ſtatt. Im übrigen entſtehen die menſchlichen Eier genau
ſo wie die des Huhns an einem beſonderen Organ des weib¬
lichen Leibes, dem Eierſtock. Jedes normal entwickelte Weib
trägt von Jugend auf wie zwei Lungen, zwei Nieren, zwei
Gehirnhälften ſo auch zwei Eierſtöcke in ſich, an denen ſich
viele Tauſende von Eiern ausbilden, deren jedes bei genügen¬
der Ausreifung und Befruchtung einen neuen Menſchen er¬
zeugen könnte. Die Befruchtung iſt zu letzterem unumgänglich
nötig. Und eben um ihr — zu der es eines zweiten und
zwar männlichen Weſens bedarf — entgegen zu kommen,
unterliegt das Ei eigentümlichen Vorgängen, mitten in deren
bewegten Verlauf uns unſere Phantaſie oben geführt hat.
Das Gewölbe, in das wir uns verſetzt ſahen, iſt (in un¬
geheuerliche Vergrößerung gebracht) einer der beiden ſogenannten
Eileiter des Weibes. Dieſe Eileiter verbinden die eigentlichen
Eierſtöcke mit dem größeren Hohlraum der Gebärmutter.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/65>, abgerufen am 16.02.2025.
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