schlechtsleben, der Fortpflanzung, -- der Liebe: und doch ein Rückschritt gerade in dieser Liebe, -- in der Geistesleiter innerhalb dieser Liebe.
Das ist lehrreich weit über das Bienlein im Heidekraut hinaus. Wenn auch durchaus kein Staat im gangbaren mensch¬ lichen Sinne, so ist der Bienenstaat doch ein ganz famoses Exempel dessen, was man "Verstaatlichung der Geschlechtsver¬ hältnisse" nennen könnte. Aber er ist zugleich ein böses Exempel. Aus vielen Tausenden von einzelnen Liebesindividuen schmiedet er eine an sich gewiß höchst kunstvolle einheitliche Genossen¬ schaft. Aber indem er eine in sich mangelhafte Liebesmethode dabei als Fundament setzt, baut er, anstatt dem beweglichen Fortschritt eine wahre Gasse zu bahnen, einen riesigen Kerker auf, dessen kristallscharfe Form gleichsam ästhetisch etwas Be¬ rückendes hat, in dem aber das Individuum und seine auf¬ wärts weisende Lichtbahn aufs jammervollste geknebelt liegen. Es ragt hier etwas wie eine Warnungstafel. Auf der einen Seite die großen, unverkennbar großen Vorteile einer sozialen Einigung, einer riesigen Schutzgenossenschaft, wo jedes Indivi¬ duum einen Anhalt an viel tausend anderen hat und im Einzelnen die glücklichsten Arbeitsteilungen im Lebenshaushalt möglich werden. Auf der anderen Seite aber die schwere Ge¬ fahr, daß gewisse Institutionen, zum Beispiel hier eine noch ganz mangelhafte und rohe Regelung der Geschlechtsverhält¬ nisse, zur Staatsraison erhoben werden, damit ihre innere Beweglichkeit zur Fortentwickelung verlieren und schließlich wie ein versteinerter Klotz seelenlos über den Genossen des Ver¬ bandes liegen, alles quetschend und lähmend.
Die Biene selbst hat jedenfalls keinen Ausweg mehr über über ihre eigene Liebespagode gefunden. In ihr und an ihr ist sie absolut versteint, -- ewig stehen geblieben. Und es war in gewissem Sinne offenbar der Gipfel des ganzen Gliedertier¬ stammes, der in ähnlichen "Staatenbildungen" wider ein hartes Gewölbe stieß und sich festrannte.
ſchlechtsleben, der Fortpflanzung, — der Liebe: und doch ein Rückſchritt gerade in dieſer Liebe, — in der Geiſtesleiter innerhalb dieſer Liebe.
Das iſt lehrreich weit über das Bienlein im Heidekraut hinaus. Wenn auch durchaus kein Staat im gangbaren menſch¬ lichen Sinne, ſo iſt der Bienenſtaat doch ein ganz famoſes Exempel deſſen, was man „Verſtaatlichung der Geſchlechtsver¬ hältniſſe“ nennen könnte. Aber er iſt zugleich ein böſes Exempel. Aus vielen Tauſenden von einzelnen Liebesindividuen ſchmiedet er eine an ſich gewiß höchſt kunſtvolle einheitliche Genoſſen¬ ſchaft. Aber indem er eine in ſich mangelhafte Liebesmethode dabei als Fundament ſetzt, baut er, anſtatt dem beweglichen Fortſchritt eine wahre Gaſſe zu bahnen, einen rieſigen Kerker auf, deſſen kriſtallſcharfe Form gleichſam äſthetiſch etwas Be¬ rückendes hat, in dem aber das Individuum und ſeine auf¬ wärts weiſende Lichtbahn aufs jammervollſte geknebelt liegen. Es ragt hier etwas wie eine Warnungstafel. Auf der einen Seite die großen, unverkennbar großen Vorteile einer ſozialen Einigung, einer rieſigen Schutzgenoſſenſchaft, wo jedes Indivi¬ duum einen Anhalt an viel tauſend anderen hat und im Einzelnen die glücklichſten Arbeitsteilungen im Lebenshaushalt möglich werden. Auf der anderen Seite aber die ſchwere Ge¬ fahr, daß gewiſſe Inſtitutionen, zum Beiſpiel hier eine noch ganz mangelhafte und rohe Regelung der Geſchlechtsverhält¬ niſſe, zur Staatsraiſon erhoben werden, damit ihre innere Beweglichkeit zur Fortentwickelung verlieren und ſchließlich wie ein verſteinerter Klotz ſeelenlos über den Genoſſen des Ver¬ bandes liegen, alles quetſchend und lähmend.
Die Biene ſelbſt hat jedenfalls keinen Ausweg mehr über über ihre eigene Liebespagode gefunden. In ihr und an ihr iſt ſie abſolut verſteint, — ewig ſtehen geblieben. Und es war in gewiſſem Sinne offenbar der Gipfel des ganzen Gliedertier¬ ſtammes, der in ähnlichen „Staatenbildungen“ wider ein hartes Gewölbe ſtieß und ſich feſtrannte.
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ſchlechtsleben, der Fortpflanzung, — der Liebe: und doch ein
Rückſchritt gerade in dieſer Liebe, — in der Geiſtesleiter
innerhalb dieſer Liebe.
Das iſt lehrreich weit über das Bienlein im Heidekraut
hinaus. Wenn auch durchaus kein Staat im gangbaren menſch¬
lichen Sinne, ſo iſt der Bienenſtaat doch ein ganz famoſes
Exempel deſſen, was man „Verſtaatlichung der Geſchlechtsver¬
hältniſſe“ nennen könnte. Aber er iſt zugleich ein böſes Exempel.
Aus vielen Tauſenden von einzelnen Liebesindividuen ſchmiedet
er eine an ſich gewiß höchſt kunſtvolle einheitliche Genoſſen¬
ſchaft. Aber indem er eine in ſich mangelhafte Liebesmethode
dabei als Fundament ſetzt, baut er, anſtatt dem beweglichen
Fortſchritt eine wahre Gaſſe zu bahnen, einen rieſigen Kerker
auf, deſſen kriſtallſcharfe Form gleichſam äſthetiſch etwas Be¬
rückendes hat, in dem aber das Individuum und ſeine auf¬
wärts weiſende Lichtbahn aufs jammervollſte geknebelt liegen.
Es ragt hier etwas wie eine Warnungstafel. Auf der einen
Seite die großen, unverkennbar großen Vorteile einer ſozialen
Einigung, einer rieſigen Schutzgenoſſenſchaft, wo jedes Indivi¬
duum einen Anhalt an viel tauſend anderen hat und im
Einzelnen die glücklichſten Arbeitsteilungen im Lebenshaushalt
möglich werden. Auf der anderen Seite aber die ſchwere Ge¬
fahr, daß gewiſſe Inſtitutionen, zum Beiſpiel hier eine noch
ganz mangelhafte und rohe Regelung der Geſchlechtsverhält¬
niſſe, zur Staatsraiſon erhoben werden, damit ihre innere
Beweglichkeit zur Fortentwickelung verlieren und ſchließlich wie
ein verſteinerter Klotz ſeelenlos über den Genoſſen des Ver¬
bandes liegen, alles quetſchend und lähmend.
Die Biene ſelbſt hat jedenfalls keinen Ausweg mehr über
über ihre eigene Liebespagode gefunden. In ihr und an ihr
iſt ſie abſolut verſteint, — ewig ſtehen geblieben. Und es war
in gewiſſem Sinne offenbar der Gipfel des ganzen Gliedertier¬
ſtammes, der in ähnlichen „Staatenbildungen“ wider ein hartes
Gewölbe ſtieß und ſich feſtrannte.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/416>, abgerufen am 28.11.2024.
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