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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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sperren, das er alsbald wieder ausbaut und in rasch nach¬
wachsender Vollzahl von neuem jetzt für ein Jahr bevölkert.

Im alten Hause vollzieht sich inzwischen alles in schnur¬
gerader Logik. Ist nur eine junge Königin ausgekrochen, so
eröffnet diese glatt die Ära. Sie wird ausfliegen, sich mit
Drohnen begatten, wird den Sommer lang Tausende und Aber¬
tausende von Weiberbienen kraft dieser Begattung zeugen, die
durch bestimmte kümmerliche Ernährung aber immer wieder
bloß zu Vestalinnen werden -- u. s. w. Melden sich dagegen
kurz nach dem Auftreten der ersten Jungkönigin noch andere
Königinlein in benachbarten Königswiegen, so wird alsbald
nochmals ein "ver sacrum" nötig: die erstgeborene Jungkönigin
sammelt, anstatt im Stocke die Herrschaft anzutreten, abermals
gleich der alten einen Teil des vorhandenen Stammes um sich
und geht als "Nachschwarm" mit ihm ebenfalls ins Exil, auf
die Suche einer neuen Heimat ins weite hinaus. Der Stamm
kann aber auch zu klein sein, um solches Experiment im Wieder¬
holungsfalle zuzulassen: dann werden die nachgeborenen über¬
zähligen Königinnen unbarmherzig von den Vestalinnen ab¬
geschlachtet, -- genau so, wie später gegen Sommersende die
faulen Drohnen als hilflose Opfer unter tödlichen Stichen fallen.

Viel merkwürdiger aber als diese Dinge ist gleichzeitig der
Fortgang in jener ersten Mutterkolonie mit der alten Königin.
In voller Glorie tritt dort erst die ganze Leistungsfähigkeit dieser
ehrwürdigen älteren Dame ans Licht. Mit der neuen Kolonie
geht sie jetzt in den zweiten Sommer, -- immer und immer
aber noch legt sie unentwegt Eier, Tausende und abermals
Tausende. Und den ganzen Sommer über befruchtet sie aber¬
mals alle diese Tausende von Eiern aus der alten, jetzt andert¬
halbjährigen Samentasche.

Keinerlei neue Begattung findet statt, -- nie mehr be¬
rührt diese keusche Witwe ein Bienenmann. Und doch hat sie
noch immer von der einen ältesten Frühjahrsbegattung her
Samen genug in jener Tasche, so daß Ei um Ei eine Vestalin

ſperren, das er alsbald wieder ausbaut und in raſch nach¬
wachſender Vollzahl von neuem jetzt für ein Jahr bevölkert.

Im alten Hauſe vollzieht ſich inzwiſchen alles in ſchnur¬
gerader Logik. Iſt nur eine junge Königin ausgekrochen, ſo
eröffnet dieſe glatt die Ära. Sie wird ausfliegen, ſich mit
Drohnen begatten, wird den Sommer lang Tauſende und Aber¬
tauſende von Weiberbienen kraft dieſer Begattung zeugen, die
durch beſtimmte kümmerliche Ernährung aber immer wieder
bloß zu Veſtalinnen werden — u. ſ. w. Melden ſich dagegen
kurz nach dem Auftreten der erſten Jungkönigin noch andere
Königinlein in benachbarten Königswiegen, ſo wird alsbald
nochmals ein „ver sacrum“ nötig: die erſtgeborene Jungkönigin
ſammelt, anſtatt im Stocke die Herrſchaft anzutreten, abermals
gleich der alten einen Teil des vorhandenen Stammes um ſich
und geht als „Nachſchwarm“ mit ihm ebenfalls ins Exil, auf
die Suche einer neuen Heimat ins weite hinaus. Der Stamm
kann aber auch zu klein ſein, um ſolches Experiment im Wieder¬
holungsfalle zuzulaſſen: dann werden die nachgeborenen über¬
zähligen Königinnen unbarmherzig von den Veſtalinnen ab¬
geſchlachtet, — genau ſo, wie ſpäter gegen Sommersende die
faulen Drohnen als hilfloſe Opfer unter tödlichen Stichen fallen.

Viel merkwürdiger aber als dieſe Dinge iſt gleichzeitig der
Fortgang in jener erſten Mutterkolonie mit der alten Königin.
In voller Glorie tritt dort erſt die ganze Leiſtungsfähigkeit dieſer
ehrwürdigen älteren Dame ans Licht. Mit der neuen Kolonie
geht ſie jetzt in den zweiten Sommer, — immer und immer
aber noch legt ſie unentwegt Eier, Tauſende und abermals
Tauſende. Und den ganzen Sommer über befruchtet ſie aber¬
mals alle dieſe Tauſende von Eiern aus der alten, jetzt andert¬
halbjährigen Samentaſche.

Keinerlei neue Begattung findet ſtatt, — nie mehr be¬
rührt dieſe keuſche Witwe ein Bienenmann. Und doch hat ſie
noch immer von der einen älteſten Frühjahrsbegattung her
Samen genug in jener Taſche, ſo daß Ei um Ei eine Veſtalin

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[388/0404] ſperren, das er alsbald wieder ausbaut und in raſch nach¬ wachſender Vollzahl von neuem jetzt für ein Jahr bevölkert. Im alten Hauſe vollzieht ſich inzwiſchen alles in ſchnur¬ gerader Logik. Iſt nur eine junge Königin ausgekrochen, ſo eröffnet dieſe glatt die Ära. Sie wird ausfliegen, ſich mit Drohnen begatten, wird den Sommer lang Tauſende und Aber¬ tauſende von Weiberbienen kraft dieſer Begattung zeugen, die durch beſtimmte kümmerliche Ernährung aber immer wieder bloß zu Veſtalinnen werden — u. ſ. w. Melden ſich dagegen kurz nach dem Auftreten der erſten Jungkönigin noch andere Königinlein in benachbarten Königswiegen, ſo wird alsbald nochmals ein „ver sacrum“ nötig: die erſtgeborene Jungkönigin ſammelt, anſtatt im Stocke die Herrſchaft anzutreten, abermals gleich der alten einen Teil des vorhandenen Stammes um ſich und geht als „Nachſchwarm“ mit ihm ebenfalls ins Exil, auf die Suche einer neuen Heimat ins weite hinaus. Der Stamm kann aber auch zu klein ſein, um ſolches Experiment im Wieder¬ holungsfalle zuzulaſſen: dann werden die nachgeborenen über¬ zähligen Königinnen unbarmherzig von den Veſtalinnen ab¬ geſchlachtet, — genau ſo, wie ſpäter gegen Sommersende die faulen Drohnen als hilfloſe Opfer unter tödlichen Stichen fallen. Viel merkwürdiger aber als dieſe Dinge iſt gleichzeitig der Fortgang in jener erſten Mutterkolonie mit der alten Königin. In voller Glorie tritt dort erſt die ganze Leiſtungsfähigkeit dieſer ehrwürdigen älteren Dame ans Licht. Mit der neuen Kolonie geht ſie jetzt in den zweiten Sommer, — immer und immer aber noch legt ſie unentwegt Eier, Tauſende und abermals Tauſende. Und den ganzen Sommer über befruchtet ſie aber¬ mals alle dieſe Tauſende von Eiern aus der alten, jetzt andert¬ halbjährigen Samentaſche. Keinerlei neue Begattung findet ſtatt, — nie mehr be¬ rührt dieſe keuſche Witwe ein Bienenmann. Und doch hat ſie noch immer von der einen älteſten Frühjahrsbegattung her Samen genug in jener Taſche, ſo daß Ei um Ei eine Veſtalin

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/404>, abgerufen am 23.11.2024.