junge Vestalinnenmade da. Was nun? Da haben die anderen Vestalinnen halt in letzter Not einfach eine erwachsene Vestalin gewählt, systematisch eine Weile dick herausgefüttert und noch nachträglich wirklich wenigstens soweit gebracht, daß sie, gleichsam überheizt wie ein Mensch, den man auf rohe Eier, Schabe¬ fleisch, Tokayer und Paprika setzt, endlich doch noch ihren Eierstock zur Eierproduktion gepreßt hat. Freilich gab's nur Drohneneier, da eine Begattungstasche sich auch so nicht mehr entwickeln wollte. Aber der Fall stellt an sich alles zu genüge klar: das "Künstliche" der Vestalin, das unter Umständen selbst bei ihrem ausgewachsenen Zustande noch einer Diätänderung bis zu gewissem Grade wieder weicht .....
Du siehst aber jetzt auch schon: die wirkliche Bienen¬ geschichte fällt vollständig mit unserem angenommenen Fall oben zusammen. Ein echter Begattungsakt am Anfang zwischen Mann und Weib: Drohne und Königin. Aus diesem Be¬ gattungsakt aber erwachsend nicht eine Generation mit Neben¬ einander männlicher und weiblicher Geburten. Sondern zwei Generationen mit nacheinander wechselndem Geschlecht: eine weibliche Bienenkönigin, die ohne Neubefruchtung noch einmal männliche Drohnen aus sich erzeugt. Eine einfache Kompli¬ kation ohne grundlegenden Eingriff giebt dann hier wie dort bloß noch die Thatsache, daß dieselbe Königin noch ehe sie per Parthenogenesis oder "Jungfernzeugung", also ohne Neu¬ begattung, Männer erzeugt hat, auch noch sich von neuem hat begatten lassen und aus dieser Begattung heraus, abermals teils echte fruchtbare Bienenköniginnen, teils verkümmerte, aber im Prinzip doch auch weibliche Vestalinnen erzeugt.
Jedenfalls verliert der wunderbare "Jungfernakt" der Drohnenzeugung, wenn du ihn so anschaust, wenigstens etwas von seinem schlechtweg Paradoxen und Umstürzlerischen. Das Begattungsprinzip mit seinem alten Rezept aus Samenzelle und Eizelle erscheint nicht umgeworfen damit -- du siehst ja, wie verflixt nötig die Begattung doch immer und immer wieder
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junge Veſtalinnenmade da. Was nun? Da haben die anderen Veſtalinnen halt in letzter Not einfach eine erwachſene Veſtalin gewählt, ſyſtematiſch eine Weile dick herausgefüttert und noch nachträglich wirklich wenigſtens ſoweit gebracht, daß ſie, gleichſam überheizt wie ein Menſch, den man auf rohe Eier, Schabe¬ fleiſch, Tokayer und Paprika ſetzt, endlich doch noch ihren Eierſtock zur Eierproduktion gepreßt hat. Freilich gab's nur Drohneneier, da eine Begattungstaſche ſich auch ſo nicht mehr entwickeln wollte. Aber der Fall ſtellt an ſich alles zu genüge klar: das „Künſtliche“ der Veſtalin, das unter Umſtänden ſelbſt bei ihrem ausgewachſenen Zuſtande noch einer Diätänderung bis zu gewiſſem Grade wieder weicht .....
Du ſiehſt aber jetzt auch ſchon: die wirkliche Bienen¬ geſchichte fällt vollſtändig mit unſerem angenommenen Fall oben zuſammen. Ein echter Begattungsakt am Anfang zwiſchen Mann und Weib: Drohne und Königin. Aus dieſem Be¬ gattungsakt aber erwachſend nicht eine Generation mit Neben¬ einander männlicher und weiblicher Geburten. Sondern zwei Generationen mit nacheinander wechſelndem Geſchlecht: eine weibliche Bienenkönigin, die ohne Neubefruchtung noch einmal männliche Drohnen aus ſich erzeugt. Eine einfache Kompli¬ kation ohne grundlegenden Eingriff giebt dann hier wie dort bloß noch die Thatſache, daß dieſelbe Königin noch ehe ſie per Parthenogeneſis oder „Jungfernzeugung“, alſo ohne Neu¬ begattung, Männer erzeugt hat, auch noch ſich von neuem hat begatten laſſen und aus dieſer Begattung heraus, abermals teils echte fruchtbare Bienenköniginnen, teils verkümmerte, aber im Prinzip doch auch weibliche Veſtalinnen erzeugt.
Jedenfalls verliert der wunderbare „Jungfernakt“ der Drohnenzeugung, wenn du ihn ſo anſchauſt, wenigſtens etwas von ſeinem ſchlechtweg Paradoxen und Umſtürzleriſchen. Das Begattungsprinzip mit ſeinem alten Rezept aus Samenzelle und Eizelle erſcheint nicht umgeworfen damit — du ſiehſt ja, wie verflixt nötig die Begattung doch immer und immer wieder
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junge Veſtalinnenmade da. Was nun? Da haben die anderen
Veſtalinnen halt in letzter Not einfach eine erwachſene Veſtalin
gewählt, ſyſtematiſch eine Weile dick herausgefüttert und noch
nachträglich wirklich wenigſtens ſoweit gebracht, daß ſie, gleichſam
überheizt wie ein Menſch, den man auf rohe Eier, Schabe¬
fleiſch, Tokayer und Paprika ſetzt, endlich doch noch ihren
Eierſtock zur Eierproduktion gepreßt hat. Freilich gab's nur
Drohneneier, da eine Begattungstaſche ſich auch ſo nicht mehr
entwickeln wollte. Aber der Fall ſtellt an ſich alles zu genüge
klar: das „Künſtliche“ der Veſtalin, das unter Umſtänden ſelbſt
bei ihrem ausgewachſenen Zuſtande noch einer Diätänderung
bis zu gewiſſem Grade wieder weicht .....
Du ſiehſt aber jetzt auch ſchon: die wirkliche Bienen¬
geſchichte fällt vollſtändig mit unſerem angenommenen Fall
oben zuſammen. Ein echter Begattungsakt am Anfang zwiſchen
Mann und Weib: Drohne und Königin. Aus dieſem Be¬
gattungsakt aber erwachſend nicht eine Generation mit Neben¬
einander männlicher und weiblicher Geburten. Sondern zwei
Generationen mit nacheinander wechſelndem Geſchlecht: eine
weibliche Bienenkönigin, die ohne Neubefruchtung noch einmal
männliche Drohnen aus ſich erzeugt. Eine einfache Kompli¬
kation ohne grundlegenden Eingriff giebt dann hier wie dort
bloß noch die Thatſache, daß dieſelbe Königin noch ehe ſie per
Parthenogeneſis oder „Jungfernzeugung“, alſo ohne Neu¬
begattung, Männer erzeugt hat, auch noch ſich von neuem hat
begatten laſſen und aus dieſer Begattung heraus, abermals teils
echte fruchtbare Bienenköniginnen, teils verkümmerte, aber im
Prinzip doch auch weibliche Veſtalinnen erzeugt.
Jedenfalls verliert der wunderbare „Jungfernakt“ der
Drohnenzeugung, wenn du ihn ſo anſchauſt, wenigſtens etwas
von ſeinem ſchlechtweg Paradoxen und Umſtürzleriſchen. Das
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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