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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Überflüssigen. Keine Möglichkeit ja mehr, daß man die dicken
Mitesser noch einmal gebrauchen könnte. Im Gegenteil --
der Winter wird kommen, wo ohnehin das Durchretten der
wichtigen Glieder der großen Staatsfamilie schwer genug hält.
Was da noch Mitesser ohne Zweck!

Nach diesem grausigen Opfer aus Haushaltsraison geht's
dann wirklich in den Winter ein. Der wohl verwahrte Stock
und die eigene gedrängte Nähe schützen vor dem Erfrieren, an¬
gesammelte Vorräte vor dem Hungertod. Das Kinderkriegen
hört natürlich auf. Aber die Königin und eine letzte Herbst¬
generation lebenszäherer Vestalinnen, die nicht mehr an die
Lebenszeit von sechs Wochen gebunden scheint, kommen glücklich
durch und erleben einen neuen Lenz. Was nun? Jetzt kommt
eigentlich erst das Allermerkwürdigste.

Sonne und Blüten sind da. Die überwinterten Vesta¬
linnen schwärmen wieder aus und bringen frische Nahrung
vom neu eröffneten Markt. Und die Königin -- beginnt aber¬
mals mit der Eierproduktion. Ja, mit regelrechten Eiern,
immer noch. Denn wie der goldschwangere Säckel Fortunats,
so bewährt sich dieser großen Mutter nach wie vor unerschöpf¬
lich die alte Samentasche, -- immer noch gießt sie von dort
auf jedes Ei das nötige Stäubchen Manneskraft. Lebendige
Manneskraft der alten längst verschollenen und begrabenen
Drohnenmänner vom vorigen Jahr, -- Samentierchen, die den
Liebesakt selbst jetzt ein ganzes und das Leben auch der letzten
Drohnen um mehr als ein halbes Jahr überlebt haben .....!

Neue Vestalinnen wachsen auf, -- alles scheint regelrecht
wieder von vorne anzufangen. Da auf einmal aber nun etwas
absolut neues.

Unsere Vestalinnen, die ja nicht bloß Brot und Nektar
einholen, sondern auch im Stock selbst unablässig als kluge
Baumeisterinnen bessern und neu bauen, haben ganz in der
Stille eine Anzahl Kinderstuben bereit gestellt, die größer sind
als die sonst üblichen. Und indem unsere treue Frau Königin

Überflüſſigen. Keine Möglichkeit ja mehr, daß man die dicken
Miteſſer noch einmal gebrauchen könnte. Im Gegenteil —
der Winter wird kommen, wo ohnehin das Durchretten der
wichtigen Glieder der großen Staatsfamilie ſchwer genug hält.
Was da noch Miteſſer ohne Zweck!

Nach dieſem grauſigen Opfer aus Haushaltsraiſon geht's
dann wirklich in den Winter ein. Der wohl verwahrte Stock
und die eigene gedrängte Nähe ſchützen vor dem Erfrieren, an¬
geſammelte Vorräte vor dem Hungertod. Das Kinderkriegen
hört natürlich auf. Aber die Königin und eine letzte Herbſt¬
generation lebenszäherer Veſtalinnen, die nicht mehr an die
Lebenszeit von ſechs Wochen gebunden ſcheint, kommen glücklich
durch und erleben einen neuen Lenz. Was nun? Jetzt kommt
eigentlich erſt das Allermerkwürdigſte.

Sonne und Blüten ſind da. Die überwinterten Veſta¬
linnen ſchwärmen wieder aus und bringen friſche Nahrung
vom neu eröffneten Markt. Und die Königin — beginnt aber¬
mals mit der Eierproduktion. Ja, mit regelrechten Eiern,
immer noch. Denn wie der goldſchwangere Säckel Fortunats,
ſo bewährt ſich dieſer großen Mutter nach wie vor unerſchöpf¬
lich die alte Samentaſche, — immer noch gießt ſie von dort
auf jedes Ei das nötige Stäubchen Manneskraft. Lebendige
Manneskraft der alten längſt verſchollenen und begrabenen
Drohnenmänner vom vorigen Jahr, — Samentierchen, die den
Liebesakt ſelbſt jetzt ein ganzes und das Leben auch der letzten
Drohnen um mehr als ein halbes Jahr überlebt haben .....!

Neue Veſtalinnen wachſen auf, — alles ſcheint regelrecht
wieder von vorne anzufangen. Da auf einmal aber nun etwas
abſolut neues.

Unſere Veſtalinnen, die ja nicht bloß Brot und Nektar
einholen, ſondern auch im Stock ſelbſt unabläſſig als kluge
Baumeiſterinnen beſſern und neu bauen, haben ganz in der
Stille eine Anzahl Kinderſtuben bereit geſtellt, die größer ſind
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[375/0391] Überflüſſigen. Keine Möglichkeit ja mehr, daß man die dicken Miteſſer noch einmal gebrauchen könnte. Im Gegenteil — der Winter wird kommen, wo ohnehin das Durchretten der wichtigen Glieder der großen Staatsfamilie ſchwer genug hält. Was da noch Miteſſer ohne Zweck! Nach dieſem grauſigen Opfer aus Haushaltsraiſon geht's dann wirklich in den Winter ein. Der wohl verwahrte Stock und die eigene gedrängte Nähe ſchützen vor dem Erfrieren, an¬ geſammelte Vorräte vor dem Hungertod. Das Kinderkriegen hört natürlich auf. Aber die Königin und eine letzte Herbſt¬ generation lebenszäherer Veſtalinnen, die nicht mehr an die Lebenszeit von ſechs Wochen gebunden ſcheint, kommen glücklich durch und erleben einen neuen Lenz. Was nun? Jetzt kommt eigentlich erſt das Allermerkwürdigſte. Sonne und Blüten ſind da. Die überwinterten Veſta¬ linnen ſchwärmen wieder aus und bringen friſche Nahrung vom neu eröffneten Markt. Und die Königin — beginnt aber¬ mals mit der Eierproduktion. Ja, mit regelrechten Eiern, immer noch. Denn wie der goldſchwangere Säckel Fortunats, ſo bewährt ſich dieſer großen Mutter nach wie vor unerſchöpf¬ lich die alte Samentaſche, — immer noch gießt ſie von dort auf jedes Ei das nötige Stäubchen Manneskraft. Lebendige Manneskraft der alten längſt verſchollenen und begrabenen Drohnenmänner vom vorigen Jahr, — Samentierchen, die den Liebesakt ſelbſt jetzt ein ganzes und das Leben auch der letzten Drohnen um mehr als ein halbes Jahr überlebt haben .....! Neue Veſtalinnen wachſen auf, — alles ſcheint regelrecht wieder von vorne anzufangen. Da auf einmal aber nun etwas abſolut neues. Unſere Veſtalinnen, die ja nicht bloß Brot und Nektar einholen, ſondern auch im Stock ſelbſt unabläſſig als kluge Baumeiſterinnen beſſern und neu bauen, haben ganz in der Stille eine Anzahl Kinderſtuben bereit geſtellt, die größer ſind als die ſonſt üblichen. Und indem unſere treue Frau Königin

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/391>, abgerufen am 10.05.2024.