Stachelinsky hat inzwischen seinerseits auch den Gipfel erotischer Gefühle erklommen: kaum streicht das Weib über die Eier fort, so ist er darauf und ergießt das nötige Quantum Samenmilch zu ihrer Befruchtung. Das Schicksal des Weibes selbst kümmert ihn von diesem Augenblicke an absolut nicht mehr.
Nur eines weiß er: die paar Eier sind ihm für seine Gattungspflicht lange noch nicht genug. Er kann nicht nur: er muß noch mehr Weiber haben. Mit dem neuen Tage zieht er abermals aus, holt wiederum genau nach demselben Rezept eine passende Braut und läßt sich von ihr das Gelege entsprechend vermehren. Monogamische Begriffe stehen ihm vollständig fern. Das "Weib" in Anführungszeichen hat für ihn einen Zweck, nämlich Eierlegen; irgend welche Individualität kommt bei diesen Zigeunerinnen nicht in Betracht, abgesehen davon, daß einzelne ganz vernagelt Dumme, die sich nicht einmal zu dem Eiergeschäft eignen, ausgemerzt werden. Ist die ge¬ nügende Eierzahl erreicht, so hört die ganze Weiberfreundschaft überhaupt auf.
Wehe dem Weibe, sei es nun ein gehabtes oder ein fremdes, das fortan dem Nest, das nun wieder ausschließlicher Eremitenbesitz ist, nahen will, -- mit höchster Brutalität wird es in die Flucht getrieben. Übrigens eine Brutalität, die in mildem Lichte erscheint, wenn man sieht, daß diese Weiber, und zwar gerade die gehabten, selber aller Muttergefühle bar sind und nichts sehnlicheres erstreben, als das Nest nachträglich noch einmal gewaltsam zu erobern, die Eier nach Zigeunerart zu rauben und, was noch über die Behandlung bei Zigeunerkindern geht, aufzufressen .....
Sind solche Gefahren außer Sicht, so beginnt für Stache¬ linsky, nunmehriger Vater, wieder eine stille Zeit in strenger, aber beschaulicher Pflichterfüllung, ähnlich der, da er einsam das Nest erbaute.
Stachelinsky hat inzwiſchen ſeinerſeits auch den Gipfel erotiſcher Gefühle erklommen: kaum ſtreicht das Weib über die Eier fort, ſo iſt er darauf und ergießt das nötige Quantum Samenmilch zu ihrer Befruchtung. Das Schickſal des Weibes ſelbſt kümmert ihn von dieſem Augenblicke an abſolut nicht mehr.
Nur eines weiß er: die paar Eier ſind ihm für ſeine Gattungspflicht lange noch nicht genug. Er kann nicht nur: er muß noch mehr Weiber haben. Mit dem neuen Tage zieht er abermals aus, holt wiederum genau nach demſelben Rezept eine paſſende Braut und läßt ſich von ihr das Gelege entſprechend vermehren. Monogamiſche Begriffe ſtehen ihm vollſtändig fern. Das „Weib“ in Anführungszeichen hat für ihn einen Zweck, nämlich Eierlegen; irgend welche Individualität kommt bei dieſen Zigeunerinnen nicht in Betracht, abgeſehen davon, daß einzelne ganz vernagelt Dumme, die ſich nicht einmal zu dem Eiergeſchäft eignen, ausgemerzt werden. Iſt die ge¬ nügende Eierzahl erreicht, ſo hört die ganze Weiberfreundſchaft überhaupt auf.
Wehe dem Weibe, ſei es nun ein gehabtes oder ein fremdes, das fortan dem Neſt, das nun wieder ausſchließlicher Eremitenbeſitz iſt, nahen will, — mit höchſter Brutalität wird es in die Flucht getrieben. Übrigens eine Brutalität, die in mildem Lichte erſcheint, wenn man ſieht, daß dieſe Weiber, und zwar gerade die gehabten, ſelber aller Muttergefühle bar ſind und nichts ſehnlicheres erſtreben, als das Neſt nachträglich noch einmal gewaltſam zu erobern, die Eier nach Zigeunerart zu rauben und, was noch über die Behandlung bei Zigeunerkindern geht, aufzufreſſen .....
Sind ſolche Gefahren außer Sicht, ſo beginnt für Stache¬ linsky, nunmehriger Vater, wieder eine ſtille Zeit in ſtrenger, aber beſchaulicher Pflichterfüllung, ähnlich der, da er einſam das Neſt erbaute.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0364"n="348"/><p>Stachelinsky hat inzwiſchen ſeinerſeits auch den Gipfel<lb/>
erotiſcher Gefühle erklommen: kaum ſtreicht das Weib über die<lb/>
Eier fort, ſo iſt er darauf und ergießt das nötige Quantum<lb/>
Samenmilch zu ihrer Befruchtung. Das Schickſal des Weibes<lb/>ſelbſt kümmert ihn von dieſem Augenblicke an abſolut<lb/>
nicht mehr.</p><lb/><p>Nur eines weiß er: die paar Eier ſind ihm für ſeine<lb/>
Gattungspflicht lange noch nicht genug. Er <hirendition="#g">kann</hi> nicht nur:<lb/>
er <hirendition="#g">muß</hi> noch mehr Weiber haben. Mit dem neuen Tage<lb/>
zieht er abermals aus, holt wiederum genau nach demſelben<lb/>
Rezept eine paſſende Braut und läßt ſich von ihr das Gelege<lb/>
entſprechend vermehren. Monogamiſche Begriffe ſtehen ihm<lb/>
vollſtändig fern. Das „Weib“ in Anführungszeichen hat für ihn<lb/>
einen <hirendition="#g">Zweck</hi>, nämlich Eierlegen; irgend welche <hirendition="#g">Individualität</hi><lb/>
kommt bei dieſen Zigeunerinnen nicht in Betracht, abgeſehen<lb/>
davon, daß einzelne ganz vernagelt Dumme, die ſich nicht einmal<lb/>
zu dem Eiergeſchäft eignen, ausgemerzt werden. Iſt die ge¬<lb/>
nügende Eierzahl erreicht, ſo hört die ganze Weiberfreundſchaft<lb/>
überhaupt auf.</p><lb/><p>Wehe dem Weibe, ſei es nun ein gehabtes oder ein<lb/>
fremdes, das fortan dem Neſt, das nun wieder ausſchließlicher<lb/>
Eremitenbeſitz iſt, nahen will, — mit höchſter Brutalität wird<lb/>
es in die Flucht getrieben. Übrigens eine Brutalität, die in<lb/>
mildem Lichte erſcheint, wenn man ſieht, daß dieſe Weiber, und<lb/>
zwar gerade die gehabten, ſelber aller Muttergefühle bar ſind<lb/>
und nichts ſehnlicheres erſtreben, als das Neſt nachträglich noch<lb/>
einmal gewaltſam zu erobern, die Eier nach Zigeunerart zu<lb/>
rauben und, was noch über die Behandlung bei Zigeunerkindern<lb/>
geht, aufzufreſſen .....</p><lb/><p>Sind ſolche Gefahren außer Sicht, ſo beginnt für Stache¬<lb/>
linsky, nunmehriger Vater, wieder eine ſtille Zeit in ſtrenger,<lb/>
aber beſchaulicher Pflichterfüllung, ähnlich der, da er einſam<lb/>
das Neſt erbaute.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[348/0364]
Stachelinsky hat inzwiſchen ſeinerſeits auch den Gipfel
erotiſcher Gefühle erklommen: kaum ſtreicht das Weib über die
Eier fort, ſo iſt er darauf und ergießt das nötige Quantum
Samenmilch zu ihrer Befruchtung. Das Schickſal des Weibes
ſelbſt kümmert ihn von dieſem Augenblicke an abſolut
nicht mehr.
Nur eines weiß er: die paar Eier ſind ihm für ſeine
Gattungspflicht lange noch nicht genug. Er kann nicht nur:
er muß noch mehr Weiber haben. Mit dem neuen Tage
zieht er abermals aus, holt wiederum genau nach demſelben
Rezept eine paſſende Braut und läßt ſich von ihr das Gelege
entſprechend vermehren. Monogamiſche Begriffe ſtehen ihm
vollſtändig fern. Das „Weib“ in Anführungszeichen hat für ihn
einen Zweck, nämlich Eierlegen; irgend welche Individualität
kommt bei dieſen Zigeunerinnen nicht in Betracht, abgeſehen
davon, daß einzelne ganz vernagelt Dumme, die ſich nicht einmal
zu dem Eiergeſchäft eignen, ausgemerzt werden. Iſt die ge¬
nügende Eierzahl erreicht, ſo hört die ganze Weiberfreundſchaft
überhaupt auf.
Wehe dem Weibe, ſei es nun ein gehabtes oder ein
fremdes, das fortan dem Neſt, das nun wieder ausſchließlicher
Eremitenbeſitz iſt, nahen will, — mit höchſter Brutalität wird
es in die Flucht getrieben. Übrigens eine Brutalität, die in
mildem Lichte erſcheint, wenn man ſieht, daß dieſe Weiber, und
zwar gerade die gehabten, ſelber aller Muttergefühle bar ſind
und nichts ſehnlicheres erſtreben, als das Neſt nachträglich noch
einmal gewaltſam zu erobern, die Eier nach Zigeunerart zu
rauben und, was noch über die Behandlung bei Zigeunerkindern
geht, aufzufreſſen .....
Sind ſolche Gefahren außer Sicht, ſo beginnt für Stache¬
linsky, nunmehriger Vater, wieder eine ſtille Zeit in ſtrenger,
aber beſchaulicher Pflichterfüllung, ähnlich der, da er einſam
das Neſt erbaute.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/364>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.