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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Seine Absicht ging in Wahrheit nicht auf eine Eremiten¬
klause. In ihm ist jener rätselhafte Zug erwacht: der dunkle
Fernblick auf eine Existenz jenseits seiner eigenen, auf junge
Wesen, die erst sein Samen erzeugen soll und in denen die
Gattung fortleben wird. Die Zelle im Teichgrund, die er so
mühsam errichtet hat, ist ein Nest, bestimmt, die Jungen in
ihrer frühesten Entwickelung zu hegen.

Stachelinskys des Mannes Eigenart ist es bloß, daß er
als zukünftiger Vater ganz unabhängig vom Weibe dieses
Nest baut.

Stachelinska dem Weibe fiele es niemals ein. In fernen
Wasserschichten treiben sich die Stachelweiber nach wie vor mit
freier Zigeunerlustigkeit umher, während der Einsiedel in
dunkler Vision irgendwie den Begriff "Nachkommenschaft" auf¬
dämmern sieht und der inneren Pflicht getreu an seine Arbeit
im Gattungsdienste geht. Nun, da das Nest fertig ist, fordert
der Gattungszweck aber selber, ob wohl, ob übel, eine wenigstens
temporäre Befassung mit dem "Weib", -- da hilft kein Beten,
wie Falstaff sagt.

Und so muß Stachelinsky also jetzt in den sauren Apfel
beißen, seine eremitische Borstigkeit für eine kurze Spanne
Zeit etwas abzuschleifen und die leidig notwendige Ergänzung
"Weib" in irgend einer Form selber herbeizuschaffen. Wie er
es macht, das gleicht freilich nicht gerade einer ehrsamen Ehe¬
freite, sondern sieht verzweifelt ähnlich dem Gebaren eines
bösen Junggesellen, der eine schöne Stube daheim geheizt hat
und nun zu sehr vorübergehenden Zwecken ein Weib sich von
der Straße liest......

Stachelinsky schwimmt vom Neste ab und kehrt nach
einiger Zeit mit einer Stachelinska heim, -- sei es nun (hier
schwanken die Beobachter), daß er eine betreffende gerade
vorbeischwimmend und durch seinen Nestbau angelockt in nächster
Nähe entdeckte, -- sei es, daß er mitten ins Weiberlager ein¬
gebrochen ist und (vielleicht seiner herrlichen Hochzeitsfarben

Seine Abſicht ging in Wahrheit nicht auf eine Eremiten¬
klauſe. In ihm iſt jener rätſelhafte Zug erwacht: der dunkle
Fernblick auf eine Exiſtenz jenſeits ſeiner eigenen, auf junge
Weſen, die erſt ſein Samen erzeugen ſoll und in denen die
Gattung fortleben wird. Die Zelle im Teichgrund, die er ſo
mühſam errichtet hat, iſt ein Neſt, beſtimmt, die Jungen in
ihrer früheſten Entwickelung zu hegen.

Stachelinskys des Mannes Eigenart iſt es bloß, daß er
als zukünftiger Vater ganz unabhängig vom Weibe dieſes
Neſt baut.

Stachelinska dem Weibe fiele es niemals ein. In fernen
Waſſerſchichten treiben ſich die Stachelweiber nach wie vor mit
freier Zigeunerluſtigkeit umher, während der Einſiedel in
dunkler Viſion irgendwie den Begriff „Nachkommenſchaft“ auf¬
dämmern ſieht und der inneren Pflicht getreu an ſeine Arbeit
im Gattungsdienſte geht. Nun, da das Neſt fertig iſt, fordert
der Gattungszweck aber ſelber, ob wohl, ob übel, eine wenigſtens
temporäre Befaſſung mit dem „Weib“, — da hilft kein Beten,
wie Falſtaff ſagt.

Und ſo muß Stachelinsky alſo jetzt in den ſauren Apfel
beißen, ſeine eremitiſche Borſtigkeit für eine kurze Spanne
Zeit etwas abzuſchleifen und die leidig notwendige Ergänzung
„Weib“ in irgend einer Form ſelber herbeizuſchaffen. Wie er
es macht, das gleicht freilich nicht gerade einer ehrſamen Ehe¬
freite, ſondern ſieht verzweifelt ähnlich dem Gebaren eines
böſen Junggeſellen, der eine ſchöne Stube daheim geheizt hat
und nun zu ſehr vorübergehenden Zwecken ein Weib ſich von
der Straße lieſt......

Stachelinsky ſchwimmt vom Neſte ab und kehrt nach
einiger Zeit mit einer Stachelinska heim, — ſei es nun (hier
ſchwanken die Beobachter), daß er eine betreffende gerade
vorbeiſchwimmend und durch ſeinen Neſtbau angelockt in nächſter
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[346/0362] Seine Abſicht ging in Wahrheit nicht auf eine Eremiten¬ klauſe. In ihm iſt jener rätſelhafte Zug erwacht: der dunkle Fernblick auf eine Exiſtenz jenſeits ſeiner eigenen, auf junge Weſen, die erſt ſein Samen erzeugen ſoll und in denen die Gattung fortleben wird. Die Zelle im Teichgrund, die er ſo mühſam errichtet hat, iſt ein Neſt, beſtimmt, die Jungen in ihrer früheſten Entwickelung zu hegen. Stachelinskys des Mannes Eigenart iſt es bloß, daß er als zukünftiger Vater ganz unabhängig vom Weibe dieſes Neſt baut. Stachelinska dem Weibe fiele es niemals ein. In fernen Waſſerſchichten treiben ſich die Stachelweiber nach wie vor mit freier Zigeunerluſtigkeit umher, während der Einſiedel in dunkler Viſion irgendwie den Begriff „Nachkommenſchaft“ auf¬ dämmern ſieht und der inneren Pflicht getreu an ſeine Arbeit im Gattungsdienſte geht. Nun, da das Neſt fertig iſt, fordert der Gattungszweck aber ſelber, ob wohl, ob übel, eine wenigſtens temporäre Befaſſung mit dem „Weib“, — da hilft kein Beten, wie Falſtaff ſagt. Und ſo muß Stachelinsky alſo jetzt in den ſauren Apfel beißen, ſeine eremitiſche Borſtigkeit für eine kurze Spanne Zeit etwas abzuſchleifen und die leidig notwendige Ergänzung „Weib“ in irgend einer Form ſelber herbeizuſchaffen. Wie er es macht, das gleicht freilich nicht gerade einer ehrſamen Ehe¬ freite, ſondern ſieht verzweifelt ähnlich dem Gebaren eines böſen Junggeſellen, der eine ſchöne Stube daheim geheizt hat und nun zu ſehr vorübergehenden Zwecken ein Weib ſich von der Straße lieſt...... Stachelinsky ſchwimmt vom Neſte ab und kehrt nach einiger Zeit mit einer Stachelinska heim, — ſei es nun (hier ſchwanken die Beobachter), daß er eine betreffende gerade vorbeiſchwimmend und durch ſeinen Neſtbau angelockt in nächſter Nähe entdeckte, — ſei es, daß er mitten ins Weiberlager ein¬ gebrochen iſt und (vielleicht ſeiner herrlichen Hochzeitsfarben

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/362>, abgerufen am 10.05.2024.