Ein anderes Bild. Nach der Tragödie des Krabben¬ innern jetzt eine Innenkomödie von harmloserer, aber nicht minder romantischer Art, die ich dir ausführlicher erzähle als Exempel, zu welcher abenteuerlichen Odyssee der Zeugungsakt auch bei äußerer relativer Glätte noch wieder innerlich sich verwickeln kann.
Der erwachsene Wurzelkrebs hängt, wie du gesehen hast, als rote Wurst und saugendes Wurzelgeflecht an der Krabbe, umschwärmt von winzigen Ergänzungsmännchen.
Jetzt aber: an dieser Wurst saugt sich vielfach abermals ein dritter Krebs fest.
Auch er schmarotzert. Auch er steckt eine Art fressender Schnauze (diesmal den wirklichen Kopf) in den Wurzelkrebs hinein und saugt ihm wieder fort, was er von der Krabbe an Nährblut stibitzt hat. Auch er verliert alle seine Organe und hängt außen an der Wurst des Wurzelkrebses wie eine zweite kleinere Wurst, die ebenfalls nur Eierstöcke enthält.
Und auch ihm wieder sitzt schließlich in noch wohl er¬ kennbarer Krebsgestalt ein eigenes Ergänzungsmännchen an.
Meinst du nicht eine Tierpyramide zu sehen, in der die Familien und Geschlechter in drei und mehr Etagen auf¬ einander hocken wie die Menschenhaushalte in einer gro߬ städtischen Mietskaserne?
Dieser Schmarotzer dritten Grades, von dem ich dir jetzt erzähle, gehört aber selber nicht mehr zu den Rankenkrebsen,
Ein anderes Bild. Nach der Tragödie des Krabben¬ innern jetzt eine Innenkomödie von harmloſerer, aber nicht minder romantiſcher Art, die ich dir ausführlicher erzähle als Exempel, zu welcher abenteuerlichen Odyſſee der Zeugungsakt auch bei äußerer relativer Glätte noch wieder innerlich ſich verwickeln kann.
Der erwachſene Wurzelkrebs hängt, wie du geſehen haſt, als rote Wurſt und ſaugendes Wurzelgeflecht an der Krabbe, umſchwärmt von winzigen Ergänzungsmännchen.
Jetzt aber: an dieſer Wurſt ſaugt ſich vielfach abermals ein dritter Krebs feſt.
Auch er ſchmarotzert. Auch er ſteckt eine Art freſſender Schnauze (diesmal den wirklichen Kopf) in den Wurzelkrebs hinein und ſaugt ihm wieder fort, was er von der Krabbe an Nährblut ſtibitzt hat. Auch er verliert alle ſeine Organe und hängt außen an der Wurſt des Wurzelkrebſes wie eine zweite kleinere Wurſt, die ebenfalls nur Eierſtöcke enthält.
Und auch ihm wieder ſitzt ſchließlich in noch wohl er¬ kennbarer Krebsgeſtalt ein eigenes Ergänzungsmännchen an.
Meinſt du nicht eine Tierpyramide zu ſehen, in der die Familien und Geſchlechter in drei und mehr Etagen auf¬ einander hocken wie die Menſchenhaushalte in einer gro߬ ſtädtiſchen Mietskaſerne?
Dieſer Schmarotzer dritten Grades, von dem ich dir jetzt erzähle, gehört aber ſelber nicht mehr zu den Rankenkrebſen,
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Ein anderes Bild. Nach der Tragödie des Krabben¬
innern jetzt eine Innenkomödie von harmloſerer, aber nicht
minder romantiſcher Art, die ich dir ausführlicher erzähle als
Exempel, zu welcher abenteuerlichen Odyſſee der Zeugungsakt
auch bei äußerer relativer Glätte noch wieder innerlich ſich
verwickeln kann.
Der erwachſene Wurzelkrebs hängt, wie du geſehen haſt,
als rote Wurſt und ſaugendes Wurzelgeflecht an der Krabbe,
umſchwärmt von winzigen Ergänzungsmännchen.
Jetzt aber: an dieſer Wurſt ſaugt ſich vielfach abermals
ein dritter Krebs feſt.
Auch er ſchmarotzert. Auch er ſteckt eine Art freſſender
Schnauze (diesmal den wirklichen Kopf) in den Wurzelkrebs
hinein und ſaugt ihm wieder fort, was er von der Krabbe
an Nährblut ſtibitzt hat. Auch er verliert alle ſeine Organe
und hängt außen an der Wurſt des Wurzelkrebſes wie eine
zweite kleinere Wurſt, die ebenfalls nur Eierſtöcke enthält.
Und auch ihm wieder ſitzt ſchließlich in noch wohl er¬
kennbarer Krebsgeſtalt ein eigenes Ergänzungsmännchen an.
Meinſt du nicht eine Tierpyramide zu ſehen, in der die
Familien und Geſchlechter in drei und mehr Etagen auf¬
einander hocken wie die Menſchenhaushalte in einer gro߬
ſtädtiſchen Mietskaſerne?
Dieſer Schmarotzer dritten Grades, von dem ich dir jetzt
erzähle, gehört aber ſelber nicht mehr zu den Rankenkrebſen,
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/335>, abgerufen am 24.11.2024.
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