falls einteiligen) Eierstock, der unbefruchtete Eier liefert. Samenwerkstatt wie Eierwerkstatt haben jede ihre äußere Öffnung, durch die das Fabrikat in Umlauf kommen könnte, und es wäre nun an und für sich wohl das Plausibele, wenn der Tintenmann bei jener wüsten Umklammerei, wie sie oben geschildert ist, seine Samenpforte unmittelbar an das weibliche Eierthor brächte und so die Befruchtung vollzöge.
Aber so einfach geht das leider nicht, hier kommt eben die ganz konfuse, absonderliche Bauart des Tintenfischkörpers in Betracht. Der Tintenfisch hat oben seinen regelrechten Kopf, kenntlich an den zwei Glotzaugen und der Schnauze. Um die Schnauze herum stehen die Beine. Der Rest des Körpers ist ein einfacher, äußerlich nicht mehr gegliederter Sack, der, wenn das Tier köpflings auf seinen Beinen läuft, sich heraufwölbt wie ein einziges großes Hinterteil. Nach dem Muster anderer höherer Tiere sollte man erwarten, daß etwa am Ende dieses Leibessackes mindestens eine zweite Öffnung sich fände, die als After und Geschlechtsthor diente. Aber da hinten ist alles rund und glatt wie ein Apfel. Dafür findet sich dicht unter dem Kopfe an der Bauchseite ein Spalt, ähnlich etwa dem Spalt einer Kieme, wie sie der Fisch zu Atmungs¬ zwecken besitzt. Neben dem Spalt kommt noch eine kleine be¬ sondere Öffnung wie das Mundloch einer Röhre hervor. Spalt wie Röhre führen nebeneinander in eine merkwürdige Höhlung des Innenleibes, die wie eine äußere Tasche am Bauch herab¬ geht. Es zeigt sich, wenn man die Tasche aufdeckt, daß der ganze Leibessack des Tintenfischs eigentlich aus zwei Säcken besteht: einem innerlichen, wirklichen Leibessack, der die Ein¬ geweide, Hoden, Eierstock u. s. w. enthält, und einem äußeren Hautsack, der den Innensack wie ein loser Mantel umkleidet. Die scheinbare Tasche ist nichts anderes als der offene Hohl¬ raum der Bauchseite zwischen dem echten Leibessack und dem äußeren Mantel. Erst in diesen Hohlraum öffnen sich vom Innensack her durch richtige Löcher die im tiefsten Innern
falls einteiligen) Eierſtock, der unbefruchtete Eier liefert. Samenwerkſtatt wie Eierwerkſtatt haben jede ihre äußere Öffnung, durch die das Fabrikat in Umlauf kommen könnte, und es wäre nun an und für ſich wohl das Plauſibele, wenn der Tintenmann bei jener wüſten Umklammerei, wie ſie oben geſchildert iſt, ſeine Samenpforte unmittelbar an das weibliche Eierthor brächte und ſo die Befruchtung vollzöge.
Aber ſo einfach geht das leider nicht, hier kommt eben die ganz konfuſe, abſonderliche Bauart des Tintenfiſchkörpers in Betracht. Der Tintenfiſch hat oben ſeinen regelrechten Kopf, kenntlich an den zwei Glotzaugen und der Schnauze. Um die Schnauze herum ſtehen die Beine. Der Reſt des Körpers iſt ein einfacher, äußerlich nicht mehr gegliederter Sack, der, wenn das Tier köpflings auf ſeinen Beinen läuft, ſich heraufwölbt wie ein einziges großes Hinterteil. Nach dem Muſter anderer höherer Tiere ſollte man erwarten, daß etwa am Ende dieſes Leibesſackes mindeſtens eine zweite Öffnung ſich fände, die als After und Geſchlechtsthor diente. Aber da hinten iſt alles rund und glatt wie ein Apfel. Dafür findet ſich dicht unter dem Kopfe an der Bauchſeite ein Spalt, ähnlich etwa dem Spalt einer Kieme, wie ſie der Fiſch zu Atmungs¬ zwecken beſitzt. Neben dem Spalt kommt noch eine kleine be¬ ſondere Öffnung wie das Mundloch einer Röhre hervor. Spalt wie Röhre führen nebeneinander in eine merkwürdige Höhlung des Innenleibes, die wie eine äußere Taſche am Bauch herab¬ geht. Es zeigt ſich, wenn man die Taſche aufdeckt, daß der ganze Leibesſack des Tintenfiſchs eigentlich aus zwei Säcken beſteht: einem innerlichen, wirklichen Leibesſack, der die Ein¬ geweide, Hoden, Eierſtock u. ſ. w. enthält, und einem äußeren Hautſack, der den Innenſack wie ein loſer Mantel umkleidet. Die ſcheinbare Taſche iſt nichts anderes als der offene Hohl¬ raum der Bauchſeite zwiſchen dem echten Leibesſack und dem äußeren Mantel. Erſt in dieſen Hohlraum öffnen ſich vom Innenſack her durch richtige Löcher die im tiefſten Innern
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0314"n="298"/>
falls einteiligen) Eierſtock, der unbefruchtete Eier liefert.<lb/>
Samenwerkſtatt wie Eierwerkſtatt haben jede ihre äußere<lb/>
Öffnung, durch die das Fabrikat in Umlauf kommen könnte,<lb/>
und es wäre nun an und für ſich wohl das Plauſibele, wenn<lb/>
der Tintenmann bei jener wüſten Umklammerei, wie ſie oben<lb/>
geſchildert iſt, ſeine Samenpforte unmittelbar an das weibliche<lb/>
Eierthor brächte und ſo die Befruchtung vollzöge.</p><lb/><p>Aber ſo einfach geht das leider nicht, hier kommt eben<lb/>
die ganz konfuſe, abſonderliche Bauart des Tintenfiſchkörpers<lb/>
in Betracht. Der Tintenfiſch hat oben ſeinen regelrechten<lb/>
Kopf, kenntlich an den zwei Glotzaugen und der Schnauze.<lb/>
Um die Schnauze herum ſtehen die Beine. Der Reſt des<lb/>
Körpers iſt ein einfacher, äußerlich nicht mehr gegliederter<lb/>
Sack, der, wenn das Tier köpflings auf ſeinen Beinen läuft,<lb/>ſich heraufwölbt wie ein einziges großes Hinterteil. Nach dem<lb/>
Muſter anderer höherer Tiere ſollte man erwarten, daß etwa<lb/>
am Ende dieſes Leibesſackes mindeſtens eine zweite Öffnung<lb/>ſich fände, die als After und Geſchlechtsthor diente. Aber da<lb/>
hinten iſt alles rund und glatt wie ein Apfel. Dafür findet<lb/>ſich dicht unter dem Kopfe an der Bauchſeite ein Spalt, ähnlich<lb/>
etwa dem Spalt einer Kieme, wie ſie der Fiſch zu Atmungs¬<lb/>
zwecken beſitzt. Neben dem Spalt kommt noch eine kleine be¬<lb/>ſondere Öffnung wie das Mundloch einer Röhre hervor. Spalt<lb/>
wie Röhre führen nebeneinander in eine merkwürdige Höhlung<lb/>
des Innenleibes, die wie eine äußere Taſche am Bauch herab¬<lb/>
geht. Es zeigt ſich, wenn man die Taſche aufdeckt, daß der<lb/>
ganze Leibesſack des Tintenfiſchs eigentlich aus zwei Säcken<lb/>
beſteht: einem innerlichen, wirklichen Leibesſack, der die Ein¬<lb/>
geweide, Hoden, Eierſtock u. ſ. w. enthält, und einem äußeren<lb/>
Hautſack, der den Innenſack wie ein loſer Mantel umkleidet.<lb/>
Die ſcheinbare Taſche iſt nichts anderes als der offene Hohl¬<lb/>
raum der Bauchſeite zwiſchen dem echten Leibesſack <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice> dem<lb/>
äußeren Mantel. Erſt in dieſen Hohlraum öffnen ſich vom<lb/>
Innenſack her durch richtige Löcher die im tiefſten Innern<lb/></p></div></body></text></TEI>
[298/0314]
falls einteiligen) Eierſtock, der unbefruchtete Eier liefert.
Samenwerkſtatt wie Eierwerkſtatt haben jede ihre äußere
Öffnung, durch die das Fabrikat in Umlauf kommen könnte,
und es wäre nun an und für ſich wohl das Plauſibele, wenn
der Tintenmann bei jener wüſten Umklammerei, wie ſie oben
geſchildert iſt, ſeine Samenpforte unmittelbar an das weibliche
Eierthor brächte und ſo die Befruchtung vollzöge.
Aber ſo einfach geht das leider nicht, hier kommt eben
die ganz konfuſe, abſonderliche Bauart des Tintenfiſchkörpers
in Betracht. Der Tintenfiſch hat oben ſeinen regelrechten
Kopf, kenntlich an den zwei Glotzaugen und der Schnauze.
Um die Schnauze herum ſtehen die Beine. Der Reſt des
Körpers iſt ein einfacher, äußerlich nicht mehr gegliederter
Sack, der, wenn das Tier köpflings auf ſeinen Beinen läuft,
ſich heraufwölbt wie ein einziges großes Hinterteil. Nach dem
Muſter anderer höherer Tiere ſollte man erwarten, daß etwa
am Ende dieſes Leibesſackes mindeſtens eine zweite Öffnung
ſich fände, die als After und Geſchlechtsthor diente. Aber da
hinten iſt alles rund und glatt wie ein Apfel. Dafür findet
ſich dicht unter dem Kopfe an der Bauchſeite ein Spalt, ähnlich
etwa dem Spalt einer Kieme, wie ſie der Fiſch zu Atmungs¬
zwecken beſitzt. Neben dem Spalt kommt noch eine kleine be¬
ſondere Öffnung wie das Mundloch einer Röhre hervor. Spalt
wie Röhre führen nebeneinander in eine merkwürdige Höhlung
des Innenleibes, die wie eine äußere Taſche am Bauch herab¬
geht. Es zeigt ſich, wenn man die Taſche aufdeckt, daß der
ganze Leibesſack des Tintenfiſchs eigentlich aus zwei Säcken
beſteht: einem innerlichen, wirklichen Leibesſack, der die Ein¬
geweide, Hoden, Eierſtock u. ſ. w. enthält, und einem äußeren
Hautſack, der den Innenſack wie ein loſer Mantel umkleidet.
Die ſcheinbare Taſche iſt nichts anderes als der offene Hohl¬
raum der Bauchſeite zwiſchen dem echten Leibesſack und dem
äußeren Mantel. Erſt in dieſen Hohlraum öffnen ſich vom
Innenſack her durch richtige Löcher die im tiefſten Innern
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/314>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.