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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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ein bis zwei Tagen hineingeheckt, und kaum ist die Zahl voll,
so scharrt die besorgte Alte auch schon wieder mit Erde die
ganze Wiege zu, daß ihre Spur nicht mehr gefunden werde.
Nach Monatsfrist steigen die Jungen endlich, fertig entwickelt
zum Freileben an der Luft, lustig aus ihrem Wiegengrab hervor.
Wieder steht dir auf der Staffel vom Seestern zur Ma¬
donna eine neue Sprosse vor dem Blick ..... an Stelle des
wilden Opfertodes für die aufkeimenden Jungen, den der Wurm
dir in so grausigen Bildern bot, jetzt rührende Sorge für das
Wohl der erst werdenden Jungen durch die lebende Mutter.
Die Muttersorge, dieses Stück überströmender, in neue Ziele
einlenkender Geschlechtsliebe, tritt aus dem passiven Tode über
ins aktive Leben, -- wieder ein Fingerzeig, wie in der Liebe
sich Leben und Tod verschlingt und höhere Liebesformen den
Tod zugleich aufheben in höheres Leben hinein .....

Laß mich das Bild der Schneckenliebe dir beschließen noch
mit einem wilden Schauspiel, das wie ein wahrer Dithyrambus
äußerster Liebesenergie aus den Wassern steigt.

Erinnerst du dich der kleinen Leberegel, von denen ich dir
erzählt habe? Aus dem Gallengang der Schafe wanderten die
jungen Tiere in den Leib jener hübschen Schlammschnecken vom
Geschlechte Limnäa in unseren Teichen aus. Dort wuchs in
jedem winzigen Egelchen eine neue Egelbrut, die die Mutter
oder Amme innerlich zerquetschte, und in den kleinsten Egeln
keimten dann, noch ehe sie die Haut der toten Mutter gesprengt,
abermals allerkleinste Enkelegel, die ihnen wieder den Garaus
machten. Diese Schreckenspyramide gipfelte sich, wie gesagt, im
Innern von Schnecken auf, ohne daß die Schnecken selbst sich
darum bekümmerten.

Jetzt laß uns außen bei diesen Schnecken im ganzen bleiben
und laß uns sehen, was sie unter sich wieder für eigene Liebes¬
pyramiden türmen.

Diese Sumpfbewohner sind echte Schnecken genau wie
unsere alte Weinbergschnecke und sie sind innerlich Zwitter, also

ein bis zwei Tagen hineingeheckt, und kaum iſt die Zahl voll,
ſo ſcharrt die beſorgte Alte auch ſchon wieder mit Erde die
ganze Wiege zu, daß ihre Spur nicht mehr gefunden werde.
Nach Monatsfriſt ſteigen die Jungen endlich, fertig entwickelt
zum Freileben an der Luft, luſtig aus ihrem Wiegengrab hervor.
Wieder ſteht dir auf der Staffel vom Seeſtern zur Ma¬
donna eine neue Sproſſe vor dem Blick ..... an Stelle des
wilden Opfertodes für die aufkeimenden Jungen, den der Wurm
dir in ſo grauſigen Bildern bot, jetzt rührende Sorge für das
Wohl der erſt werdenden Jungen durch die lebende Mutter.
Die Mutterſorge, dieſes Stück überſtrömender, in neue Ziele
einlenkender Geſchlechtsliebe, tritt aus dem paſſiven Tode über
ins aktive Leben, — wieder ein Fingerzeig, wie in der Liebe
ſich Leben und Tod verſchlingt und höhere Liebesformen den
Tod zugleich aufheben in höheres Leben hinein .....

Laß mich das Bild der Schneckenliebe dir beſchließen noch
mit einem wilden Schauſpiel, das wie ein wahrer Dithyrambus
äußerſter Liebesenergie aus den Waſſern ſteigt.

Erinnerſt du dich der kleinen Leberegel, von denen ich dir
erzählt habe? Aus dem Gallengang der Schafe wanderten die
jungen Tiere in den Leib jener hübſchen Schlammſchnecken vom
Geſchlechte Limnäa in unſeren Teichen aus. Dort wuchs in
jedem winzigen Egelchen eine neue Egelbrut, die die Mutter
oder Amme innerlich zerquetſchte, und in den kleinſten Egeln
keimten dann, noch ehe ſie die Haut der toten Mutter geſprengt,
abermals allerkleinſte Enkelegel, die ihnen wieder den Garaus
machten. Dieſe Schreckenspyramide gipfelte ſich, wie geſagt, im
Innern von Schnecken auf, ohne daß die Schnecken ſelbſt ſich
darum bekümmerten.

Jetzt laß uns außen bei dieſen Schnecken im ganzen bleiben
und laß uns ſehen, was ſie unter ſich wieder für eigene Liebes¬
pyramiden türmen.

Dieſe Sumpfbewohner ſind echte Schnecken genau wie
unſere alte Weinbergſchnecke und ſie ſind innerlich Zwitter, alſo

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[290/0306] ein bis zwei Tagen hineingeheckt, und kaum iſt die Zahl voll, ſo ſcharrt die beſorgte Alte auch ſchon wieder mit Erde die ganze Wiege zu, daß ihre Spur nicht mehr gefunden werde. Nach Monatsfriſt ſteigen die Jungen endlich, fertig entwickelt zum Freileben an der Luft, luſtig aus ihrem Wiegengrab hervor. Wieder ſteht dir auf der Staffel vom Seeſtern zur Ma¬ donna eine neue Sproſſe vor dem Blick ..... an Stelle des wilden Opfertodes für die aufkeimenden Jungen, den der Wurm dir in ſo grauſigen Bildern bot, jetzt rührende Sorge für das Wohl der erſt werdenden Jungen durch die lebende Mutter. Die Mutterſorge, dieſes Stück überſtrömender, in neue Ziele einlenkender Geſchlechtsliebe, tritt aus dem paſſiven Tode über ins aktive Leben, — wieder ein Fingerzeig, wie in der Liebe ſich Leben und Tod verſchlingt und höhere Liebesformen den Tod zugleich aufheben in höheres Leben hinein ..... Laß mich das Bild der Schneckenliebe dir beſchließen noch mit einem wilden Schauſpiel, das wie ein wahrer Dithyrambus äußerſter Liebesenergie aus den Waſſern ſteigt. Erinnerſt du dich der kleinen Leberegel, von denen ich dir erzählt habe? Aus dem Gallengang der Schafe wanderten die jungen Tiere in den Leib jener hübſchen Schlammſchnecken vom Geſchlechte Limnäa in unſeren Teichen aus. Dort wuchs in jedem winzigen Egelchen eine neue Egelbrut, die die Mutter oder Amme innerlich zerquetſchte, und in den kleinſten Egeln keimten dann, noch ehe ſie die Haut der toten Mutter geſprengt, abermals allerkleinſte Enkelegel, die ihnen wieder den Garaus machten. Dieſe Schreckenspyramide gipfelte ſich, wie geſagt, im Innern von Schnecken auf, ohne daß die Schnecken ſelbſt ſich darum bekümmerten. Jetzt laß uns außen bei dieſen Schnecken im ganzen bleiben und laß uns ſehen, was ſie unter ſich wieder für eigene Liebes¬ pyramiden türmen. Dieſe Sumpfbewohner ſind echte Schnecken genau wie unſere alte Weinbergſchnecke und ſie ſind innerlich Zwitter, alſo

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/306>, abgerufen am 24.11.2024.