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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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zuschauen wie eine stachelige Frucht, ein Klumpen harter Schale
mit scharfen Spitzen nach allen Seiten. Erst daran, daß das
Ding sich bewegt, merkst du, daß es keine ins Meer gespielte
wirkliche Kastanienfrucht, sondern ein Tier ist.

Bei genauerem Zuschauen entdeckst du wohl auch bei den
meisten Sorten an den beiden Polen der Kugel je eine Art
Pforte zum Innern. Die obere, der Nordpol der Stachelkugel, ist
die After- und Geschlechtsöffnung, die untere der Mund. Und
zwischen diesem After und Mund liegt kopfgestellt in der Schale
thatsächlich ein ganz gut entwickeltes Tier, das in vielem schon
fortgeschrittener ist als ein Wurm. Am besten knüpfst du dir
in Gedanken bei einem solchen Wurm an, denkst ihn dir zu¬
sammengewurschtelt, bis er eine Kugel bildet mit dem After
oben und dem Maul unten, und denkst dir dann die weiche
Haut durch Einlagerung von Kalkplättchen in einen harten
Panzer verwandelt, auf dem zum weiteren Schutz noch beweg¬
liche Stacheln sitzen. Die weiteren zoologischen Details kannst
du dir für unseren Zweck schenken, sie sind entsprechend so ab¬
sonderlichem Bau verwickelt genug.

Unsere tierische Stachelkastanie hat nun auch ihre Liebes¬
geschichte und zwar eine ausreichend kuriose.

Der italienische Fischer am Mittelmeer holt sich bestimmte
Seeigel derselben Art heraus, andere wirft er fort. Jene kann
er brauchen, er bricht ihre Schale auseinander und greift sich
fünf traubige goldgelbe Gebilde darin, die er unter die Lecker¬
bissen seiner Tafel zählt. Die gelben Dinger sind die Eier¬
stöcke, und die ausgewählten Seeigel sind allesamt Weibchen.
Die fortgemusterten hatten keine Eiertrauben und waren Männer.
So siehst du: wir sind nach so vielerlei Zwitterei jetzt wieder
im Gebiete fester Geschlechtstrennung.

Wenn der Vollmond seinen Silberduft über das träumende
Meer streut, stößt in der Tiefe die weibliche Stachelkugel ihre
reifen Eier ins Wasser hinaus, und die männliche gießt als¬
bald ihren Samen darüber, ohne daß eine eigentliche innere

zuſchauen wie eine ſtachelige Frucht, ein Klumpen harter Schale
mit ſcharfen Spitzen nach allen Seiten. Erſt daran, daß das
Ding ſich bewegt, merkſt du, daß es keine ins Meer geſpielte
wirkliche Kaſtanienfrucht, ſondern ein Tier iſt.

Bei genauerem Zuſchauen entdeckſt du wohl auch bei den
meiſten Sorten an den beiden Polen der Kugel je eine Art
Pforte zum Innern. Die obere, der Nordpol der Stachelkugel, iſt
die After- und Geſchlechtsöffnung, die untere der Mund. Und
zwiſchen dieſem After und Mund liegt kopfgeſtellt in der Schale
thatſächlich ein ganz gut entwickeltes Tier, das in vielem ſchon
fortgeſchrittener iſt als ein Wurm. Am beſten knüpfſt du dir
in Gedanken bei einem ſolchen Wurm an, denkſt ihn dir zu¬
ſammengewurſchtelt, bis er eine Kugel bildet mit dem After
oben und dem Maul unten, und denkſt dir dann die weiche
Haut durch Einlagerung von Kalkplättchen in einen harten
Panzer verwandelt, auf dem zum weiteren Schutz noch beweg¬
liche Stacheln ſitzen. Die weiteren zoologiſchen Details kannſt
du dir für unſeren Zweck ſchenken, ſie ſind entſprechend ſo ab¬
ſonderlichem Bau verwickelt genug.

Unſere tieriſche Stachelkaſtanie hat nun auch ihre Liebes¬
geſchichte und zwar eine ausreichend kurioſe.

Der italieniſche Fiſcher am Mittelmeer holt ſich beſtimmte
Seeigel derſelben Art heraus, andere wirft er fort. Jene kann
er brauchen, er bricht ihre Schale auseinander und greift ſich
fünf traubige goldgelbe Gebilde darin, die er unter die Lecker¬
biſſen ſeiner Tafel zählt. Die gelben Dinger ſind die Eier¬
ſtöcke, und die ausgewählten Seeigel ſind alleſamt Weibchen.
Die fortgemuſterten hatten keine Eiertrauben und waren Männer.
So ſiehſt du: wir ſind nach ſo vielerlei Zwitterei jetzt wieder
im Gebiete feſter Geſchlechtstrennung.

Wenn der Vollmond ſeinen Silberduft über das träumende
Meer ſtreut, ſtößt in der Tiefe die weibliche Stachelkugel ihre
reifen Eier ins Waſſer hinaus, und die männliche gießt als¬
bald ihren Samen darüber, ohne daß eine eigentliche innere

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[269/0285] zuſchauen wie eine ſtachelige Frucht, ein Klumpen harter Schale mit ſcharfen Spitzen nach allen Seiten. Erſt daran, daß das Ding ſich bewegt, merkſt du, daß es keine ins Meer geſpielte wirkliche Kaſtanienfrucht, ſondern ein Tier iſt. Bei genauerem Zuſchauen entdeckſt du wohl auch bei den meiſten Sorten an den beiden Polen der Kugel je eine Art Pforte zum Innern. Die obere, der Nordpol der Stachelkugel, iſt die After- und Geſchlechtsöffnung, die untere der Mund. Und zwiſchen dieſem After und Mund liegt kopfgeſtellt in der Schale thatſächlich ein ganz gut entwickeltes Tier, das in vielem ſchon fortgeſchrittener iſt als ein Wurm. Am beſten knüpfſt du dir in Gedanken bei einem ſolchen Wurm an, denkſt ihn dir zu¬ ſammengewurſchtelt, bis er eine Kugel bildet mit dem After oben und dem Maul unten, und denkſt dir dann die weiche Haut durch Einlagerung von Kalkplättchen in einen harten Panzer verwandelt, auf dem zum weiteren Schutz noch beweg¬ liche Stacheln ſitzen. Die weiteren zoologiſchen Details kannſt du dir für unſeren Zweck ſchenken, ſie ſind entſprechend ſo ab¬ ſonderlichem Bau verwickelt genug. Unſere tieriſche Stachelkaſtanie hat nun auch ihre Liebes¬ geſchichte und zwar eine ausreichend kurioſe. Der italieniſche Fiſcher am Mittelmeer holt ſich beſtimmte Seeigel derſelben Art heraus, andere wirft er fort. Jene kann er brauchen, er bricht ihre Schale auseinander und greift ſich fünf traubige goldgelbe Gebilde darin, die er unter die Lecker¬ biſſen ſeiner Tafel zählt. Die gelben Dinger ſind die Eier¬ ſtöcke, und die ausgewählten Seeigel ſind alleſamt Weibchen. Die fortgemuſterten hatten keine Eiertrauben und waren Männer. So ſiehſt du: wir ſind nach ſo vielerlei Zwitterei jetzt wieder im Gebiete feſter Geſchlechtstrennung. Wenn der Vollmond ſeinen Silberduft über das träumende Meer ſtreut, ſtößt in der Tiefe die weibliche Stachelkugel ihre reifen Eier ins Waſſer hinaus, und die männliche gießt als¬ bald ihren Samen darüber, ohne daß eine eigentliche innere

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/285>, abgerufen am 24.11.2024.