nur mehr eine Anhängselsache, die die Grunddinge nicht mehr berührt. Bleiben wir bei diesen mit Einschluß des Anhängsels als einem Ganzen.
Mache mal wieder einen raschen Salto mortale vom Ur¬ wesen dieser letzten Art zu dir, dem Menschentier. Wo liegt der Unterschied? Hier stehen zwei Menschenindividuen. Von verschiedenem Geschlecht. Mann und Weib. Beide schreiten zur Fortpflanzung. Was geschieht zuerst? Beide spalten sich. Wie, -- ein Menschenmann oder Menschenweib reißt sich doch nicht zum Liebesakt einfach in zwei Hälften wie Rumpelstilzchen oder wie ein Bazillus? Nein, in zwei Hälften nicht. Aber das thun ja auch die Zwerge unserer letzten Stufe beide schon nicht mehr. Mann sowohl wie Weib spalten sich auch beim Menschen zunächst, aber sie spalten sich wie dort beide un¬ gleich. Der Mann spaltet von seinem Riesenleibe ein kleines Stückchen ab und ebenso das Weib von seinem Riesenleibe. Dieses Stückchen besteht aber, genau betrachtet, beim Manne aus einem Haufen winziger beweglicher Schwärmzellchen: den Samentierchen. Und beim Weibe besteht es aus einer großen, reifen, langsam der Gebärmutter zu bewegten Ruhe¬ zelle: der Eizelle. Mann wie Weib wissen: es nützt ihnen nichts, ihre Spaltungsprodukte zu eigener Liebesfahrt ins Freie hinaus zu entlassen. Es bedarf dazu einer besonderen An¬ näherung der beiden großen Eltermenschen selber: indem diese sich begegnen, als wollten sie selber im urgrauesten Ahnen¬ brauch noch einmal Leib zu Leib in Eines verschmelzen, geben sie einem der Samenzellchen Gelegenheit, die Eizelle zu er¬ reichen und hier innerlich wirklich einen Verschmelzungsakt herbeizuführen, der zum Aufbau eines neuen Wesens gleichsam beiden Zellen die nötige "lebendige Nahrung" giebt.
Aber da wäre ja dann gar kein besonderer Unter¬ schied mehr? Unsere letzte Zwergenstufe mit ihrem Liebes¬ akt wäre hinsichtlich der Liebessachen selber schon der Mensch?
nur mehr eine Anhängſelſache, die die Grunddinge nicht mehr berührt. Bleiben wir bei dieſen mit Einſchluß des Anhängſels als einem Ganzen.
Mache mal wieder einen raſchen Salto mortale vom Ur¬ weſen dieſer letzten Art zu dir, dem Menſchentier. Wo liegt der Unterſchied? Hier ſtehen zwei Menſchenindividuen. Von verſchiedenem Geſchlecht. Mann und Weib. Beide ſchreiten zur Fortpflanzung. Was geſchieht zuerſt? Beide ſpalten ſich. Wie, — ein Menſchenmann oder Menſchenweib reißt ſich doch nicht zum Liebesakt einfach in zwei Hälften wie Rumpelſtilzchen oder wie ein Bazillus? Nein, in zwei Hälften nicht. Aber das thun ja auch die Zwerge unſerer letzten Stufe beide ſchon nicht mehr. Mann ſowohl wie Weib ſpalten ſich auch beim Menſchen zunächſt, aber ſie ſpalten ſich wie dort beide un¬ gleich. Der Mann ſpaltet von ſeinem Rieſenleibe ein kleines Stückchen ab und ebenſo das Weib von ſeinem Rieſenleibe. Dieſes Stückchen beſteht aber, genau betrachtet, beim Manne aus einem Haufen winziger beweglicher Schwärmzellchen: den Samentierchen. Und beim Weibe beſteht es aus einer großen, reifen, langſam der Gebärmutter zu bewegten Ruhe¬ zelle: der Eizelle. Mann wie Weib wiſſen: es nützt ihnen nichts, ihre Spaltungsprodukte zu eigener Liebesfahrt ins Freie hinaus zu entlaſſen. Es bedarf dazu einer beſonderen An¬ näherung der beiden großen Eltermenſchen ſelber: indem dieſe ſich begegnen, als wollten ſie ſelber im urgraueſten Ahnen¬ brauch noch einmal Leib zu Leib in Eines verſchmelzen, geben ſie einem der Samenzellchen Gelegenheit, die Eizelle zu er¬ reichen und hier innerlich wirklich einen Verſchmelzungsakt herbeizuführen, der zum Aufbau eines neuen Weſens gleichſam beiden Zellen die nötige „lebendige Nahrung“ giebt.
Aber da wäre ja dann gar kein beſonderer Unter¬ ſchied mehr? Unſere letzte Zwergenſtufe mit ihrem Liebes¬ akt wäre hinſichtlich der Liebesſachen ſelber ſchon der Menſch?
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0181"n="165"/>
nur mehr eine Anhängſelſache, die die Grunddinge nicht mehr<lb/>
berührt. Bleiben wir bei dieſen mit Einſchluß des Anhängſels<lb/>
als einem Ganzen.</p><lb/><p>Mache mal wieder einen raſchen Salto mortale vom Ur¬<lb/>
weſen dieſer letzten Art zu dir, dem Menſchentier. Wo liegt<lb/>
der Unterſchied? Hier ſtehen zwei Menſchenindividuen. Von<lb/>
verſchiedenem Geſchlecht. Mann und Weib. Beide ſchreiten<lb/>
zur Fortpflanzung. Was geſchieht zuerſt? Beide ſpalten ſich.<lb/>
Wie, — ein Menſchenmann oder Menſchenweib reißt ſich doch<lb/>
nicht zum Liebesakt einfach in zwei Hälften wie Rumpelſtilzchen<lb/>
oder wie ein Bazillus? Nein, in zwei Hälften nicht. Aber<lb/>
das thun ja auch die Zwerge unſerer letzten Stufe beide ſchon<lb/>
nicht mehr. Mann ſowohl wie Weib ſpalten ſich auch beim<lb/>
Menſchen zunächſt, aber ſie ſpalten ſich wie dort beide <hirendition="#g">un¬<lb/>
gleich</hi>. Der Mann ſpaltet von ſeinem Rieſenleibe ein kleines<lb/>
Stückchen ab und ebenſo das Weib von ſeinem Rieſenleibe.<lb/>
Dieſes Stückchen beſteht aber, genau betrachtet, beim Manne<lb/>
aus einem Haufen winziger beweglicher Schwärmzellchen: den<lb/><hirendition="#g">Samentierchen</hi>. Und beim Weibe beſteht es aus einer<lb/>
großen, reifen, langſam der Gebärmutter zu bewegten Ruhe¬<lb/>
zelle: der <hirendition="#g">Eizelle</hi>. Mann wie Weib wiſſen: es nützt ihnen<lb/>
nichts, ihre Spaltungsprodukte zu eigener Liebesfahrt ins Freie<lb/>
hinaus zu entlaſſen. Es bedarf dazu einer beſonderen An¬<lb/>
näherung der beiden großen Eltermenſchen ſelber: indem dieſe<lb/>ſich begegnen, als wollten ſie ſelber im urgraueſten Ahnen¬<lb/>
brauch noch einmal Leib zu Leib in Eines verſchmelzen, geben<lb/>ſie einem der Samenzellchen Gelegenheit, die Eizelle zu er¬<lb/>
reichen und hier innerlich wirklich einen Verſchmelzungsakt<lb/>
herbeizuführen, der zum Aufbau eines neuen Weſens gleichſam<lb/>
beiden Zellen die nötige „lebendige Nahrung“ giebt.</p><lb/><p>Aber da wäre ja dann gar kein beſonderer Unter¬<lb/>ſchied mehr? Unſere letzte Zwergenſtufe mit ihrem Liebes¬<lb/>
akt <hirendition="#g">wäre</hi> hinſichtlich der Liebesſachen <hirendition="#g">ſelber ſchon der<lb/>
Menſch</hi>?</p><lb/></div></body></text></TEI>
[165/0181]
nur mehr eine Anhängſelſache, die die Grunddinge nicht mehr
berührt. Bleiben wir bei dieſen mit Einſchluß des Anhängſels
als einem Ganzen.
Mache mal wieder einen raſchen Salto mortale vom Ur¬
weſen dieſer letzten Art zu dir, dem Menſchentier. Wo liegt
der Unterſchied? Hier ſtehen zwei Menſchenindividuen. Von
verſchiedenem Geſchlecht. Mann und Weib. Beide ſchreiten
zur Fortpflanzung. Was geſchieht zuerſt? Beide ſpalten ſich.
Wie, — ein Menſchenmann oder Menſchenweib reißt ſich doch
nicht zum Liebesakt einfach in zwei Hälften wie Rumpelſtilzchen
oder wie ein Bazillus? Nein, in zwei Hälften nicht. Aber
das thun ja auch die Zwerge unſerer letzten Stufe beide ſchon
nicht mehr. Mann ſowohl wie Weib ſpalten ſich auch beim
Menſchen zunächſt, aber ſie ſpalten ſich wie dort beide un¬
gleich. Der Mann ſpaltet von ſeinem Rieſenleibe ein kleines
Stückchen ab und ebenſo das Weib von ſeinem Rieſenleibe.
Dieſes Stückchen beſteht aber, genau betrachtet, beim Manne
aus einem Haufen winziger beweglicher Schwärmzellchen: den
Samentierchen. Und beim Weibe beſteht es aus einer
großen, reifen, langſam der Gebärmutter zu bewegten Ruhe¬
zelle: der Eizelle. Mann wie Weib wiſſen: es nützt ihnen
nichts, ihre Spaltungsprodukte zu eigener Liebesfahrt ins Freie
hinaus zu entlaſſen. Es bedarf dazu einer beſonderen An¬
näherung der beiden großen Eltermenſchen ſelber: indem dieſe
ſich begegnen, als wollten ſie ſelber im urgraueſten Ahnen¬
brauch noch einmal Leib zu Leib in Eines verſchmelzen, geben
ſie einem der Samenzellchen Gelegenheit, die Eizelle zu er¬
reichen und hier innerlich wirklich einen Verſchmelzungsakt
herbeizuführen, der zum Aufbau eines neuen Weſens gleichſam
beiden Zellen die nötige „lebendige Nahrung“ giebt.
Aber da wäre ja dann gar kein beſonderer Unter¬
ſchied mehr? Unſere letzte Zwergenſtufe mit ihrem Liebes¬
akt wäre hinſichtlich der Liebesſachen ſelber ſchon der
Menſch?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/181>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.