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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Bloß eins zeigte sich durchweg als Zugabe. Du erinnerst
dich: jene Zwerglein, die sich durch ungleiche Zweiteilung
mehrten, zeigten als Teilungsergebnis immer ein großes --
gleichsam ein Mutterstück, und ein kleineres -- gleichsam ein
Tochterstück. Diese Methode der "Ungleichheit" bei der Teilung
vererbte sich nun allmählich auf alle Nachkommen, auch auf
die, die sich nicht in zwei, sondern in zwölf und zwanzig
Teile zerspalteten. Auch bei diesen letzteren erfolgte durchweg
die Teilerei jetzt so, daß der alte Rumpelstilz von sich zwar
eine ganze Masse kleiner Teilchen losriß, einen größeren Teil
aber als ungleichen Hauptrest übrig ließ. Also: auf der einen
Seite fortan Zweiteilung -- ein großer Teil und ein kleiner;
auf der andern Seite, sagen wir, Zwanzigteilung -- ein großer
Teil und neunzehn kleine. Beide Hauptteile waren groß
genug, um sich ohne Verschmelzung durch einfache Nahrungs¬
aufnahme wieder zur vollen Größe auszuwachsen. Sie blieben
zunächst in beiden Fällen einfach sitzen, und bloß die neunzehn
kleinen Spaltzwerglein schwärmten von dem einen aus, und
eines davon erreichte schließlich den einen Spaltzwerg des
andern zu glücklicher Vermischung.

Später kam aber hierzu noch eine Verfeinerung auf.
Der große Teilrestzwerg mit den neunzehn kleinen Zwerglein
ließ diese muntere Bande nicht mehr selbständig auf gut Glück
loswandern. Er selbst machte sich samt der ganzen Kolonie
auf die Wanderschaft. Er suchte sich einen Zwerg der anderen
Sorte, der gerade seinen kleineren Teil von sich losspaltete.
Und indem er sich dicht an diesen anderen Zwerg heranlegte,
ließ er rasch eines der eigenen neunzehn Kleinzwerglein los,
ließ es hinüberflitschen und ließ es mit dem sich ablösenden
Teilzwerge drüben zusammenschmelzen.

Diese Methode war auf alle Fälle eine Verfeinerung der
ganzen Sache hinsichtlich der Sicherheit. Zugleich deutete sie
allerdings schon auf eine Wandlung im ganzen Benehmen der
Zwerge hin, die sehr bemerkenswert zu werden versprach. Das

Bloß eins zeigte ſich durchweg als Zugabe. Du erinnerſt
dich: jene Zwerglein, die ſich durch ungleiche Zweiteilung
mehrten, zeigten als Teilungsergebnis immer ein großes —
gleichſam ein Mutterſtück, und ein kleineres — gleichſam ein
Tochterſtück. Dieſe Methode der „Ungleichheit“ bei der Teilung
vererbte ſich nun allmählich auf alle Nachkommen, auch auf
die, die ſich nicht in zwei, ſondern in zwölf und zwanzig
Teile zerſpalteten. Auch bei dieſen letzteren erfolgte durchweg
die Teilerei jetzt ſo, daß der alte Rumpelſtilz von ſich zwar
eine ganze Maſſe kleiner Teilchen losriß, einen größeren Teil
aber als ungleichen Hauptreſt übrig ließ. Alſo: auf der einen
Seite fortan Zweiteilung — ein großer Teil und ein kleiner;
auf der andern Seite, ſagen wir, Zwanzigteilung — ein großer
Teil und neunzehn kleine. Beide Hauptteile waren groß
genug, um ſich ohne Verſchmelzung durch einfache Nahrungs¬
aufnahme wieder zur vollen Größe auszuwachſen. Sie blieben
zunächſt in beiden Fällen einfach ſitzen, und bloß die neunzehn
kleinen Spaltzwerglein ſchwärmten von dem einen aus, und
eines davon erreichte ſchließlich den einen Spaltzwerg des
andern zu glücklicher Vermiſchung.

Später kam aber hierzu noch eine Verfeinerung auf.
Der große Teilreſtzwerg mit den neunzehn kleinen Zwerglein
ließ dieſe muntere Bande nicht mehr ſelbſtändig auf gut Glück
loswandern. Er ſelbſt machte ſich ſamt der ganzen Kolonie
auf die Wanderſchaft. Er ſuchte ſich einen Zwerg der anderen
Sorte, der gerade ſeinen kleineren Teil von ſich losſpaltete.
Und indem er ſich dicht an dieſen anderen Zwerg heranlegte,
ließ er raſch eines der eigenen neunzehn Kleinzwerglein los,
ließ es hinüberflitſchen und ließ es mit dem ſich ablöſenden
Teilzwerge drüben zuſammenſchmelzen.

Dieſe Methode war auf alle Fälle eine Verfeinerung der
ganzen Sache hinſichtlich der Sicherheit. Zugleich deutete ſie
allerdings ſchon auf eine Wandlung im ganzen Benehmen der
Zwerge hin, die ſehr bemerkenswert zu werden verſprach. Das

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[139/0155] Bloß eins zeigte ſich durchweg als Zugabe. Du erinnerſt dich: jene Zwerglein, die ſich durch ungleiche Zweiteilung mehrten, zeigten als Teilungsergebnis immer ein großes — gleichſam ein Mutterſtück, und ein kleineres — gleichſam ein Tochterſtück. Dieſe Methode der „Ungleichheit“ bei der Teilung vererbte ſich nun allmählich auf alle Nachkommen, auch auf die, die ſich nicht in zwei, ſondern in zwölf und zwanzig Teile zerſpalteten. Auch bei dieſen letzteren erfolgte durchweg die Teilerei jetzt ſo, daß der alte Rumpelſtilz von ſich zwar eine ganze Maſſe kleiner Teilchen losriß, einen größeren Teil aber als ungleichen Hauptreſt übrig ließ. Alſo: auf der einen Seite fortan Zweiteilung — ein großer Teil und ein kleiner; auf der andern Seite, ſagen wir, Zwanzigteilung — ein großer Teil und neunzehn kleine. Beide Hauptteile waren groß genug, um ſich ohne Verſchmelzung durch einfache Nahrungs¬ aufnahme wieder zur vollen Größe auszuwachſen. Sie blieben zunächſt in beiden Fällen einfach ſitzen, und bloß die neunzehn kleinen Spaltzwerglein ſchwärmten von dem einen aus, und eines davon erreichte ſchließlich den einen Spaltzwerg des andern zu glücklicher Vermiſchung. Später kam aber hierzu noch eine Verfeinerung auf. Der große Teilreſtzwerg mit den neunzehn kleinen Zwerglein ließ dieſe muntere Bande nicht mehr ſelbſtändig auf gut Glück loswandern. Er ſelbſt machte ſich ſamt der ganzen Kolonie auf die Wanderſchaft. Er ſuchte ſich einen Zwerg der anderen Sorte, der gerade ſeinen kleineren Teil von ſich losſpaltete. Und indem er ſich dicht an dieſen anderen Zwerg heranlegte, ließ er raſch eines der eigenen neunzehn Kleinzwerglein los, ließ es hinüberflitſchen und ließ es mit dem ſich ablöſenden Teilzwerge drüben zuſammenſchmelzen. Dieſe Methode war auf alle Fälle eine Verfeinerung der ganzen Sache hinſichtlich der Sicherheit. Zugleich deutete ſie allerdings ſchon auf eine Wandlung im ganzen Benehmen der Zwerge hin, die ſehr bemerkenswert zu werden verſprach. Das

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/155>, abgerufen am 28.04.2024.