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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Brudervermischung ohnehin wegfiel (es gab ja überhaupt keine
gleichgroßen Brüder hier), so hatte man sich im ganzen auch
von dem Herumwandern viel ferner gehalten, war seßhafter
am Fleck geblieben und spielte mehr eine geduldig abwartende
als eine aktive Rolle.

Nun aber kam's! Auf solche relativ großen, seßhaften
Zwerge stoßen wandernde Duodezrumpelchen. Heisa, was ein
Bissen! Sicherlich ist er fremd, denn er ist ja mächtig viel
größer und im behäbigen Habitus auch sonst alsbald vom
reisigen Wanderburschen zu unterscheiden. Die Frage ist nur:
wird dieser dicke Kerl noch in einen Zusammenschluß willigen?
Aber wahrhaftig: er will. Ihm fehlt ja gerade zur vollen
Größe nur noch eine kleine Zuthat. Nun bietet sich das an¬
reisende fremde Stilzchen wie vom Himmel gefallen dar --
gerade mit der noch fehlenden Masse, nicht zu viel, nicht zu
wenig. Offene Arme -- ritsch -- Zusammenschluß -- ein
schönster Zwerg steht da.

Das war nun ein Glücksfund für beide Teile. Der
mußte ausgenutzt werden! Eine neue Parole schien aus¬
gegeben. Nur noch solche großen trägen Zwerge suchen! Nicht
mehr Verschmelzung mit Brüdern, aber auch draußen nicht
mehr mit beliebigen Fremden, sondern nur noch Anschluß an
jene verschieden aussehenden seßhaften Fremdzwerge.

Mit der Zeit gewöhnten sich beide Parteien aneinander,
als müßte es so sein, daß die eine die andere fand. Die
großen Zwerge erwarteten die kleinen und die kleinen zählten
darauf, große bereit zu finden. Jetzt erst war das Schicksal
der kleinen Zwerglein bis zu den kleinsten herab eigentlich
gesichert, ja sie konnten getrost sogar gelegentlich noch kleiner
werden: die große andere Partei half doch durch mit ihrer
dauerhaften eigenen Größe. Heisa, wie schön jetzt alles klappte!
Die alte, schlichte Kinderkriegerei war zwar jetzt im ganzen
eine kompliziertere Sache geworden. Es hieß nicht mehr einfach:
friß, wachse und zerspalte dich. Mitten ins Wachstum hinein

Brudervermiſchung ohnehin wegfiel (es gab ja überhaupt keine
gleichgroßen Brüder hier), ſo hatte man ſich im ganzen auch
von dem Herumwandern viel ferner gehalten, war ſeßhafter
am Fleck geblieben und ſpielte mehr eine geduldig abwartende
als eine aktive Rolle.

Nun aber kam's! Auf ſolche relativ großen, ſeßhaften
Zwerge ſtoßen wandernde Duodezrumpelchen. Heiſa, was ein
Biſſen! Sicherlich iſt er fremd, denn er iſt ja mächtig viel
größer und im behäbigen Habitus auch ſonſt alsbald vom
reiſigen Wanderburſchen zu unterſcheiden. Die Frage iſt nur:
wird dieſer dicke Kerl noch in einen Zuſammenſchluß willigen?
Aber wahrhaftig: er will. Ihm fehlt ja gerade zur vollen
Größe nur noch eine kleine Zuthat. Nun bietet ſich das an¬
reiſende fremde Stilzchen wie vom Himmel gefallen dar —
gerade mit der noch fehlenden Maſſe, nicht zu viel, nicht zu
wenig. Offene Arme — ritſch — Zuſammenſchluß — ein
ſchönſter Zwerg ſteht da.

Das war nun ein Glücksfund für beide Teile. Der
mußte ausgenutzt werden! Eine neue Parole ſchien aus¬
gegeben. Nur noch ſolche großen trägen Zwerge ſuchen! Nicht
mehr Verſchmelzung mit Brüdern, aber auch draußen nicht
mehr mit beliebigen Fremden, ſondern nur noch Anſchluß an
jene verſchieden ausſehenden ſeßhaften Fremdzwerge.

Mit der Zeit gewöhnten ſich beide Parteien aneinander,
als müßte es ſo ſein, daß die eine die andere fand. Die
großen Zwerge erwarteten die kleinen und die kleinen zählten
darauf, große bereit zu finden. Jetzt erſt war das Schickſal
der kleinen Zwerglein bis zu den kleinſten herab eigentlich
geſichert, ja ſie konnten getroſt ſogar gelegentlich noch kleiner
werden: die große andere Partei half doch durch mit ihrer
dauerhaften eigenen Größe. Heiſa, wie ſchön jetzt alles klappte!
Die alte, ſchlichte Kinderkriegerei war zwar jetzt im ganzen
eine kompliziertere Sache geworden. Es hieß nicht mehr einfach:
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[137/0153] Brudervermiſchung ohnehin wegfiel (es gab ja überhaupt keine gleichgroßen Brüder hier), ſo hatte man ſich im ganzen auch von dem Herumwandern viel ferner gehalten, war ſeßhafter am Fleck geblieben und ſpielte mehr eine geduldig abwartende als eine aktive Rolle. Nun aber kam's! Auf ſolche relativ großen, ſeßhaften Zwerge ſtoßen wandernde Duodezrumpelchen. Heiſa, was ein Biſſen! Sicherlich iſt er fremd, denn er iſt ja mächtig viel größer und im behäbigen Habitus auch ſonſt alsbald vom reiſigen Wanderburſchen zu unterſcheiden. Die Frage iſt nur: wird dieſer dicke Kerl noch in einen Zuſammenſchluß willigen? Aber wahrhaftig: er will. Ihm fehlt ja gerade zur vollen Größe nur noch eine kleine Zuthat. Nun bietet ſich das an¬ reiſende fremde Stilzchen wie vom Himmel gefallen dar — gerade mit der noch fehlenden Maſſe, nicht zu viel, nicht zu wenig. Offene Arme — ritſch — Zuſammenſchluß — ein ſchönſter Zwerg ſteht da. Das war nun ein Glücksfund für beide Teile. Der mußte ausgenutzt werden! Eine neue Parole ſchien aus¬ gegeben. Nur noch ſolche großen trägen Zwerge ſuchen! Nicht mehr Verſchmelzung mit Brüdern, aber auch draußen nicht mehr mit beliebigen Fremden, ſondern nur noch Anſchluß an jene verſchieden ausſehenden ſeßhaften Fremdzwerge. Mit der Zeit gewöhnten ſich beide Parteien aneinander, als müßte es ſo ſein, daß die eine die andere fand. Die großen Zwerge erwarteten die kleinen und die kleinen zählten darauf, große bereit zu finden. Jetzt erſt war das Schickſal der kleinen Zwerglein bis zu den kleinſten herab eigentlich geſichert, ja ſie konnten getroſt ſogar gelegentlich noch kleiner werden: die große andere Partei half doch durch mit ihrer dauerhaften eigenen Größe. Heiſa, wie ſchön jetzt alles klappte! Die alte, ſchlichte Kinderkriegerei war zwar jetzt im ganzen eine kompliziertere Sache geworden. Es hieß nicht mehr einfach: friß, wachſe und zerſpalte dich. Mitten ins Wachstum hinein

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/153>, abgerufen am 27.04.2024.