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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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aus dem letzten Falle erwuchs geradenweges die Gefahr, es
möchte das ganze Volk der Rumpelstilzer eines Tages mitten
im besten äußeren Wohlsein und im Lande, da Milch und
Honig floß, an Leibesgröße immer mehr heruntergehen und
schließlich -- da eine gewisse Größe und Kraft die Vermehrung
überhaupt erst bedingten -- allen Ernstes auf gedeckter Tafel
ganz aussterben. Was thun?

Eines Tages ergab sich mit Naturnotwendigkeit ein drolliger
Ausweg.

Da war so ein armes Dezimierungsrumpelchen, das sich
schon seit einiger Zeit verzweifelt mühte, durch starke Mahl¬
zeiten in die Höhe zu kommen. Es lief und lief und aß und
aß, aber kein Bissen half rasch genug. Auf einmal kommt
diesem brüllenden Löwlein ein zweites seines Schlages, ebenfalls
ein solcher Duodezzwerg aus einer Massenteilung, entgegen.
Der andere Geselle ist in derselben Lage wie unser Freund,
auch er träumt von einem Engrosbissen, der auf einmal in
die kleinen Beine einen Schuß bringen soll, findet aber nichts
derart. Die beiden beschauen sich und jeder scheint zu denken:
das wäre dir ein guter Bissen da drüben. Und wirklich:
jetzt siehst du sie aufeinander losrücken, jetzt fassen sie sich.
Du denkst, einer wird wohl doch der stärkere sein und den
anderen totschlagen und auffressen -- pfui, der Kannibale,
Fleisch eines Mitzwerges soll offenbar das letzte, stärkste Elixir
sein, das ihm hochhilft.

Aber was geschieht? Bei diesen Zwergen giebt's halt
verrückte Sachen. Die beiden haben sich fest umschlungen;
aber im Moment dieser innigsten Umschlingung scheint ihnen
ein ganz anderer Gedanke gekommen zu sein. Wozu einer den
anderen töten? Sind sie nicht Fleisch vom gleichen Fleisch
und Blut vom selben Blut? Warum nicht ineinander aufgehen
inmitten vollen Lebens? Fester und fester pressen sie sich. Da
brechen die kleinen Leiber aneinander auf, Lebenssaft strömt
gegenseitig über -- ein Ruck noch ..... und die beiden sind

aus dem letzten Falle erwuchs geradenweges die Gefahr, es
möchte das ganze Volk der Rumpelſtilzer eines Tages mitten
im beſten äußeren Wohlſein und im Lande, da Milch und
Honig floß, an Leibesgröße immer mehr heruntergehen und
ſchließlich — da eine gewiſſe Größe und Kraft die Vermehrung
überhaupt erſt bedingten — allen Ernſtes auf gedeckter Tafel
ganz ausſterben. Was thun?

Eines Tages ergab ſich mit Naturnotwendigkeit ein drolliger
Ausweg.

Da war ſo ein armes Dezimierungsrumpelchen, das ſich
ſchon ſeit einiger Zeit verzweifelt mühte, durch ſtarke Mahl¬
zeiten in die Höhe zu kommen. Es lief und lief und aß und
aß, aber kein Biſſen half raſch genug. Auf einmal kommt
dieſem brüllenden Löwlein ein zweites ſeines Schlages, ebenfalls
ein ſolcher Duodezzwerg aus einer Maſſenteilung, entgegen.
Der andere Geſelle iſt in derſelben Lage wie unſer Freund,
auch er träumt von einem Engrosbiſſen, der auf einmal in
die kleinen Beine einen Schuß bringen ſoll, findet aber nichts
derart. Die beiden beſchauen ſich und jeder ſcheint zu denken:
das wäre dir ein guter Biſſen da drüben. Und wirklich:
jetzt ſiehſt du ſie aufeinander losrücken, jetzt faſſen ſie ſich.
Du denkſt, einer wird wohl doch der ſtärkere ſein und den
anderen totſchlagen und auffreſſen — pfui, der Kannibale,
Fleiſch eines Mitzwerges ſoll offenbar das letzte, ſtärkſte Elixir
ſein, das ihm hochhilft.

Aber was geſchieht? Bei dieſen Zwergen giebt's halt
verrückte Sachen. Die beiden haben ſich feſt umſchlungen;
aber im Moment dieſer innigſten Umſchlingung ſcheint ihnen
ein ganz anderer Gedanke gekommen zu ſein. Wozu einer den
anderen töten? Sind ſie nicht Fleiſch vom gleichen Fleiſch
und Blut vom ſelben Blut? Warum nicht ineinander aufgehen
inmitten vollen Lebens? Feſter und feſter preſſen ſie ſich. Da
brechen die kleinen Leiber aneinander auf, Lebensſaft ſtrömt
gegenſeitig über — ein Ruck noch ..... und die beiden ſind

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[133/0149] aus dem letzten Falle erwuchs geradenweges die Gefahr, es möchte das ganze Volk der Rumpelſtilzer eines Tages mitten im beſten äußeren Wohlſein und im Lande, da Milch und Honig floß, an Leibesgröße immer mehr heruntergehen und ſchließlich — da eine gewiſſe Größe und Kraft die Vermehrung überhaupt erſt bedingten — allen Ernſtes auf gedeckter Tafel ganz ausſterben. Was thun? Eines Tages ergab ſich mit Naturnotwendigkeit ein drolliger Ausweg. Da war ſo ein armes Dezimierungsrumpelchen, das ſich ſchon ſeit einiger Zeit verzweifelt mühte, durch ſtarke Mahl¬ zeiten in die Höhe zu kommen. Es lief und lief und aß und aß, aber kein Biſſen half raſch genug. Auf einmal kommt dieſem brüllenden Löwlein ein zweites ſeines Schlages, ebenfalls ein ſolcher Duodezzwerg aus einer Maſſenteilung, entgegen. Der andere Geſelle iſt in derſelben Lage wie unſer Freund, auch er träumt von einem Engrosbiſſen, der auf einmal in die kleinen Beine einen Schuß bringen ſoll, findet aber nichts derart. Die beiden beſchauen ſich und jeder ſcheint zu denken: das wäre dir ein guter Biſſen da drüben. Und wirklich: jetzt ſiehſt du ſie aufeinander losrücken, jetzt faſſen ſie ſich. Du denkſt, einer wird wohl doch der ſtärkere ſein und den anderen totſchlagen und auffreſſen — pfui, der Kannibale, Fleiſch eines Mitzwerges ſoll offenbar das letzte, ſtärkſte Elixir ſein, das ihm hochhilft. Aber was geſchieht? Bei dieſen Zwergen giebt's halt verrückte Sachen. Die beiden haben ſich feſt umſchlungen; aber im Moment dieſer innigſten Umſchlingung ſcheint ihnen ein ganz anderer Gedanke gekommen zu ſein. Wozu einer den anderen töten? Sind ſie nicht Fleiſch vom gleichen Fleiſch und Blut vom ſelben Blut? Warum nicht ineinander aufgehen inmitten vollen Lebens? Feſter und feſter preſſen ſie ſich. Da brechen die kleinen Leiber aneinander auf, Lebensſaft ſtrömt gegenſeitig über — ein Ruck noch ..... und die beiden ſind

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/149>, abgerufen am 22.11.2024.