Wenn es auch gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts noch immer einige tüchtige Männer gab, welche das Stechen oder Rennen "im Zeug" als eine ehrwürdige und die einzig wahre ritterliche Übung ansahen und pflegten, so kam doch das alte Turnierzeug allmählich ausser Gebrauch. Der im Zeitalter der Renaissance überhandnehmende Einfluss der Italiener, die von jeher den plumpen Formen des deut- schen Turniers abhold waren und nur widerwillig eine Zeitlang der Strömung aber immer in gemildeteren Formen folgten, machte sich nun auch im Turnierwesen mit aller Macht geltend. Daher kam es
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Fig. 652.
Herzog Wilhelm IV. von Bayern im "Anzogen rennen", gehalten Mittwoch nach St. Paulstag 1512. Aus dem Turnier- buch Herzog Wilhelms IV. von Bayern. Nach Schlichtegroll.
auch, dass das deutsche Turnier allgemach verdrängt und ausnahmslos durch italienische Formen ersetzt wurde. So blieben um die Mitte des 16. Jahrhunderts eigentlich nur zwei Arten in Übung, das Frei- turnier, auch "Freirennen" genannt, und das Gestech über das
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III. Die Turnierwaffen.
Wenn es auch gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts noch immer einige tüchtige Männer gab, welche das Stechen oder Rennen „im Zeug“ als eine ehrwürdige und die einzig wahre ritterliche Übung ansahen und pflegten, so kam doch das alte Turnierzeug allmählich auſser Gebrauch. Der im Zeitalter der Renaissance überhandnehmende Einfluſs der Italiener, die von jeher den plumpen Formen des deut- schen Turniers abhold waren und nur widerwillig eine Zeitlang der Strömung aber immer in gemildeteren Formen folgten, machte sich nun auch im Turnierwesen mit aller Macht geltend. Daher kam es
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Fig. 652.
Herzog Wilhelm IV. von Bayern im „Anzogen rennen“, gehalten Mittwoch nach St. Paulstag 1512. Aus dem Turnier- buch Herzog Wilhelms IV. von Bayern. Nach Schlichtegroll.
auch, daſs das deutsche Turnier allgemach verdrängt und ausnahmslos durch italienische Formen ersetzt wurde. So blieben um die Mitte des 16. Jahrhunderts eigentlich nur zwei Arten in Übung, das Frei- turnier, auch „Freirennen“ genannt, und das Gestech über das
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III. Die Turnierwaffen.
Wenn es auch gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts noch immer
einige tüchtige Männer gab, welche das Stechen oder Rennen „im
Zeug“ als eine ehrwürdige und die einzig wahre ritterliche Übung
ansahen und pflegten, so kam doch das alte Turnierzeug allmählich
auſser Gebrauch. Der im Zeitalter der Renaissance überhandnehmende
Einfluſs der Italiener, die von jeher den plumpen Formen des deut-
schen Turniers abhold waren und nur widerwillig eine Zeitlang der
Strömung aber immer in gemildeteren Formen folgten, machte sich
nun auch im Turnierwesen mit aller Macht geltend. Daher kam es
[Abbildung Fig. 652. Herzog Wilhelm IV. von Bayern im „Anzogen
rennen“, gehalten Mittwoch nach St. Paulstag 1512. Aus dem Turnier-
buch Herzog Wilhelms IV. von Bayern. Nach Schlichtegroll.]
auch, daſs das deutsche Turnier allgemach verdrängt und ausnahmslos
durch italienische Formen ersetzt wurde. So blieben um die Mitte
des 16. Jahrhunderts eigentlich nur zwei Arten in Übung, das Frei-
turnier, auch „Freirennen“ genannt, und das Gestech über das
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/581>, abgerufen am 28.05.2024.
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