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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.

'Alem, im Volksmunde Blutfahne genannt, ist das Banner des
Heerführers. Das Fahnenblatt von rotem Damast, meist 4.5 m. lang
und 3 m. breit, unten spitz zulaufend, hängt an einer Querstange in
der Art eines vexillum. In dem Stoffe finden sich religiöse Sprüche
und Symbole in Gold eingewebt: zunächst das Glaubensbekenntnis,
dann einzelne Verse der 48. Sure des Korans (Sure des Sieges),
ferner ein Abriss der Rachehand des im Jahre 660 v. Chr. ermor-
deten Kalifen Alei und dessen mit zwei Klingen ausgestatteten Schwertes
des Dsau-l-fakar, d. i. "des mit Rückenwirbeln begabten Schwertes
Mohammeds". Seltener finden sich Sprüche aus der 61. Sure des
Korans darauf.*) Eines der schönsten Exemplare ist das 'Alem des
Seraskiers Suleiman Pascha, welches vom Herzoge Karl von Lothringen
in der Schlacht bei Hamzabeg in der Nähe von Ofen am 22. Juli
1684 erbeutet wurde.

Sandschak, die Fahne des Statthalters einer Provinz, ist ähnlich
dem 'Alem, nur verhältnismässig kleiner, einfacher geschmückt und
auf dem Blatte sind zumeist nur ein oder zwei Verse der Sure des
Sieges ersichtlich.

Bairak ist die Fahne der leichten Reiterei, der Deli, d. i. der
Tollen oder närrischen Wagehälse, aus Freiwilligen bestehend, die in
Asien angeworben wurden. Sie ist zumeist dreieckig, aus roter, auch
gelber Leinwand gefertigt; die Buchstaben der Inschriften sind in
rotem oder weissem Filztuch ausgeschnitten und roh aufgenäht, ebenso
die Rachehand Aleis und der Dsau-l-'fakar.

Taug, der Rossschweif, besteht aus einer cylindrischen, innen
hohl gebildeten, daher ungemein leichten Stange aus weichem Holze,
welche mit orientalischen Ornamenten bemalt ist. Am oberen Ende
befindet sich ein meist aus Metall getriebener Knauf, zuweilen auch
ein Halbmond aufgesetzt. Unterhalb desselben ist ein entweder offener
oder in Zöpfen geflochtener Rosshaarschweif befestigt, dessen Haare
verschieden in Blau, Rot und Schwarz gefärbt sind. Zunächst an
dem Rossschweif ist die Stange mit einem Gewebe von Ross- und
Kamelhaaren überzogen, die in mehreren Farben zuweilen sehr schöne
Dessins zeigen. Die in Fig. 602 und 603 abgebildeten Rossschweife
stammen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts und wurden von Erz-
herzog Ferdinand von Tirol vermutlich im Feldzuge 1556 erobert.

Der Rossschweif war kein Feldzeichen gleich den Fahnen,
sondern das Zeichen einer Würde. Drei Rossschweife führten die
Pascha von dem Range eines Vezeirs, deren zwei die Beglerbeg oder
Statthalter, einen Rossschweif führte der Sandschakbeg, d. i. Distrikts-
gouverneur. Die Taug wurden von Silihdaren (Waffenträgern) getragen,
welche man in diesem Falle taugdschei (Rossschweifträger) nannte.


*) Alle Benennungen orientalischer Waffen und Kriegsgeräte nach Prof. Dr.
J. Karabaczcks Angaben im Katalog der histor. Ausstellung der Stadt Wien 1883.
II. Die Angriffswaffen.

’Alem, im Volksmunde Blutfahne genannt, ist das Banner des
Heerführers. Das Fahnenblatt von rotem Damast, meist 4.5 m. lang
und 3 m. breit, unten spitz zulaufend, hängt an einer Querstange in
der Art eines vexillum. In dem Stoffe finden sich religiöse Sprüche
und Symbole in Gold eingewebt: zunächst das Glaubensbekenntnis,
dann einzelne Verse der 48. Sure des Korans (Sure des Sieges),
ferner ein Abriſs der Rachehand des im Jahre 660 v. Chr. ermor-
deten Kalifen Alî und dessen mit zwei Klingen ausgestatteten Schwertes
des Dsû-l-fakâr, d. i. „des mit Rückenwirbeln begabten Schwertes
Mohammeds“. Seltener finden sich Sprüche aus der 61. Sure des
Korans darauf.*) Eines der schönsten Exemplare ist das ’Alem des
Seraskiers Suleiman Paschâ, welches vom Herzoge Karl von Lothringen
in der Schlacht bei Hamzabeg in der Nähe von Ofen am 22. Juli
1684 erbeutet wurde.

Sandschak, die Fahne des Statthalters einer Provinz, ist ähnlich
dem ’Alem, nur verhältnismäſsig kleiner, einfacher geschmückt und
auf dem Blatte sind zumeist nur ein oder zwei Verse der Sure des
Sieges ersichtlich.

Bairâk ist die Fahne der leichten Reiterei, der Deli, d. i. der
Tollen oder närrischen Wagehälse, aus Freiwilligen bestehend, die in
Asien angeworben wurden. Sie ist zumeist dreieckig, aus roter, auch
gelber Leinwand gefertigt; die Buchstaben der Inschriften sind in
rotem oder weiſsem Filztuch ausgeschnitten und roh aufgenäht, ebenso
die Rachehand Alîs und der Dsû-l-’fakâr.

Tûg, der Roſsschweif, besteht aus einer cylindrischen, innen
hohl gebildeten, daher ungemein leichten Stange aus weichem Holze,
welche mit orientalischen Ornamenten bemalt ist. Am oberen Ende
befindet sich ein meist aus Metall getriebener Knauf, zuweilen auch
ein Halbmond aufgesetzt. Unterhalb desselben ist ein entweder offener
oder in Zöpfen geflochtener Roſshaarschweif befestigt, dessen Haare
verschieden in Blau, Rot und Schwarz gefärbt sind. Zunächst an
dem Roſsschweif ist die Stange mit einem Gewebe von Roſs- und
Kamelhaaren überzogen, die in mehreren Farben zuweilen sehr schöne
Dessins zeigen. Die in Fig. 602 und 603 abgebildeten Roſsschweife
stammen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts und wurden von Erz-
herzog Ferdinand von Tirol vermutlich im Feldzuge 1556 erobert.

Der Roſsschweif war kein Feldzeichen gleich den Fahnen,
sondern das Zeichen einer Würde. Drei Roſsschweife führten die
Paschâ von dem Range eines Vezîrs, deren zwei die Beglerbeg oder
Statthalter, einen Roſsschweif führte der Sandschâkbeg, d. i. Distrikts-
gouverneur. Die Tûg wurden von Silihdâren (Waffenträgern) getragen,
welche man in diesem Falle tûgdschî (Roſsschweifträger) nannte.


*) Alle Benennungen orientalischer Waffen und Kriegsgeräte nach Prof. Dr.
J. Karabaczcks Angaben im Katalog der histor. Ausstellung der Stadt Wien 1883.
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[510/0528] II. Die Angriffswaffen. ’Alem, im Volksmunde Blutfahne genannt, ist das Banner des Heerführers. Das Fahnenblatt von rotem Damast, meist 4.5 m. lang und 3 m. breit, unten spitz zulaufend, hängt an einer Querstange in der Art eines vexillum. In dem Stoffe finden sich religiöse Sprüche und Symbole in Gold eingewebt: zunächst das Glaubensbekenntnis, dann einzelne Verse der 48. Sure des Korans (Sure des Sieges), ferner ein Abriſs der Rachehand des im Jahre 660 v. Chr. ermor- deten Kalifen Alî und dessen mit zwei Klingen ausgestatteten Schwertes des Dsû-l-fakâr, d. i. „des mit Rückenwirbeln begabten Schwertes Mohammeds“. Seltener finden sich Sprüche aus der 61. Sure des Korans darauf. *) Eines der schönsten Exemplare ist das ’Alem des Seraskiers Suleiman Paschâ, welches vom Herzoge Karl von Lothringen in der Schlacht bei Hamzabeg in der Nähe von Ofen am 22. Juli 1684 erbeutet wurde. Sandschak, die Fahne des Statthalters einer Provinz, ist ähnlich dem ’Alem, nur verhältnismäſsig kleiner, einfacher geschmückt und auf dem Blatte sind zumeist nur ein oder zwei Verse der Sure des Sieges ersichtlich. Bairâk ist die Fahne der leichten Reiterei, der Deli, d. i. der Tollen oder närrischen Wagehälse, aus Freiwilligen bestehend, die in Asien angeworben wurden. Sie ist zumeist dreieckig, aus roter, auch gelber Leinwand gefertigt; die Buchstaben der Inschriften sind in rotem oder weiſsem Filztuch ausgeschnitten und roh aufgenäht, ebenso die Rachehand Alîs und der Dsû-l-’fakâr. Tûg, der Roſsschweif, besteht aus einer cylindrischen, innen hohl gebildeten, daher ungemein leichten Stange aus weichem Holze, welche mit orientalischen Ornamenten bemalt ist. Am oberen Ende befindet sich ein meist aus Metall getriebener Knauf, zuweilen auch ein Halbmond aufgesetzt. Unterhalb desselben ist ein entweder offener oder in Zöpfen geflochtener Roſshaarschweif befestigt, dessen Haare verschieden in Blau, Rot und Schwarz gefärbt sind. Zunächst an dem Roſsschweif ist die Stange mit einem Gewebe von Roſs- und Kamelhaaren überzogen, die in mehreren Farben zuweilen sehr schöne Dessins zeigen. Die in Fig. 602 und 603 abgebildeten Roſsschweife stammen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts und wurden von Erz- herzog Ferdinand von Tirol vermutlich im Feldzuge 1556 erobert. Der Roſsschweif war kein Feldzeichen gleich den Fahnen, sondern das Zeichen einer Würde. Drei Roſsschweife führten die Paschâ von dem Range eines Vezîrs, deren zwei die Beglerbeg oder Statthalter, einen Roſsschweif führte der Sandschâkbeg, d. i. Distrikts- gouverneur. Die Tûg wurden von Silihdâren (Waffenträgern) getragen, welche man in diesem Falle tûgdschî (Roſsschweifträger) nannte. *) Alle Benennungen orientalischer Waffen und Kriegsgeräte nach Prof. Dr. J. Karabaczcks Angaben im Katalog der histor. Ausstellung der Stadt Wien 1883.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/528>, abgerufen am 22.11.2024.