8. Die bei den Feuerwaffen dienenden Instrumente und Geräte.
Die in der ältesten Zeit bei den Feuerwaffen dienenden Gerät- schaften waren keineswegs gleichartig. Das Geschützwesen entwickelte sich anfänglich in den Heeren für sich, damit entstanden unterschied- liche Gerätschaften, von vielen einzelnen unabhängig voneinander erdacht, die freilich allesamt Ähnlichkeiten aufweisen. Als die Ge- schütze noch ohne Lafetten, auf Kanthölzern liegend, abgefeuert wurden, war die gemeine Bandhacke das vorzüglichste Werkzeug des Stuckknechtes; daneben wurde die Ladeschaufel (Fig. 567) ge- führt, mittelst welcher das Pulver in das Rohr geschüttet wurde, weiters der Wischer, der Ladestock, die Hebebäume, Geiss- füsse, auch Beisser genannt, der Büchsenmeister trug den Lunten- stock, eine Art Spiess, von dessen Klinge seitlich Arme ausliefen, an welchen die Luntenstricke aufgewunden wurden. Der Luntenstock bildete auch zugleich das Zeichen der Würde eines Meisters. (Fig. 379, 380, 568.) Schon in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts wird zum Richten der Wurfgeschütze ein einfacher Quadrant benutzt, wie wir aus einem Kodex von ca. 1440 in der Bibliothek der kunst- historischen Sammlungen in Wien ersehen.
In dem Masse als die Geschütze eine solidere und gleichmässigere Lafettierung erhielten, wird auch das Gerät einfacher und fachgemässer; die Hacke verschwindet im Feldkriege gänzlich, dafür entstehen sehr sinnreich erdachte und leicht fortzubewegende Hebezeuge u. dgl. Als um 1680 allgemach die Patronen eingeführt wurden, kamen auch die Ladeschaufeln ausser Gebrauch. Nun wird die Hand- habung eine subtilere, der einzelne Stuckknecht wird mit feineren Instrumenten zur Bedienung ausgerüstet. Der Mann erhält ein so- genanntes Besteck, welches ausser Kaliberstab und Besteckmesser, auch Raumnadel, Bohrpfriemen, Feile und Zirkel enthält. Ähnliche Aus- rüstungen, wenn auch einfacher, führten schon die italienischen Ar- tilleristen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zum Bestimmen der Kraft des Pulvers erfand man im 17. Jahrhundert sehr sinnreiche Instrumente, Pulverproben genannt. Es gibt davon unterschied- liche mechanische Systeme, das beste jener Zeit ist die sogenannte Stangenprobe, nach Furtenbach 1642, von welcher ein Exemplar sich in den kaiserlichen Sammlungen zu Wien befindet. (Fig. 569, 570.)
Ebenso wie beim Geschütz bediente man sich in der ältesten Zeit auch bei Handfeuerwaffen gewisser Hilfswerkzeuge, je nach individuellen Bedürfnisse. Erst in der letzten Zeit des 14. Jahrhun- derts macht sich in Italien ein von den Machthabern ausgehendes Streben bemerkbar, Gleichartigkzit in die Ausrüstung des Büchsen- schützen mit Gerätschaften zu bringen. Die älteste Ausrüstung eines
8. Die bei den Feuerwaffen dienenden Instrumente und Geräte.
Die in der ältesten Zeit bei den Feuerwaffen dienenden Gerät- schaften waren keineswegs gleichartig. Das Geschützwesen entwickelte sich anfänglich in den Heeren für sich, damit entstanden unterschied- liche Gerätschaften, von vielen einzelnen unabhängig voneinander erdacht, die freilich allesamt Ähnlichkeiten aufweisen. Als die Ge- schütze noch ohne Lafetten, auf Kanthölzern liegend, abgefeuert wurden, war die gemeine Bandhacke das vorzüglichste Werkzeug des Stuckknechtes; daneben wurde die Ladeschaufel (Fig. 567) ge- führt, mittelst welcher das Pulver in das Rohr geschüttet wurde, weiters der Wischer, der Ladestock, die Hebebäume, Geiſs- füſse, auch Beiſser genannt, der Büchsenmeister trug den Lunten- stock, eine Art Spieſs, von dessen Klinge seitlich Arme ausliefen, an welchen die Luntenstricke aufgewunden wurden. Der Luntenstock bildete auch zugleich das Zeichen der Würde eines Meisters. (Fig. 379, 380, 568.) Schon in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts wird zum Richten der Wurfgeschütze ein einfacher Quadrant benutzt, wie wir aus einem Kodex von ca. 1440 in der Bibliothek der kunst- historischen Sammlungen in Wien ersehen.
In dem Maſse als die Geschütze eine solidere und gleichmäſsigere Lafettierung erhielten, wird auch das Gerät einfacher und fachgemäſser; die Hacke verschwindet im Feldkriege gänzlich, dafür entstehen sehr sinnreich erdachte und leicht fortzubewegende Hebezeuge u. dgl. Als um 1680 allgemach die Patronen eingeführt wurden, kamen auch die Ladeschaufeln auſser Gebrauch. Nun wird die Hand- habung eine subtilere, der einzelne Stuckknecht wird mit feineren Instrumenten zur Bedienung ausgerüstet. Der Mann erhält ein so- genanntes Besteck, welches auſser Kaliberstab und Besteckmesser, auch Raumnadel, Bohrpfriemen, Feile und Zirkel enthält. Ähnliche Aus- rüstungen, wenn auch einfacher, führten schon die italienischen Ar- tilleristen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zum Bestimmen der Kraft des Pulvers erfand man im 17. Jahrhundert sehr sinnreiche Instrumente, Pulverproben genannt. Es gibt davon unterschied- liche mechanische Systeme, das beste jener Zeit ist die sogenannte Stangenprobe, nach Furtenbach 1642, von welcher ein Exemplar sich in den kaiserlichen Sammlungen zu Wien befindet. (Fig. 569, 570.)
Ebenso wie beim Geschütz bediente man sich in der ältesten Zeit auch bei Handfeuerwaffen gewisser Hilfswerkzeuge, je nach individuellen Bedürfnisse. Erst in der letzten Zeit des 14. Jahrhun- derts macht sich in Italien ein von den Machthabern ausgehendes Streben bemerkbar, Gleichartigkzit in die Ausrüstung des Büchsen- schützen mit Gerätschaften zu bringen. Die älteste Ausrüstung eines
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[[488]/0506]
8. Die bei den Feuerwaffen dienenden Instrumente
und Geräte.
Die in der ältesten Zeit bei den Feuerwaffen dienenden Gerät-
schaften waren keineswegs gleichartig. Das Geschützwesen entwickelte
sich anfänglich in den Heeren für sich, damit entstanden unterschied-
liche Gerätschaften, von vielen einzelnen unabhängig voneinander
erdacht, die freilich allesamt Ähnlichkeiten aufweisen. Als die Ge-
schütze noch ohne Lafetten, auf Kanthölzern liegend, abgefeuert
wurden, war die gemeine Bandhacke das vorzüglichste Werkzeug des
Stuckknechtes; daneben wurde die Ladeschaufel (Fig. 567) ge-
führt, mittelst welcher das Pulver in das Rohr geschüttet wurde,
weiters der Wischer, der Ladestock, die Hebebäume, Geiſs-
füſse, auch Beiſser genannt, der Büchsenmeister trug den Lunten-
stock, eine Art Spieſs, von dessen Klinge seitlich Arme ausliefen,
an welchen die Luntenstricke aufgewunden wurden. Der Luntenstock
bildete auch zugleich das Zeichen der Würde eines Meisters.
(Fig. 379, 380, 568.) Schon in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts wird
zum Richten der Wurfgeschütze ein einfacher Quadrant benutzt,
wie wir aus einem Kodex von ca. 1440 in der Bibliothek der kunst-
historischen Sammlungen in Wien ersehen.
In dem Maſse als die Geschütze eine solidere und gleichmäſsigere
Lafettierung erhielten, wird auch das Gerät einfacher und fachgemäſser;
die Hacke verschwindet im Feldkriege gänzlich, dafür entstehen sehr
sinnreich erdachte und leicht fortzubewegende Hebezeuge u. dgl.
Als um 1680 allgemach die Patronen eingeführt wurden, kamen
auch die Ladeschaufeln auſser Gebrauch. Nun wird die Hand-
habung eine subtilere, der einzelne Stuckknecht wird mit feineren
Instrumenten zur Bedienung ausgerüstet. Der Mann erhält ein so-
genanntes Besteck, welches auſser Kaliberstab und Besteckmesser,
auch Raumnadel, Bohrpfriemen, Feile und Zirkel enthält. Ähnliche Aus-
rüstungen, wenn auch einfacher, führten schon die italienischen Ar-
tilleristen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zum Bestimmen
der Kraft des Pulvers erfand man im 17. Jahrhundert sehr sinnreiche
Instrumente, Pulverproben genannt. Es gibt davon unterschied-
liche mechanische Systeme, das beste jener Zeit ist die sogenannte
Stangenprobe, nach Furtenbach 1642, von welcher ein Exemplar
sich in den kaiserlichen Sammlungen zu Wien befindet. (Fig. 569, 570.)
Ebenso wie beim Geschütz bediente man sich in der ältesten
Zeit auch bei Handfeuerwaffen gewisser Hilfswerkzeuge, je nach
individuellen Bedürfnisse. Erst in der letzten Zeit des 14. Jahrhun-
derts macht sich in Italien ein von den Machthabern ausgehendes
Streben bemerkbar, Gleichartigkzit in die Ausrüstung des Büchsen-
schützen mit Gerätschaften zu bringen. Die älteste Ausrüstung eines
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. [488]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/506>, abgerufen am 25.11.2024.
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