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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.
Büchsenmachern gefertigt wurde, in welchem Jahre Vauban gerade
15 Jahre zählte. Die Veranlassung zu dieser irrigen Angabe wird
wohl gewesen sein, dass Vauban das mit einem Luntenhahn versehene
Flintenschloss in der französischen Armee allgemein einführte, was
freilich erst 1692 geschah, während das Regiment Royal - fuseliers
schon seit 1671 bestand.

Schon bei den alten Schnapphahnschlössern hatte man an Stelle
des Schwefelkieses vielfach den Feuerstein (Flint, quarz pyromache)
verwendet, der wegen seiner grösseren Festigkeit seinem Zwecke
besser entsprach. Von ihm erhielt das Flintenschloss den Namen.*)

Die bearbeiteten Feuersteine dürften anfänglich aus den Nieder-
landen gekommen sein. Die ersten Flinten dagegen, als Luxus-
gewehre nur für den Jagdgebrauch bestimmt, wurden in Paris erzeugt,
und wenn man schon nach einem Erfinder derselben, beziehungsweise
einem Verbesserer des Schnapphahnschlosses suchen wollte, müsste
man über die Thätigkeit der um 1648 dort wirkenden Arquebusiers
genauere Forschungen anstellen. Thatsache ist, dass uns der Pariser
Philippe Cordier d'Aubeville (1635--1665) in seinen gestochenen
Blättern und zwar in jenen von 1654 bereits die Abbildung eines
Flintenschlosses bringt.**)

Wir sind aber im stande, auf ein noch älteres im Originale vor-
handenes Flintenschloss hinzuweisen. In den kunsthistorischen Samm-
lungen in Wien befindet sich ein kleines, leichtes Reitergewehr mit
messingenem Rohre und geschwärztem Schafte (Fig. 545), an dessen
Flintenschlosse alle Teile im Innern angeordnet sind; die Schlossplatte
ist von Messing und graviert, der Hahn und die Batterie sind von
poliertem Eisen. Am Laufe lesen wir: "Felix Werder Tiguri Inventor
1652." Wir hätten also mit dem Züricher Meister den Fertiger der
ältesten Flinte vor uns; ob auch den Erfinder des Flintenschlosses,
das steht noch in Frage, denn die Bezeichnung Inventor bezieht sich
gewiss nur auf die Fertigung, nicht speziell auf die Schlosskonstruktion.
Weiter lässt die ausgebildete Form des Hahnes erkennen, dass das
System bereits einen gewissen Entwickelungsgrad überschritten haben

*) Wenn man den Mechanismus des alten spanischen und niederländischen
Schnapphahnschlosses betrachtet, so unterliegt es keinem Zweifel, dass die Spanier
und die Araber ebenso wie die Niederländer statt des Schwefelkieses sich längst
nebenher des Feuersteines bei ihren Schnapphahngewehren bedienten. Die Spanier
und Araber fanden hierzu vorzügliches Material an der Nordküste Afrikas und die
Niederländer verstanden sich trefflich auf die Bearbeitung harter Stoffe, sie werden
auch den harten Quarz für den Zweck zuzurichten gewusst haben. Die Bearbeitung
des Feuersteines war doch nur eine vergessene Kunst, vergessen, weil man ihrer
nicht bedurfte.
**) Vergleiche über die Entwickelung der französischen Büchsenmacherei die
Abhandlung des Verfassers in den Blättern für Kunstgewerbe, Wien, Waldheim,
1886, Heft VII u. VIII: "Die Luxusgewehrfabrikation in Frankreich im 17. und
18. Jahrhundert".

II. Die Angriffswaffen.
Büchsenmachern gefertigt wurde, in welchem Jahre Vauban gerade
15 Jahre zählte. Die Veranlassung zu dieser irrigen Angabe wird
wohl gewesen sein, daſs Vauban das mit einem Luntenhahn versehene
Flintenschloſs in der französischen Armee allgemein einführte, was
freilich erst 1692 geschah, während das Regiment Royal ‒ fuseliers
schon seit 1671 bestand.

Schon bei den alten Schnapphahnschlössern hatte man an Stelle
des Schwefelkieses vielfach den Feuerstein (Flint, quarz pyromache)
verwendet, der wegen seiner gröſseren Festigkeit seinem Zwecke
besser entsprach. Von ihm erhielt das Flintenschloſs den Namen.*)

Die bearbeiteten Feuersteine dürften anfänglich aus den Nieder-
landen gekommen sein. Die ersten Flinten dagegen, als Luxus-
gewehre nur für den Jagdgebrauch bestimmt, wurden in Paris erzeugt,
und wenn man schon nach einem Erfinder derselben, beziehungsweise
einem Verbesserer des Schnapphahnschlosses suchen wollte, müſste
man über die Thätigkeit der um 1648 dort wirkenden Arquebusiers
genauere Forschungen anstellen. Thatsache ist, daſs uns der Pariser
Philippe Cordier d’Aubeville (1635—1665) in seinen gestochenen
Blättern und zwar in jenen von 1654 bereits die Abbildung eines
Flintenschlosses bringt.**)

Wir sind aber im stande, auf ein noch älteres im Originale vor-
handenes Flintenschloſs hinzuweisen. In den kunsthistorischen Samm-
lungen in Wien befindet sich ein kleines, leichtes Reitergewehr mit
messingenem Rohre und geschwärztem Schafte (Fig. 545), an dessen
Flintenschlosse alle Teile im Innern angeordnet sind; die Schloſsplatte
ist von Messing und graviert, der Hahn und die Batterie sind von
poliertem Eisen. Am Laufe lesen wir: „Felix Werder Tiguri Inventor
1652.“ Wir hätten also mit dem Züricher Meister den Fertiger der
ältesten Flinte vor uns; ob auch den Erfinder des Flintenschlosses,
das steht noch in Frage, denn die Bezeichnung Inventor bezieht sich
gewiſs nur auf die Fertigung, nicht speziell auf die Schloſskonstruktion.
Weiter läſst die ausgebildete Form des Hahnes erkennen, daſs das
System bereits einen gewissen Entwickelungsgrad überschritten haben

*) Wenn man den Mechanismus des alten spanischen und niederländischen
Schnapphahnschlosses betrachtet, so unterliegt es keinem Zweifel, daſs die Spanier
und die Araber ebenso wie die Niederländer statt des Schwefelkieses sich längst
nebenher des Feuersteines bei ihren Schnapphahngewehren bedienten. Die Spanier
und Araber fanden hierzu vorzügliches Material an der Nordküste Afrikas und die
Niederländer verstanden sich trefflich auf die Bearbeitung harter Stoffe, sie werden
auch den harten Quarz für den Zweck zuzurichten gewuſst haben. Die Bearbeitung
des Feuersteines war doch nur eine vergessene Kunst, vergessen, weil man ihrer
nicht bedurfte.
**) Vergleiche über die Entwickelung der französischen Büchsenmacherei die
Abhandlung des Verfassers in den Blättern für Kunstgewerbe, Wien, Waldheim,
1886, Heft VII u. VIII: „Die Luxusgewehrfabrikation in Frankreich im 17. und
18. Jahrhundert“.
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[464/0482] II. Die Angriffswaffen. Büchsenmachern gefertigt wurde, in welchem Jahre Vauban gerade 15 Jahre zählte. Die Veranlassung zu dieser irrigen Angabe wird wohl gewesen sein, daſs Vauban das mit einem Luntenhahn versehene Flintenschloſs in der französischen Armee allgemein einführte, was freilich erst 1692 geschah, während das Regiment Royal ‒ fuseliers schon seit 1671 bestand. Schon bei den alten Schnapphahnschlössern hatte man an Stelle des Schwefelkieses vielfach den Feuerstein (Flint, quarz pyromache) verwendet, der wegen seiner gröſseren Festigkeit seinem Zwecke besser entsprach. Von ihm erhielt das Flintenschloſs den Namen. *) Die bearbeiteten Feuersteine dürften anfänglich aus den Nieder- landen gekommen sein. Die ersten Flinten dagegen, als Luxus- gewehre nur für den Jagdgebrauch bestimmt, wurden in Paris erzeugt, und wenn man schon nach einem Erfinder derselben, beziehungsweise einem Verbesserer des Schnapphahnschlosses suchen wollte, müſste man über die Thätigkeit der um 1648 dort wirkenden Arquebusiers genauere Forschungen anstellen. Thatsache ist, daſs uns der Pariser Philippe Cordier d’Aubeville (1635—1665) in seinen gestochenen Blättern und zwar in jenen von 1654 bereits die Abbildung eines Flintenschlosses bringt. **) Wir sind aber im stande, auf ein noch älteres im Originale vor- handenes Flintenschloſs hinzuweisen. In den kunsthistorischen Samm- lungen in Wien befindet sich ein kleines, leichtes Reitergewehr mit messingenem Rohre und geschwärztem Schafte (Fig. 545), an dessen Flintenschlosse alle Teile im Innern angeordnet sind; die Schloſsplatte ist von Messing und graviert, der Hahn und die Batterie sind von poliertem Eisen. Am Laufe lesen wir: „Felix Werder Tiguri Inventor 1652.“ Wir hätten also mit dem Züricher Meister den Fertiger der ältesten Flinte vor uns; ob auch den Erfinder des Flintenschlosses, das steht noch in Frage, denn die Bezeichnung Inventor bezieht sich gewiſs nur auf die Fertigung, nicht speziell auf die Schloſskonstruktion. Weiter läſst die ausgebildete Form des Hahnes erkennen, daſs das System bereits einen gewissen Entwickelungsgrad überschritten haben *) Wenn man den Mechanismus des alten spanischen und niederländischen Schnapphahnschlosses betrachtet, so unterliegt es keinem Zweifel, daſs die Spanier und die Araber ebenso wie die Niederländer statt des Schwefelkieses sich längst nebenher des Feuersteines bei ihren Schnapphahngewehren bedienten. Die Spanier und Araber fanden hierzu vorzügliches Material an der Nordküste Afrikas und die Niederländer verstanden sich trefflich auf die Bearbeitung harter Stoffe, sie werden auch den harten Quarz für den Zweck zuzurichten gewuſst haben. Die Bearbeitung des Feuersteines war doch nur eine vergessene Kunst, vergessen, weil man ihrer nicht bedurfte. **) Vergleiche über die Entwickelung der französischen Büchsenmacherei die Abhandlung des Verfassers in den Blättern für Kunstgewerbe, Wien, Waldheim, 1886, Heft VII u. VIII: „Die Luxusgewehrfabrikation in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert“.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/482>, abgerufen am 22.11.2024.