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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
das Feuergewehr schon längst einen hohen Grad von Ausbildung
erhalten hatte, zunächst aus der Ursache, weil sie beim Abzuge das
Wild nicht verscheuchte und keinen Rauch erzeugte. Und dennoch
war die Armrust gegen den Bogen nur bedingungsweise von Vorteil.
Die Schnellkraft war zwar weit bedeutender, die Trefffähigkeit grösser,
aber der gewandte Bogenschütze war im stande, im Zeitraume einer
Minute sieben Pfeile zu verschiessen, während der beste Armrust-
schütze in derselben Zeit nur zwei Bolzen von der Rinne zu bringen
im stande war.

Im 14. Jahrhundert ist der Armrustschütze der unzertrennliche
Gefährte des Pavesenträgers, ja ersterer selbst wird in Frankreich
mit einer leichten Pavese ausgerüstet. Als die Plattenharnische in
Aufnahme kamen, lehnte der Armrustschütze das ungefüge neue
Waffenkleid ab, das ihn in der Handhabung der Waffe nur hinderte;
dafür erhielt er in Deutschland den mit Eisenscheibchen besetzten
Lederkoller, in Frankreich und Italien aber den Korazin, oder die
Brigantine de demi-epreuve. Die Fertigung der Armrüste hat ihre
höchste Ausbildung im 15. und 16. Jahrhundert in Spanien, den
Niederlanden und in Deutschland gefunden. Die besten Stahlbogen
wurden aus Italien bezogen, die feinsten und dauerhaftesten Sehnen
kamen aus Antwerpen. Die gewandtesten Armrustschützen waren im
14. und 15. Jahrhundert die Genuesen. Ein Schütze von selben
führte nur 12 Bolzen, von denen bis 200 Schritte keiner sein Ziel
verfehlen durfte.

Die Armrust besteht aus der Säule, arbrier, dem Bogen, arc,
der Sehne, corde, und der Spann- und Abzugsvorrichtung.

Man unterscheidet ihren Dimensionen nach Standarmrüste
und Handarmrüste, erstere halten die Mitte zwischen der Belagerungs-
maschine und der Handwaffe.

Nach der Art des Spannens unterscheidet man die Armrust für
Handspannung, arbalete a main, die Flaschenzugarmrust, arbalete
a tour oder a moufle, die Windenarmrust, arbalete a cric oder a
cranequin, endlich die Geissfussarmrust, arbalete a pied-de-biche.

Nach der Art der Geschosse benennen wir jene, welche Bolzen,
(quarels, viretons) schiessen, schlechtweg Armrüste, wenn sie stählerne
Bogen besitzen, auch Stahle, Stahel, jene, welche metallene, steinerne
oder, wie auf der Jagd, auch Lehmkugeln schiessen, Balläster; von
diesen unterscheidet sich am Ende des 16. Jahrhunderts noch eine
leichtere Gattung, die Schnepper.

Das Material für den Bogen ist Holz, das aber seiner geringen
Federkraft wegen nur bei gemeinen Waffen in Gebrauch kam, Stahl
und Horn. Stählerne Bogen hatten ungeachtet der grössten Schnell-
kraft doch den Nachteil, dass sie bei grosser Kälte leicht entzwei-
brachen; man bediente sich daher, namentlich im Winter, mit Vor-
liebe der Bogen aus mehrfachen Lagen von Ochsenhorn, welche mit

D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
das Feuergewehr schon längst einen hohen Grad von Ausbildung
erhalten hatte, zunächst aus der Ursache, weil sie beim Abzuge das
Wild nicht verscheuchte und keinen Rauch erzeugte. Und dennoch
war die Armrust gegen den Bogen nur bedingungsweise von Vorteil.
Die Schnellkraft war zwar weit bedeutender, die Trefffähigkeit gröſser,
aber der gewandte Bogenschütze war im stande, im Zeitraume einer
Minute sieben Pfeile zu verschieſsen, während der beste Armrust-
schütze in derselben Zeit nur zwei Bolzen von der Rinne zu bringen
im stande war.

Im 14. Jahrhundert ist der Armrustschütze der unzertrennliche
Gefährte des Pavesenträgers, ja ersterer selbst wird in Frankreich
mit einer leichten Pavese ausgerüstet. Als die Plattenharnische in
Aufnahme kamen, lehnte der Armrustschütze das ungefüge neue
Waffenkleid ab, das ihn in der Handhabung der Waffe nur hinderte;
dafür erhielt er in Deutschland den mit Eisenscheibchen besetzten
Lederkoller, in Frankreich und Italien aber den Korazin, oder die
Brigantine de demi-épreuve. Die Fertigung der Armrüste hat ihre
höchste Ausbildung im 15. und 16. Jahrhundert in Spanien, den
Niederlanden und in Deutschland gefunden. Die besten Stahlbogen
wurden aus Italien bezogen, die feinsten und dauerhaftesten Sehnen
kamen aus Antwerpen. Die gewandtesten Armrustschützen waren im
14. und 15. Jahrhundert die Genuesen. Ein Schütze von selben
führte nur 12 Bolzen, von denen bis 200 Schritte keiner sein Ziel
verfehlen durfte.

Die Armrust besteht aus der Säule, arbrier, dem Bogen, arc,
der Sehne, corde, und der Spann- und Abzugsvorrichtung.

Man unterscheidet ihren Dimensionen nach Standarmrüste
und Handarmrüste, erstere halten die Mitte zwischen der Belagerungs-
maschine und der Handwaffe.

Nach der Art des Spannens unterscheidet man die Armrust für
Handspannung, arbalète à main, die Flaschenzugarmrust, arbalète
à tour oder à moufle, die Windenarmrust, arbalète à cric oder à
cranequin, endlich die Geiſsfuſsarmrust, arbalète à pied-de-biche.

Nach der Art der Geschosse benennen wir jene, welche Bolzen,
(quarels, viretons) schieſsen, schlechtweg Armrüste, wenn sie stählerne
Bogen besitzen, auch Stahle, Stahel, jene, welche metallene, steinerne
oder, wie auf der Jagd, auch Lehmkugeln schieſsen, Balläster; von
diesen unterscheidet sich am Ende des 16. Jahrhunderts noch eine
leichtere Gattung, die Schnepper.

Das Material für den Bogen ist Holz, das aber seiner geringen
Federkraft wegen nur bei gemeinen Waffen in Gebrauch kam, Stahl
und Horn. Stählerne Bogen hatten ungeachtet der gröſsten Schnell-
kraft doch den Nachteil, daſs sie bei groſser Kälte leicht entzwei-
brachen; man bediente sich daher, namentlich im Winter, mit Vor-
liebe der Bogen aus mehrfachen Lagen von Ochsenhorn, welche mit

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[405/0423] D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust. das Feuergewehr schon längst einen hohen Grad von Ausbildung erhalten hatte, zunächst aus der Ursache, weil sie beim Abzuge das Wild nicht verscheuchte und keinen Rauch erzeugte. Und dennoch war die Armrust gegen den Bogen nur bedingungsweise von Vorteil. Die Schnellkraft war zwar weit bedeutender, die Trefffähigkeit gröſser, aber der gewandte Bogenschütze war im stande, im Zeitraume einer Minute sieben Pfeile zu verschieſsen, während der beste Armrust- schütze in derselben Zeit nur zwei Bolzen von der Rinne zu bringen im stande war. Im 14. Jahrhundert ist der Armrustschütze der unzertrennliche Gefährte des Pavesenträgers, ja ersterer selbst wird in Frankreich mit einer leichten Pavese ausgerüstet. Als die Plattenharnische in Aufnahme kamen, lehnte der Armrustschütze das ungefüge neue Waffenkleid ab, das ihn in der Handhabung der Waffe nur hinderte; dafür erhielt er in Deutschland den mit Eisenscheibchen besetzten Lederkoller, in Frankreich und Italien aber den Korazin, oder die Brigantine de demi-épreuve. Die Fertigung der Armrüste hat ihre höchste Ausbildung im 15. und 16. Jahrhundert in Spanien, den Niederlanden und in Deutschland gefunden. Die besten Stahlbogen wurden aus Italien bezogen, die feinsten und dauerhaftesten Sehnen kamen aus Antwerpen. Die gewandtesten Armrustschützen waren im 14. und 15. Jahrhundert die Genuesen. Ein Schütze von selben führte nur 12 Bolzen, von denen bis 200 Schritte keiner sein Ziel verfehlen durfte. Die Armrust besteht aus der Säule, arbrier, dem Bogen, arc, der Sehne, corde, und der Spann- und Abzugsvorrichtung. Man unterscheidet ihren Dimensionen nach Standarmrüste und Handarmrüste, erstere halten die Mitte zwischen der Belagerungs- maschine und der Handwaffe. Nach der Art des Spannens unterscheidet man die Armrust für Handspannung, arbalète à main, die Flaschenzugarmrust, arbalète à tour oder à moufle, die Windenarmrust, arbalète à cric oder à cranequin, endlich die Geiſsfuſsarmrust, arbalète à pied-de-biche. Nach der Art der Geschosse benennen wir jene, welche Bolzen, (quarels, viretons) schieſsen, schlechtweg Armrüste, wenn sie stählerne Bogen besitzen, auch Stahle, Stahel, jene, welche metallene, steinerne oder, wie auf der Jagd, auch Lehmkugeln schieſsen, Balläster; von diesen unterscheidet sich am Ende des 16. Jahrhunderts noch eine leichtere Gattung, die Schnepper. Das Material für den Bogen ist Holz, das aber seiner geringen Federkraft wegen nur bei gemeinen Waffen in Gebrauch kam, Stahl und Horn. Stählerne Bogen hatten ungeachtet der gröſsten Schnell- kraft doch den Nachteil, daſs sie bei groſser Kälte leicht entzwei- brachen; man bediente sich daher, namentlich im Winter, mit Vor- liebe der Bogen aus mehrfachen Lagen von Ochsenhorn, welche mit

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/423>, abgerufen am 19.05.2024.