Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Die Angriffswaffen.
hämmer; der Streitkolben aber, im Oriente weit allgemeiner im Ge-
brauch, bildete im Abendlande ein besonderes Würdezeichen.
(Fig. 443 u. 444.)

Italienische Reiteräxte sind vom 14. Jahrhundert an schmal und
leicht; die meisten besitzen metallene Schäfte und als charakteristisches
Merkmal am Mitteleisen einen Haken, da sie dort nicht am Sattel-
bogen, sondern am Gürtel getragen wurden. Italienische Äxte be-
sitzen häufig eigene, mit Handschutzscheiben ausgestattete Handgriffe.
(Fig. 445 u. 446.)

Es ist bemerkenswert, dass wir schon am Beginne des 13. Jahr-
hunderts die Beile mit breiter Verstählung antreffen, ein Umstand, der
bei den langen Beilschneiden der Lochaber- wie der schwedischen
und russischen Äxte einen Begriff von der hohen Ausbildung des
Waffenschmiedhandwerks gibt.

Am verbreitetsten unter dem Fussvolke in Frankreich, Deutsch-
land und der Schweiz war jene breite Streitaxt, deren Beil am unteren
Ende der Verstärkung wegen entweder mittels einer Schnürung, oder
mittelst Schrauben mit dem Schafte in Verbindung stand. Der Schaft
selbst ist gewöhnlich mit 2 Ringen ausgestattet, an die ein Riemen
geschnallt wurde. Auf dem Marsche trug sie der Mann am Rücken. Das
Bestreben, die Wucht des Hiebes zu verstärken, führte im 14. Jahr-
hundert schon zu einer bedeutenden Verlängerung der Schäfte; da-
durch und durch Beigabe von Stossklinge und Haken wird das Streit-
beil zu einer Art Helmbarte. Solcher langschäftiger Streitäxte be-
dienten sich selbst Personen des Ritterstandes im Kampfe zu Fuss.
Eine sehr interessante Waffe der Art bewahrt die reiche Sammlung
W. H. Riggs; sie findet sich abgebildet in Viollet-le-Duc, Dictionnaire
du mobilier francais, VI. Band, pag. 17. Sie besitzt statt des Hakens
einen Hammer mit diamantierter Schlagfläche und darauf die Spott-
inschrift: "de bon ". (Fig. 447.) In der 2. Hälfte des 16. Jahr-
hunderts sehen wir auch bei dieser Waffe die Absicht auftauchen,
durch Beigabe eines Feuerrohres eine Fernwirkung zu erzielen. Derlei
Streitäxte mit Schiessvorrichtungen wurden um 1570 zahlreich in Nürn-
berg und in Brescia erzeugt, sie sind meist von reicher künstlerischer
Ausstattung in Ätzung und Tausia. Es ist dies überhaupt jene Periode,
in welcher die Waffen in reicherer Verzierung auftreten. Abgesehen
von der Ausstattung der Klingen werden auch die Schäfte mit reichen
Stoffen und Netzwerk überzogen und mit feiner Gold- und Seiden-
passamenterie besetzt. Eine besondere Gattung von Äxten, halb
Waffe, halb Zeichen des Handwerks, bilden die Bergmannsbarten,
deren Form auf die polnischen Streitäxte zurückzuführen ist; sie
werden noch zur Stunde von den Bergleuten bei festlichen Aufzügen
getragen. Ausser Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und Russland
gehört auch Sachsen zu den Ländern, in denen bis ans Ende des
16. Jahrhunderts die Streithacke als Trabantenwaffe geführt wird.


II. Die Angriffswaffen.
hämmer; der Streitkolben aber, im Oriente weit allgemeiner im Ge-
brauch, bildete im Abendlande ein besonderes Würdezeichen.
(Fig. 443 u. 444.)

Italienische Reiteräxte sind vom 14. Jahrhundert an schmal und
leicht; die meisten besitzen metallene Schäfte und als charakteristisches
Merkmal am Mitteleisen einen Haken, da sie dort nicht am Sattel-
bogen, sondern am Gürtel getragen wurden. Italienische Äxte be-
sitzen häufig eigene, mit Handschutzscheiben ausgestattete Handgriffe.
(Fig. 445 u. 446.)

Es ist bemerkenswert, daſs wir schon am Beginne des 13. Jahr-
hunderts die Beile mit breiter Verstählung antreffen, ein Umstand, der
bei den langen Beilschneiden der Lochaber- wie der schwedischen
und russischen Äxte einen Begriff von der hohen Ausbildung des
Waffenschmiedhandwerks gibt.

Am verbreitetsten unter dem Fuſsvolke in Frankreich, Deutsch-
land und der Schweiz war jene breite Streitaxt, deren Beil am unteren
Ende der Verstärkung wegen entweder mittels einer Schnürung, oder
mittelst Schrauben mit dem Schafte in Verbindung stand. Der Schaft
selbst ist gewöhnlich mit 2 Ringen ausgestattet, an die ein Riemen
geschnallt wurde. Auf dem Marsche trug sie der Mann am Rücken. Das
Bestreben, die Wucht des Hiebes zu verstärken, führte im 14. Jahr-
hundert schon zu einer bedeutenden Verlängerung der Schäfte; da-
durch und durch Beigabe von Stoſsklinge und Haken wird das Streit-
beil zu einer Art Helmbarte. Solcher langschäftiger Streitäxte be-
dienten sich selbst Personen des Ritterstandes im Kampfe zu Fuſs.
Eine sehr interessante Waffe der Art bewahrt die reiche Sammlung
W. H. Riggs; sie findet sich abgebildet in Viollet-le-Duc, Dictionnaire
du mobilier français, VI. Band, pag. 17. Sie besitzt statt des Hakens
einen Hammer mit diamantierter Schlagfläche und darauf die Spott-
inschrift: „de bon ♥“. (Fig. 447.) In der 2. Hälfte des 16. Jahr-
hunderts sehen wir auch bei dieser Waffe die Absicht auftauchen,
durch Beigabe eines Feuerrohres eine Fernwirkung zu erzielen. Derlei
Streitäxte mit Schieſsvorrichtungen wurden um 1570 zahlreich in Nürn-
berg und in Brescia erzeugt, sie sind meist von reicher künstlerischer
Ausstattung in Ätzung und Tausia. Es ist dies überhaupt jene Periode,
in welcher die Waffen in reicherer Verzierung auftreten. Abgesehen
von der Ausstattung der Klingen werden auch die Schäfte mit reichen
Stoffen und Netzwerk überzogen und mit feiner Gold- und Seiden-
passamenterie besetzt. Eine besondere Gattung von Äxten, halb
Waffe, halb Zeichen des Handwerks, bilden die Bergmannsbarten,
deren Form auf die polnischen Streitäxte zurückzuführen ist; sie
werden noch zur Stunde von den Bergleuten bei festlichen Aufzügen
getragen. Auſser Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und Ruſsland
gehört auch Sachsen zu den Ländern, in denen bis ans Ende des
16. Jahrhunderts die Streithacke als Trabantenwaffe geführt wird.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0394" n="376"/><fw place="top" type="header">II. Die Angriffswaffen.</fw><lb/>
hämmer; der Streitkolben aber, im Oriente weit allgemeiner im Ge-<lb/>
brauch, bildete im Abendlande ein besonderes Würdezeichen.<lb/>
(Fig. 443 u. 444.)</p><lb/>
            <p>Italienische Reiteräxte sind vom 14. Jahrhundert an schmal und<lb/>
leicht; die meisten besitzen metallene Schäfte und als charakteristisches<lb/>
Merkmal am Mitteleisen einen Haken, da sie dort nicht am Sattel-<lb/>
bogen, sondern am Gürtel getragen wurden. Italienische Äxte be-<lb/>
sitzen häufig eigene, mit Handschutzscheiben ausgestattete Handgriffe.<lb/>
(Fig. 445 u. 446.)</p><lb/>
            <p>Es ist bemerkenswert, da&#x017F;s wir schon am Beginne des 13. Jahr-<lb/>
hunderts die Beile mit breiter Verstählung antreffen, ein Umstand, der<lb/>
bei den langen Beilschneiden der Lochaber- wie der schwedischen<lb/>
und russischen Äxte einen Begriff von der hohen Ausbildung des<lb/>
Waffenschmiedhandwerks gibt.</p><lb/>
            <p>Am verbreitetsten unter dem Fu&#x017F;svolke in Frankreich, Deutsch-<lb/>
land und der Schweiz war jene breite Streitaxt, deren Beil am unteren<lb/>
Ende der Verstärkung wegen entweder mittels einer Schnürung, oder<lb/>
mittelst Schrauben mit dem Schafte in Verbindung stand. Der Schaft<lb/>
selbst ist gewöhnlich mit 2 Ringen ausgestattet, an die ein Riemen<lb/>
geschnallt wurde. Auf dem Marsche trug sie der Mann am Rücken. Das<lb/>
Bestreben, die Wucht des Hiebes zu verstärken, führte im 14. Jahr-<lb/>
hundert schon zu einer bedeutenden Verlängerung der Schäfte; da-<lb/>
durch und durch Beigabe von Sto&#x017F;sklinge und Haken wird das Streit-<lb/>
beil zu einer Art Helmbarte. Solcher langschäftiger Streitäxte be-<lb/>
dienten sich selbst Personen des Ritterstandes im Kampfe zu Fu&#x017F;s.<lb/>
Eine sehr interessante Waffe der Art bewahrt die reiche Sammlung<lb/>
W. H. Riggs; sie findet sich abgebildet in Viollet-le-Duc, Dictionnaire<lb/>
du mobilier français, VI. Band, pag. 17. Sie besitzt statt des Hakens<lb/>
einen Hammer mit diamantierter Schlagfläche und darauf die Spott-<lb/>
inschrift: &#x201E;de bon &#x2665;&#x201C;. (Fig. 447.) In der 2. Hälfte des 16. Jahr-<lb/>
hunderts sehen wir auch bei dieser Waffe die Absicht auftauchen,<lb/>
durch Beigabe eines Feuerrohres eine Fernwirkung zu erzielen. Derlei<lb/>
Streitäxte mit Schie&#x017F;svorrichtungen wurden um 1570 zahlreich in Nürn-<lb/>
berg und in Brescia erzeugt, sie sind meist von reicher künstlerischer<lb/>
Ausstattung in Ätzung und Tausia. Es ist dies überhaupt jene Periode,<lb/>
in welcher die Waffen in reicherer Verzierung auftreten. Abgesehen<lb/>
von der Ausstattung der Klingen werden auch die Schäfte mit reichen<lb/>
Stoffen und Netzwerk überzogen und mit feiner Gold- und Seiden-<lb/>
passamenterie besetzt. Eine besondere Gattung von Äxten, halb<lb/>
Waffe, halb Zeichen des Handwerks, bilden die <hi rendition="#g">Bergmannsbarten,</hi><lb/>
deren Form auf die polnischen Streitäxte zurückzuführen ist; sie<lb/>
werden noch zur Stunde von den Bergleuten bei festlichen Aufzügen<lb/>
getragen. Au&#x017F;ser Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und Ru&#x017F;sland<lb/>
gehört auch Sachsen zu den Ländern, in denen bis ans Ende des<lb/>
16. Jahrhunderts die Streithacke als Trabantenwaffe geführt wird.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0394] II. Die Angriffswaffen. hämmer; der Streitkolben aber, im Oriente weit allgemeiner im Ge- brauch, bildete im Abendlande ein besonderes Würdezeichen. (Fig. 443 u. 444.) Italienische Reiteräxte sind vom 14. Jahrhundert an schmal und leicht; die meisten besitzen metallene Schäfte und als charakteristisches Merkmal am Mitteleisen einen Haken, da sie dort nicht am Sattel- bogen, sondern am Gürtel getragen wurden. Italienische Äxte be- sitzen häufig eigene, mit Handschutzscheiben ausgestattete Handgriffe. (Fig. 445 u. 446.) Es ist bemerkenswert, daſs wir schon am Beginne des 13. Jahr- hunderts die Beile mit breiter Verstählung antreffen, ein Umstand, der bei den langen Beilschneiden der Lochaber- wie der schwedischen und russischen Äxte einen Begriff von der hohen Ausbildung des Waffenschmiedhandwerks gibt. Am verbreitetsten unter dem Fuſsvolke in Frankreich, Deutsch- land und der Schweiz war jene breite Streitaxt, deren Beil am unteren Ende der Verstärkung wegen entweder mittels einer Schnürung, oder mittelst Schrauben mit dem Schafte in Verbindung stand. Der Schaft selbst ist gewöhnlich mit 2 Ringen ausgestattet, an die ein Riemen geschnallt wurde. Auf dem Marsche trug sie der Mann am Rücken. Das Bestreben, die Wucht des Hiebes zu verstärken, führte im 14. Jahr- hundert schon zu einer bedeutenden Verlängerung der Schäfte; da- durch und durch Beigabe von Stoſsklinge und Haken wird das Streit- beil zu einer Art Helmbarte. Solcher langschäftiger Streitäxte be- dienten sich selbst Personen des Ritterstandes im Kampfe zu Fuſs. Eine sehr interessante Waffe der Art bewahrt die reiche Sammlung W. H. Riggs; sie findet sich abgebildet in Viollet-le-Duc, Dictionnaire du mobilier français, VI. Band, pag. 17. Sie besitzt statt des Hakens einen Hammer mit diamantierter Schlagfläche und darauf die Spott- inschrift: „de bon ♥“. (Fig. 447.) In der 2. Hälfte des 16. Jahr- hunderts sehen wir auch bei dieser Waffe die Absicht auftauchen, durch Beigabe eines Feuerrohres eine Fernwirkung zu erzielen. Derlei Streitäxte mit Schieſsvorrichtungen wurden um 1570 zahlreich in Nürn- berg und in Brescia erzeugt, sie sind meist von reicher künstlerischer Ausstattung in Ätzung und Tausia. Es ist dies überhaupt jene Periode, in welcher die Waffen in reicherer Verzierung auftreten. Abgesehen von der Ausstattung der Klingen werden auch die Schäfte mit reichen Stoffen und Netzwerk überzogen und mit feiner Gold- und Seiden- passamenterie besetzt. Eine besondere Gattung von Äxten, halb Waffe, halb Zeichen des Handwerks, bilden die Bergmannsbarten, deren Form auf die polnischen Streitäxte zurückzuführen ist; sie werden noch zur Stunde von den Bergleuten bei festlichen Aufzügen getragen. Auſser Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und Ruſsland gehört auch Sachsen zu den Ländern, in denen bis ans Ende des 16. Jahrhunderts die Streithacke als Trabantenwaffe geführt wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/394
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/394>, abgerufen am 18.05.2024.