Vom 4. Jahrhunderte an, zuerst in Italien, später auch unter den Franken, wird das kurze Krummschwert eine beliebte Waffe des Fussvolkes, das, wie wir wissen, immer mit weniger widerstandsfähigen Schutzwaffen ausgerüstet war. In Frankreich tritt es um die Mitte des 13. Jahrhunderts unter der Bezeichnung fauchon als messer- artige Waffe mit gegen die Spitze zu sich verbreitender und dort vom Rücken aus schräg abgeschnittener Klinge, also in vollkommen orien- talischer Form auf. Unter diesem Namen, der unzweifelhaft sich von dem Worte faux, "Sense", ableitet, erscheint diese Waffe bis gegen das Ende des 14. Jahrhunderts. Von da an erscheint sie mit etwas längerer und mehr bizarr geformter Klinge als bazelaire, später badelaire. Sie erhielt sich bis ins 17. Jahrhundert, wenngleich sie immer als Messer angesehen und immer weniger beachtet wurde.
Sehr schwere, einschneidige und nur an der Spitze auch am Rücken zugeschliffene krumme Hiebwaffen nannte man in England und Frankreich Craquemarts. Sie erscheinen neben den badelaires im 14. Jahrhundert und werden vorzugsweise von Seesoldaten geführt. Eine Abart derselben mit mehr gekrümmter, an der Spitze sich ver- breitender und am Rücken eckig eingezogener Klinge wird im späten Mittelalter malchus genannt. Das kurze Krummschwert mit messer- artiger Klinge war unter verschiedenen Bezeichnungen bis ans Ende des 16. Jahrhunderts die gemeine deutsche Bauernwehre; als solche wird es im 14. und 15. Jahrhundert unter dem Fussvolke in ganz Deutschland bis in den Norden hinauf angetroffen. Im 14. Jahr- hundert erscheint dasselbe auch häufig mit dem Faustschilde, wie wir an dem schönen Kreuzigungsbilde des Gerard David in der Berliner Galerie (573) und in einem solchen der Kunstsammlung im Stifte Klosterneuburg ersehen. (Fig. 202.)
Eine eigene Art von Krummschwertern wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts von den venezianischen Seesoldaten geführt: das sogenannte Sägeschwert, dessen Klinge von 45 cm. Länge an der Scheide gezähnt gebildet war und unterhalb gebogen in die Spitze lief. Der Griff besass nur Parierstange mit anlaufendem Griff- bügel und kurzen Parierknebel. In den gemeiniglich nur kurz an- dauernden Entergefechten mochte die Form einige Vorteile besitzen, da schon ein schwacher, ungezielter Hieb einen Mann ausser Gefecht setzen konnte. Alle diese Schwerter wurden in Belluneser Werk- stätten gefertigt. (Fig. 308.)
Die ältesten asiatischen Krummschwerter treten unter dem Namen scymitar auf, vermutlich eine Ableitung von dem persischen chimichir, schemschir, was schlechtweg Schwert bedeutet; im Munde der Franzosen verwandelte sich diese Bezeichnung in sauve- terre und cimeterre. Mit dem fauchon ist der Scymitar nicht zu verwechseln, da dessen Klinge bei 70 cm. Länge mass, somit immer länger und gestreckter war. Im Türkischen heisst das Krumm-
II. Die Angriffswaffen.
Vom 4. Jahrhunderte an, zuerst in Italien, später auch unter den Franken, wird das kurze Krummschwert eine beliebte Waffe des Fuſsvolkes, das, wie wir wissen, immer mit weniger widerstandsfähigen Schutzwaffen ausgerüstet war. In Frankreich tritt es um die Mitte des 13. Jahrhunderts unter der Bezeichnung fauchon als messer- artige Waffe mit gegen die Spitze zu sich verbreitender und dort vom Rücken aus schräg abgeschnittener Klinge, also in vollkommen orien- talischer Form auf. Unter diesem Namen, der unzweifelhaft sich von dem Worte faux, „Sense“, ableitet, erscheint diese Waffe bis gegen das Ende des 14. Jahrhunderts. Von da an erscheint sie mit etwas längerer und mehr bizarr geformter Klinge als bazelaire, später badelaire. Sie erhielt sich bis ins 17. Jahrhundert, wenngleich sie immer als Messer angesehen und immer weniger beachtet wurde.
Sehr schwere, einschneidige und nur an der Spitze auch am Rücken zugeschliffene krumme Hiebwaffen nannte man in England und Frankreich Craquemarts. Sie erscheinen neben den badelaires im 14. Jahrhundert und werden vorzugsweise von Seesoldaten geführt. Eine Abart derselben mit mehr gekrümmter, an der Spitze sich ver- breitender und am Rücken eckig eingezogener Klinge wird im späten Mittelalter malchus genannt. Das kurze Krummschwert mit messer- artiger Klinge war unter verschiedenen Bezeichnungen bis ans Ende des 16. Jahrhunderts die gemeine deutsche Bauernwehre; als solche wird es im 14. und 15. Jahrhundert unter dem Fuſsvolke in ganz Deutschland bis in den Norden hinauf angetroffen. Im 14. Jahr- hundert erscheint dasselbe auch häufig mit dem Faustschilde, wie wir an dem schönen Kreuzigungsbilde des Gerard David in der Berliner Galerie (573) und in einem solchen der Kunstsammlung im Stifte Klosterneuburg ersehen. (Fig. 202.)
Eine eigene Art von Krummschwertern wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts von den venezianischen Seesoldaten geführt: das sogenannte Sägeschwert, dessen Klinge von 45 cm. Länge an der Scheide gezähnt gebildet war und unterhalb gebogen in die Spitze lief. Der Griff besaſs nur Parierstange mit anlaufendem Griff- bügel und kurzen Parierknebel. In den gemeiniglich nur kurz an- dauernden Entergefechten mochte die Form einige Vorteile besitzen, da schon ein schwacher, ungezielter Hieb einen Mann auſser Gefecht setzen konnte. Alle diese Schwerter wurden in Belluneser Werk- stätten gefertigt. (Fig. 308.)
Die ältesten asiatischen Krummschwerter treten unter dem Namen scymitar auf, vermutlich eine Ableitung von dem persischen chimichir, schemschir, was schlechtweg Schwert bedeutet; im Munde der Franzosen verwandelte sich diese Bezeichnung in sauve- terre und cimeterre. Mit dem fauchon ist der Scymitar nicht zu verwechseln, da dessen Klinge bei 70 cm. Länge maſs, somit immer länger und gestreckter war. Im Türkischen heiſst das Krumm-
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II. Die Angriffswaffen.
Vom 4. Jahrhunderte an, zuerst in Italien, später auch unter
den Franken, wird das kurze Krummschwert eine beliebte Waffe des
Fuſsvolkes, das, wie wir wissen, immer mit weniger widerstandsfähigen
Schutzwaffen ausgerüstet war. In Frankreich tritt es um die Mitte
des 13. Jahrhunderts unter der Bezeichnung fauchon als messer-
artige Waffe mit gegen die Spitze zu sich verbreitender und dort vom
Rücken aus schräg abgeschnittener Klinge, also in vollkommen orien-
talischer Form auf. Unter diesem Namen, der unzweifelhaft sich von
dem Worte faux, „Sense“, ableitet, erscheint diese Waffe bis gegen
das Ende des 14. Jahrhunderts. Von da an erscheint sie mit etwas
längerer und mehr bizarr geformter Klinge als bazelaire, später
badelaire. Sie erhielt sich bis ins 17. Jahrhundert, wenngleich sie
immer als Messer angesehen und immer weniger beachtet wurde.
Sehr schwere, einschneidige und nur an der Spitze auch am
Rücken zugeschliffene krumme Hiebwaffen nannte man in England
und Frankreich Craquemarts. Sie erscheinen neben den badelaires
im 14. Jahrhundert und werden vorzugsweise von Seesoldaten geführt.
Eine Abart derselben mit mehr gekrümmter, an der Spitze sich ver-
breitender und am Rücken eckig eingezogener Klinge wird im späten
Mittelalter malchus genannt. Das kurze Krummschwert mit messer-
artiger Klinge war unter verschiedenen Bezeichnungen bis ans Ende
des 16. Jahrhunderts die gemeine deutsche Bauernwehre; als solche
wird es im 14. und 15. Jahrhundert unter dem Fuſsvolke in ganz
Deutschland bis in den Norden hinauf angetroffen. Im 14. Jahr-
hundert erscheint dasselbe auch häufig mit dem Faustschilde, wie
wir an dem schönen Kreuzigungsbilde des Gerard David in der
Berliner Galerie (573) und in einem solchen der Kunstsammlung im
Stifte Klosterneuburg ersehen. (Fig. 202.)
Eine eigene Art von Krummschwertern wurde um die Mitte des
16. Jahrhunderts von den venezianischen Seesoldaten geführt: das
sogenannte Sägeschwert, dessen Klinge von 45 cm. Länge an
der Scheide gezähnt gebildet war und unterhalb gebogen in die
Spitze lief. Der Griff besaſs nur Parierstange mit anlaufendem Griff-
bügel und kurzen Parierknebel. In den gemeiniglich nur kurz an-
dauernden Entergefechten mochte die Form einige Vorteile besitzen,
da schon ein schwacher, ungezielter Hieb einen Mann auſser Gefecht
setzen konnte. Alle diese Schwerter wurden in Belluneser Werk-
stätten gefertigt. (Fig. 308.)
Die ältesten asiatischen Krummschwerter treten unter dem Namen
scymitar auf, vermutlich eine Ableitung von dem persischen
chimichir, schemschir, was schlechtweg Schwert bedeutet; im
Munde der Franzosen verwandelte sich diese Bezeichnung in sauve-
terre und cimeterre. Mit dem fauchon ist der Scymitar nicht
zu verwechseln, da dessen Klinge bei 70 cm. Länge maſs, somit
immer länger und gestreckter war. Im Türkischen heiſst das Krumm-
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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